6 - True Emotions

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Hoseok stupst mich sanft unter dem Tisch an und nickt mir aufmunternd zu. Yoongi lehnt sich im bequemen Ledersessel zurück und sieht mich zufrieden an. Ich lächle beiden zu, auch wenn mir gar nicht danach ist. In mir herrschen Aufregung und Ungewissheit.

Unser Boss führt uns noch nach draußen, während Frau Kim mit unseren Verträgen verschwindet. Ich schaue ihr noch einige Augenblicke hinterher, bis wir uns in die andere Richtung davon bewegen.

Wir vereinbaren mit Herr Park, dass wir uns in ein paar Tagen wieder sehen

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Wir vereinbaren mit Herr Park, dass wir uns in ein paar Tagen wieder sehen. In dieser Zeit sollen wir all unsere Habseligkeiten packen und wichtige Dinge Zuhause klären, da doch tatsächlich ein großer Umzug vor uns liegt. Noch heute habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, hier in Seoul zu leben. Nun ist es tatsächlich Realität. Am liebsten würde ich gleich hier bleiben, doch wir müssen wieder zurück nach Daegu.

Die gesamte Rückfahrt verschlafe ich komplett, denn ich fühle mich völlig ausgelaugt. Kurz vor der Ankunft in Daegu weckt mich Hoseok und wir drei steigen müde gähnend aus dem Zug. Es ist schon fast Mitternacht. Die Jungs bieten mir noch an, mich nach Hause zu begleiten, da es bereits dunkel ist. Ich bin froh, denn so können wir uns noch ein wenig über den verrückten Tag unterhalten. »Hättet ihr das gedacht... ich meine, dass wir es schaffen?« , frage ich die beiden lächelnd nach einigen Augenblicken der Stille.

Hoseok geht direkt neben mir und antwortet sofort. »Ganz ehrlich? Ich hatte echt Panik bei dem Vorsprechen! Zwei der Juroren sahen so streng aus... vor allem der mit dem Hemd! Aber... ich habe einfach mein Bestes gegeben, denn ich wollte sie mit dem überzeugen, was ich am meisten liebe.« Er haut sich theatralisch an die Brust und ich gebe ein Schnauben von mir.

Wir laufen einige Meter weiter, bis sich Yoongi dazu entschließt, uns seine Gedanken ebenfalls mitzuteilen. »Ich hatte zwar keinen Vergleich mit anderen Bewerbern, aber wenn die uns nicht genommen hätten, dann würde ich eine andere Möglichkeit suchen. Ich möchte Musik machen. Nichts anderes. Koste es, was es wolle« , erklärt Yoongi selbstsicher.

Musikmachen steht bei Yoongi an erster Stelle. Er hat als Kind ein Piano geschenkt bekommen und seit er die erste Taste gedrückt hat, ist er praktisch Musiker. Ich kann mir nicht vorstellen, was er sonst machen würde.

Hoseok fühlt die Musik auf eine andere Weise. Er muss sich dazu bewegen, deswegen ist er auch ein begnadeter Tänzer geworden. Seine Liebe zur Musik äußert sich in Bewegungen, die beneidenswert sind. Er kann es einfach so gut.

Früher habe ich meinem Vater zugesehen, als er Piano gespielt hat. Heimlich habe ich Lieder in meinem Zimmer gesungen, die ich schön gefunden habe. Später habe ich neue Seiten an verschiedenen Musikgenres entdeckt, die mir zuvor verborgen geblieben sind. Für mich ist Musik Freude, Trauer, Glück, Wut, Freundschaft, Angst, Liebe und so vieles mehr. Ich glaube, dass ich verstehe, wie Hoseok und  Yoongi denken. Denn es geht mir ähnlich.

Als ich schließlich einige Zeit später alleine vor unserem großen Haus stehe, möchte ich am liebsten gar nicht hinein. Doch mir bleibt keine andere Wahl, denn noch ist dies mein Zuhause. Leise schließe ich die Tür auf, doch ich höre schon lautes Klackern von Absätzen und weiß bereits, dass ich gleich wieder schlechte Laune haben werde.

»Jennie, wo warst du? Du hast keine Nachricht über deinen Verbleib hinterlassen« , sagt diese Frau monoton und mit einem ausdruckslosen Gesicht zu mir. Jegliche Worte verlieren dadurch ihre Bedeutung, wie ich finde. Doch von nun an habe ich allen Grund zum Lächeln, wenn ich sie sehe. »Ich war unterwegs... Ach und... ich ziehe hier übrigens aus in den nächsten Tagen. Nur damit du bescheid weißt...« , sage ich fröhlich lächelnd, denn bald schon muss ich meine Mutter nicht mehr sehen.

Meine Mutter starrt mich an und ich sehe für einen kurzen Augenblick etwas, dass sie schon lange nicht mehr getragen hat. Emotionen. Schock? Entsetzen? Sorge? Trauer? Ihre Augen weiten sich und sie öffnet ihren Mund, während er für eine Millisekunde zuckt. Außerdem sacken ihre Schultern ab und sie sieht aus, als möchte sie etwas loswerden. Doch dieser Augenblick ist so schnell verschwunden, wie er gekommen ist. Ich blinzle und schon zeigt sie mir wieder ihre Gleichgültigkeit.

 Ich blinzle und schon zeigt sie mir wieder ihre Gleichgültigkeit

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»Interessant. Wohin, wenn ich fragen darf?« , höre ich ihre kalte und teilnahmslose Stimme fragen. Ich seufze innerlich auf. Welche Reaktion habe ich denn von dieser Frau erwartet? »Nach Seoul« , erwidere ich knapp. Erklären tue ich ihr nicht, was ich dort vorhabe. Sie wird es sowieso nicht verstehen. Unterstützung kann ich von ihr ebenfalls nicht erwarten.

Sie sagt nichts und starrt mich nun so an, als hätte ich sie gerade beschimpft. »Gut. Wann nimmst du deine Sachen mit?« , fragt sie mich gelangweilt, als würde sie etwas geschäftliches klären. »Ich mache das jetzt in den nächsten Tagen und bin dann spätestens am Wochenende weg« , antworte ich ihr, bemüht um einen gleichgültigen Tonfall. Ich erwarte nicht viel von meiner eigenen Mutter. Doch ich habe mir trotzdem mehr von ihr erhofft, wenn ich von meinen Umzugsplänen berichte.

Anscheinend habe ich zu viel verlangt, denn ihre Miene ist wie versteinert und jegliche Emotionen prallen daran ab. Zu allem Überfluss setzt sie dem ganzen noch die Krönung auf. Kommentarlos kehrt sie mir ihren Rücken zu und stolziert in Richtung Wohnzimmer davon. Für einige Augenblicke starre ich noch ins Nichts, doch dann drehe auch ich mich um und laufe hoch in mein Zimmer.

Man könnte meinen, dass ich eine schreckliche Kindheit gehabt habe. Nein, dem ist nicht so. Ich habe früher sehr viel gelacht und habe mich immer gut mit meinen Eltern verstanden. Seit dem Tod meines Vaters, da bin ich so zehn gewesen, hat meine Mutter ihr Bestes gegeben, mich glücklich zu machen. Ihre Reaktion auf den Verlust ihres Mannes war und ist die Arbeit. Sie hat sich ein Imperium aufgebaut und Geldsorgen haben wir nie gehabt. Doch durch die Arbeit hat sich meine Mutter charakterlich um einhundertachtzig Grad gedreht. Ich erkenne sie nicht mehr wieder.

Alles endet im Streit, in Verboten, es gibt so viele Missverständnisse und oft fehlt uns beiden die Kraft, sich überhaupt um ein gutes Verhältnis zu bemühen. Ich denke gerade darüber nach, wann ich meine Mutter das letzte Mal richtig lächeln gesehen habe, sie offen und ehrlich mit mir geredet oder mich in den Arm genommen hat. Ich erinnere mich nur nicht mehr daran. Unser Haus wirkt zwar groß, harmonisch, einladend und nahezu perfekt, aber die Familie darin ist alles andere als glücklich. Müde gähnend mache ich mich fürs Bett fertig und schlafe sofort ein, während ich unruhige Träume von früher habe.

Missing You. [Blackpink / Jennie]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt