Normalerweise war Olivia Anderson ein ganz ruhiger Mensch. Sie überdachte ihre Aktionen immer sehr sorgfältig und behielt einen kühlen Kopf. Wenn sie ein Meeting hatte, war sie immer sehr sachlich und bekam, was sie wollte. Doch jetzt lief sie nervös in ihrem Büro im sechzehnten Stock der CIA-Zentrale in Los Angeles umher. Eigentlich genoss die Chefin der Spezialeinheit ihre Aussicht auf die Hollywood-Studios, aber heute konnte sie sich wirklich nicht auf so etwas konzentrieren.
Gerade eben hatte sie eine Akte bekommen, die sie sehr beunruhigte. Üblicherweise belastete sie so gut wie nie etwas, schon gar nicht eine simple Ansammlung von Daten, wie sie es jedes Tag zu sehen bekam. Um Probleme zu lösen tat sie immer das gleiche, nämlich alleine in ihrem Büro nachzudenken und wenn eine ihrer Mitarbeiter hereinplatzen, oder sonst irgendwie ihre Denkphase stören sollte, war dieser ohne weiteres gefeuert.
In Gedanken stellte sie sich verschiedene Szenarien vor, um herauszufinden, welches die beste Lösung ist. Nach exakt vierunddreissig Sekunden erwachte sie wieder aus ihrer Trance und lief so schnell es ihre kleinen Beine erlaubten aus dem Büro. Sie ging schnurstracks auf die gegenüberliegende Seite des Gangs zu einem anderen Büro.
Wenn man als Nichtsahnender das Gebäude betreten würde, wenn man es durch die strengen Sicherheitsmassnahmen schaffen würde, konnte man sich nicht vorstellen, dass hinter diesen Türen Entscheidungen von Leben und Tod gefällt werden. Von aussen wirkt das Hochhaus wie eine von den unzähligen Versicherungsfirmas und als solches wird es auch beworben.
Auf der anderen Seite angekommen betrat Olivia den Raum, ohne anzuklopfen. Hunter blickte überrascht auf, er las gerade eine französische Zeitung, eine der sieben Sprachen die er fliessend beherrscht. Normalerweise wurde er nicht gestört bei seinem alltäglichen Ritual, also musste es wohl ein dringender Notfall sein. Genervt inspizierte er Olivia mit seinen schlaffen, blauen Augen. Ihre Frisur war wie immer gleich, sie trug ihre Haare zusammengebunden auf dem Kopf. Ihr Anzug wirkte als wäre er gerade neu gewaschen worden, so wie es bei ihr üblicherweise der Fall war. Hunter selber hatte seine mittlerweile grauen Haare zurückgekämmt und sass mit einem gelben Shirt an seinem Schreibtisch. Er begann nie eine Konversation und das wusste sie auch, weswegen sie vorsichtig anfing das Problem zu schildern. “Dieser Anthony Davies ist gar nicht so tot, wie wir vermuten”, begann sie, “So wie es aussieht, waren die Berichte, dass er bei dem Anschlag auf Tokio allesamt falsch. Sie erinnern sich? Er war dafür verantwortlich, dass zwei unserer Agenten in Tokio umgekommen sind. Die beiden verfolgten eine Spur, um die Qūzhújiàn zu finden und dann landeten sie bei Davies. Dieser hatte es aber anscheinend gemerkt und sie in eine Falle gelockt. Ihre Leichen wurden in der Nähe einer Tankstelle gefunden, die Todesursache: Explosion. Die Untersuchungen zeigten, dass die Bombe von einem chinesischen Lieferant war. Es war derselbe, der die Waffen auf zahlreiche Terroranschläge produziert hatte.” Olivia sprudelten die Worte einfach so raus ohne, dass sie gross darüber nachdachte, was sie sagte. Diese beiden Agenten, die getötet wurden, waren die ersten zwei Todesopfer die es in ihrer Karriere als Leiterin der Spezialeinheit der CIA gab. Hunter sagte nichts, er streckte nur die Hand aus und verlangte die Akte, die sie ganze Zeit hinter ihrem Rücken gehabt hatte. Er hatte sie zwar nicht gesehen, aber er wusste, dass sie da war. Mit einem kurzen Zögern übergab sie ihm das Dokument. Er begann sofort zu lesen und sich jedes einzelne Wort einzuprägen. Es war ein ausführlicher Bericht, der bestätigte, dass Anthony Davies sich im Moment in China, genauer in einer Bergstadt namens Lijiang befand. Bei Hunter klingelte da etwas. Die beiden toten Agenten hatten kurz vor dem Unfall diesen Ort erwähnt, das war mir grosser Wahrscheinlichkeit kein Zufall. Anscheinend hatte er gerade dort ein Haus abgerissen und mehrere Männer umgelegt. “Ich mach das Alphateam bereit”, es waren die ersten Worte, die er an jenem Morgen sprach. Er redete immer nur in kurzen Sätzen und ist sehr direkt. Er stand auf und nahm zur Olivias Verwunderung die Akte nicht mit. Er hatte sich den ganzen Artikel mit jedem einzelnen Buchstaben genau gemerkt. ‘Einen jungen, unerfahrenen Briten zu jagen wird bestimmt einfach’, dachte er und schmunzelte bei dem Gedanken, wie er Anthony Davies mit den Händen erwürgte.
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Qūzhújiàn
ActionAnthony Davies will mit seiner Freundin eigentlich nur in Miami seinen Urlaub geniessen, aber eine unheimliche chinesische Terrororganisation macht ihm diesen Plan zunichte. Als Rachefeldzug verfolgt Tony die Spur ubd landet in einem kleinen Bergdor...