Senna Quince | Kapitel 26

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Als ich wieder erwachte wurde mir gleich klar, dass ich nicht lange weg gewesen sein konnte. 

Die Angespannte Stimmung hatte sich nicht wirklich verändert. Jedoch starten Tway und Maze auf mich herab, was mich ein wenig irritierte. 

„Hab ich was verpasst?“, versuchte ich zu spaßen und schaffte immerhin, dass sie beide synchron erleichtert aufatmeten. 

Tway, der mich immer noch hielt, drückte kurz meinen Arm. Ob aus versehen oder gewollt konnte ich nicht sagen. 

„Wir haben uns Sorgen gemacht.“, verlangte Maze meine Aufmerksamkeit und ich nahm sofort die Hand von meinem Freund. 

„Du solltest wissen, dass ich nicht so leicht klein zu kriegen bin.“, beschwerte ich mich bei ihm, wodurch er sofort entschuldigend Grinste. 

Jedoch wurden wir von einem Scheppern abgelenkt, was zumindest Tway und Maze dazu bewegte, aufzusehen. 

„Kommt endlich helfen.“, kreischte Velvet fast hysterisch und ich sah wieder den Kampf gegen die Mutation vor uns. 

Lentil der versuchte die Mutation alleine zu bekämpfen, während Velvet sich an schlich. Wie der der Junge aus Distrikt Eins in einen Haufen alter Stühle und Tische verschwand. 

War er noch nicht wieder heraus gekommen?

„Geht helfen.“, meinte ich leise, während ich versuchte mich auf zu setzen. 

Es wollte mir nicht wirklich gelingen, jedoch nahm zumindest Tway meine Aussage ernst und schien selber das Problem zu erkennen. 

„Bleib bei ihr.“; befahl er Maze und überreichte mich mehr oder weniger regelrecht sanft an meinen Distriktpartner, ehe er aufsprang und zu Velvet und Vine ging, die schon Dinge bei Seite warfen. 

Es wurde eindeutig lauter und schneller als Tway bei ihnen ankam. 

„Hilf mir hoch.“, bat ich meinen Distriktpartner, da ich auch helfen wollte, oder zumindest abschätzen, wie es um Lentil stand.

Maze musterte mich kurz, ehe er meinen Befehl folgte. 

Wir schafften es mich aufzusetzen, jedoch zog im nächsten Moment ein stechender Schmerz durch meinen Oberschenkel. Schnell schaute ich hin und sah die Wunde, vom Kampf mit Ivy, wieder blutete. 

Mist. Diese Wunde würde mich mehr behindern, als ich gehofft hatte. 

Ein gellender Schrei forderte jedoch meine Aufmerksamkeit. Mazes und mein Kopf schossen zu den anderen, wo Velvet erstarrt dastand. Jedoch gefielen mir auch Vines und Tways Gesichtsausdrücke nicht wirklich. 

Meine eigenen Schmerzen ignorierend, kämpfte ich mich mit Mazes Hilfe nach oben. Es schien Ewigkeiten zu dauern, doch wir schafften es zu den anderen, wo Velvet mittlerweile in den Haufen zerstörter Möbel geklettert war. Tway hatte seine Hand auf Vines Schulter gelegt, der mehr als geschockt aussah. 

Als wir endlich ankamen, wusste ich auch warum.

Lentil lag in Mitten der Trümmer und schaute uns an. Bis auf ein paar Kratzer wirkte er unverletzt, wäre nicht der lange Holzpflock, der vorher ein Stuhl- oder Tischbein gewesen war, der aus seiner Brust ragte. Er war wohl so unglücklich gelandet und regelrecht aufgespiesst wurde. 

Keuchend holte nun selbst ich nach Luft, wodurch er von Velvet auf mich schaute. 

Er grinste. 

Trotz Schmerzen und nahenden Tod grinste er uns an. 

„Mein Gott ihr seht aus, als hättet ihr den Tod persönlich gesehen. Jetzt tut nicht so geschockt.“ 

Dann wand er sich wieder an Velvet die schniefend neben ihn saß und mit den Tränen kämpfte. 

„Und du gewinnst, hörst du? Du kannst nicht zulassen, dass einer von diesen Schnarchnasen gewinnt.“

Velvet nickte, sagte jedoch kein Wort. 

Ich hatte das Gefühl, dass wir weggehen sollten, aber keiner der Anderen bewegte sich. Es war, als wären alle im Schock. Vielleicht lag es daran, dass wir nun doch schon eine Weile hier zusammen in der Arena waren. Vielleicht aber auch, weil es eine Mutation war, die einen der Unseren entriss. Die Art, wie er starb konnte ebenfalls ein Grund sein. Der Tod sollte schnell sein, nicht so langsam und qualvoll. Denn darüber konnte Lentil nicht hinwegtäuschen. Egal wie viel er lachte, er hatte Schmerzen und das hatte nicht einmal der launische Junge aus Distrikt Eins verdient. Zumindest nicht meiner Ansicht nach. Ich hatte genug Spiele gesehen in denen die Karrieros es genossen, die anderen Tribute zu quälen. Mir hingegen ging es nur ums gewinnen. Die anderen hatten zumindest in dieser Hinsicht wie ich gedacht, weswegen mir ihr Tod näher ging als es sollte. 

Besonders als über Velvets Wange, die erste Träne lief, als sie sanft über Lentils Wange strich. Es schien, als wollte sie sich seine Gesichtszüge nur durch diese Berührung einprägen. 

„Verlass mich nicht. Bitte.“, flehte sie leise und ich konnte sehen, wie nicht nur Lentil unter dieser Bitte zusammen zuckte. 

Maze griff nach meiner Hand und sofort verschlang ich meine Finger mit denen meines Freundes. 

„Ich wünschte ich könnte...“, flüsterte Lentil und blickte zu seiner Distriktpartnerin und ihren nun verschränkten Fingern. 

Eine Ewigkeit schien er darauf zu starren, ehe er ihre Finger langsam von seinen löste. 

„Ich wünschte“, begann er und ich merkte, dass das Atem schwerer für ihn wurde. „wir hätten für immer gehabt.“ 

Müde ließ er seinen Kopf an Velvets Schulter fallen und ich sah regelrecht wie das Leben aus ihm entwich. 

Als Lentils Kanonenschuss ertönte zuckte ich zusammen. Es war so … endgültig. 

Velvet begann den Tränen freien Lauf zu lassen. Da war nichts mehr von dem starken, sarkastischen Mädchen, sondern nur noch eine gebrochene Hülle. 

Fast krampfhaft klammerte sie sich an ihren Distriktpartner, der nicht mehr reagieren konnte. 

Tway war der Erste, der sich in Bewegung setzte und zu ihr ging. 

„Komm“, meinte er unglaublich sanft zu Velvet, „Wir müssen hier weg.“

„Nein“, widersprach sie leise, „Er hat Angst im Dunkeln. Er hat es gehasst, dass er so schwach dabei war aber wenn ich dabei war, half es ihm. Ich kann ihn nicht allein lassen.“

Vine schniefte neben mir, wodurch Maze sich nun auch an ihn wand und beruhigend auf ihn einredete. 

Ich selber humpelte unelegant zu Tway, um ihn mit Velvet zu helfen. 

Vorsichtig packte ich Lentil bei den Schultern und zog ihm langsam von ihr. Im ersten Moment umklammerte Velvet seinen Leichnam und flüsterte immer wieder, dass er Angst hatte. 

Zumindest erklärte dies, warum er auf der Jagd immer so schlecht gelaunt war. Diese Arena musste die Hölle für ihn gewesen sein, da es durch den Nebel selbst tagsüber nie wirklich hell war. 

„Er hat keine Angst mehr, Velvet.“, begann Tway wieder auf sie einzureden, „Nicht mehr. Er hat es geschafft. Lass los.“

Es dauerte noch ein paar Sekunden, doch dann ließ ihr Widerstand nach und ich konnte den Jungen aus Distrikt Eins wieder auf den Boden zurück legen, zumindest soweit es der Holzpflock zu ließ. 

Tway hob nun Velvet einfach hoch, als wöge sie nichts und ging in Richtung Treppe. 

Drei Tote an einem Tag waren mehr als genug. Die Jagd war zu Ende, ehe sie überhaupt begonnen hatte. 

Besonders für Lentil. 

Ich blickte noch einmal auf ihn. Er wirkte jünger und sanfter im Tod. Wahrscheinlich hatte ich ihn falsch eingeschätzt. Durch seine Angst war er gequälter als wir alle zusammen und doch hatte er nie aufgegeben. Er hatte für seinen Distrikt gekämpft. Für ihre Ehre. 

„Du hast es geschafft.“, flüsterte ich leise und drückte ihn einen Abschiedskuss auf die Stirn, als mir klar wurde, wie sehr sein Tod schon schmerzte. In den wenigen Tagen, waren die anderen Karrieros meine Familie geworden. Meine Geschwister... 

„Bis wir uns wiedersehen, Bruder.“

Senna Quince | Geboren um zu töten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt