Entscheidung

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Arme Marion! Der Gedanke kam ganz plötzlich und lies mich innehalten. Sie durfte nie erfahren, dass ihr Mann gestern Nacht bei mir war! Mit einem Ruck stellte ich das Wasser ab. Plötzlich fröstelte ich. Scheiße! Wie sollte ich ihr nachher unter die Augen treten, ohne daran zu denken, dass ich sie vor ein paar Stunden betrogen hatte? Dass ihr Mann sie betrogen hatte?

Ich schlüpfte aus der Dusche und schlang ein Badetuch um meinen Körper. Unwillkürlich kam mir der Streit zwischen Marion und Yannik neulich in der Küche in den Sinn, bei dem es ums Fremdgehen ging. Hatte Marion also doch nicht ganz unrecht, was Yan und andere Frauen anging. Ein unangenehmes Ziehen breitete sich in meinem Magen aus. Der Gedanke gefiel mir nicht, dass es Yan mit der Treue nicht so genau nahm. Ich griff nach einem zweiten Handtuch und trocknete damit mein Haar. Merkwürdig, aber neulich hatte ich es nicht für möglich gehalten, dass Yan seine Familie betrügen könnte. Und jetzt, wo er genau das gemacht hatte? Wo ich der Grund für den Betrug war ...? Dachte ich etwa, nur weil er mit mir fremd ging, war der Betrug nicht so schlimm?

Ich legte das Tuch zur Seite und ordnete meine Haare, indem ich mit den Fingern hindurchfuhr. Aber vielleicht war ich ja tatsächlich nicht die einzige, mit der er rummachte. Vielleicht war ich nur eine von vielen. Wie auf Kommando schoss mir Blondie in den Sinn und das Ziehen verstärkte sich noch. Augenblicklich fühlten sich meine Beine wie mit Gummi gefüllt an. Ich stützte mich am Waschbecken ab und atmete ein paar Mal tief durch.

Die ganze Situation war irgendwie grotesk. Das ging alles viel tiefer, als ich es für möglich gehalten hatte. Heiliger Scheiß, was hatte ich da nur angefangen?

***

Mittlerweile wurde es hell draußen. Mit wackligen Beinen und einem miesen Gefühl im Körper verließ ich das Bad, ging hinüber zum Fenster und öffnete mit einem Ruck die Holzläden. Die Sonne wärmte schon ganz ordentlich zu dieser frühen Stunde und es würde wohl ein sehr heißer Tag werden, in vielerlei Hinsicht, nicht nur, weil mein Dad heute Geburtstag hatte.

Von weitem hörte ich Motorengeheul von einem Wagen, der sich mit hoher Geschwindigkeit näherte. Ich wunderte mich, wer denn so früh schon zu Besuch kam. Sicher würde das Haus heute voller Leute sein, aber doch erst später. Neugierig spähte ich die Auffahrt hinunter und wartete, dass das Auto in meinem Blickfeld erschien und wenig später sah ich es. Es war der Lieferwagen eines Bäckers aus dem Ort, der uns wohl mit allerlei Leckereien versorgte.

Ich blieb einen Moment lang stehen, bis der kleine Wagen mit quietschenden Reifen vor dem Haus zum Stehen kam. Die Tür flog auf und ein junger Mann sprang heraus. Sogleich fing er an Papiertüten vollgestopft mit Baguettes, die oben herauslugten, auszuladen. Keine drei Sekunden später läutete er auch schon und nachdem ich mir in Windeseile ein Shirt und Jeans angezogen hatte, öffnete ich meine Zimmertüre und rannte die Treppe hinunter, um die Tüten in Empfang zu nehmen. Doch am Treppenabsatz stieß ich beinahe mit Marie zusammen. Ich hatte komplett vergessen, dass sie ja schon nach unten gegangen war, um Kaffee zu kochen.

„Hier, hilf mir mal!", forderte sie mich auf und hielt mir auch schon eine randgefüllte Tüte hin.

Sofort steckte ich meine Nase hinein, denn es duftete herrlich und ich konnte es mir nicht verkneifen, gleich ein Croissant zu mopsen, was mir natürlich einen strengen Blick von meiner Freundin einbrachte.

„Was denn?", verteidigte ich mich. „Ich helfe beim Essen. Ist doch schließlich auch Hilfe, oder?" Ich hoffte, dass mein Scherz ihr wenigstens ein klitzekleines Lächeln abringen würde, was aber leider nicht so war.

„Komm schon, bist du noch sauer wegen vorher?", ergriff ich die Offensive.

Ihre Antwort lies einen Moment auf sich warten.

Crush - verliebt in den Vater meiner FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt