11. Der Aufstieg

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Soundtrack: Howard Shore - Over Hill

Und Mikolai Stroinski - Commanding the Fury, sobald sie kämpfen.

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„Zweifellos das Gebiet einer Vettel."

Ana sah sich um und nickte. Nackter Stein formte hohe Spitzen und lag als gigantische Kiesel zwischen Schotterfeldern und den nächsten aufstrebenden Felsformationen. Sie wirkten, als hätte jemand den dunklen Schiefer beschworen, in den Himmel zu wachsen wie die Türme der Kathedralen des König Schellen. Ein kristallklarer Bach schnitt durch das Grau und verlor sich an der Kante der Wolkeninsel im Nichts. Doch über der schroffen Idylle hing die dunkle Magie einer Vettel wie die widerspenstigen Wolkenfetzen, die sich an den Gipfeln des Gebirges verfingen.

„Wie haben Sie diesen Ort gefunden?", fragte Neshira. Neben ihr stand Anghiske bis zu den Sprunggelenken in dem Bach, seine Ohren drehten sich unruhig.

„Ich bin den Spuren der Vetteln gefolgt. Auf der anderen Seite der Insel gibt es einen Ort. Er ist nun beinahe ausgestorben. Die wenigen, die noch dort leben, sind der Vettel hörig." Ana verzog das Gesicht, als verband sie keine guten Erinnerungen mit den Eiferern. „Dort bin ich gelandet."

Neshira sprach das Wort, mit dem sie Anghiske entließ, und der Wassergeist floss mit dem Bach davon. „Sind Sie der Vettel begegnet?"

„Oh ja. Sie wollte mich töten, und ich floh in die Berge. Die Magie des Tempels hat sie aufgehalten. Vielleicht habe ich es ihr sogar zu verdanken, dass ich ihn gefunden habe." Ana rückte ihren Schwertgurt zurecht.

Neshira blickte hinauf zu den wolkenverhangenen Bergspitzen. Wind peitschte den Nebel auf und verdeckte und enthüllte das Gestein abwechselnd wie Schleier. Schnee glitzerte auf den obersten Feldern. „Er ist nicht zu sehen von hier."

„Er ist gut versteckt. Der Weg hinauf ebenso." Ana folgte ihrem Blick, offenbar nicht erpicht auf den Aufstieg. „Schade, dass Ihr Wasserpferd nicht in der Nähe des Tempels erscheinen kann."

Neshira zuckte mit den Schultern. „Ein Dämon wird weder von dem Tempel noch von seinen Wächtern geduldet. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Selbst wenn er in den Diensten einer Priesterin des König Schellen steht, ist er noch immer verbunden mit der Banshee. Werden Sie den Weg finden?"

Ana schnaubte. „Immer hinauf. Wir haben uns erst verlaufen, wenn wir wieder bergab gehen."

Neshira wies auf die Berge. Abweisend ragten sie vor ihnen auf. „Nach Ihnen." In ihrem Rücken wollte sie die Fremde nicht haben, selbst wenn sie ihr laut des Wahrheitszaubers nichts Böses wollte.

Ana musterte die Felswände abschätzig, straffte die Schultern und suchte sich einen Weg zwischen den kutschengroßen Felsen.

Neshira folgte ihr und löste ihre menschliche Gestalt. Es schmerzte nicht. Eher war es, als würde sie ein unbequemes Kostüm ablegen. Rotes Fell ertränkte ihre weiße Haut und ihre schwarzen Haare, acht Schweife fächerten sich hinter ihr auf. Ihre Kleidung passte sich ihrem wahren Körper an. Kaum einen Wimpernschlag später war sie wieder sie selbst. Neshira ließ ihren Speer wirbeln. „Gehen wir."

Ana riss sich aus ihrer faszinierten Starre und trat voran, stets parallel zu dem Wasserlauf. Wächterstatuen, manche von der Größe kleiner Hunde, andere hoch und massiv wie Burgtürme, die Gesichter mit ihren vorspringenden Hauern und riesigen, vor Zorn aufgerissenen Augen groß wie die Segel der Luftschiffe, schienen sie zu beobachten. Runen aus schwarzer Farbe entweihten die heiligen Monumente und verwandelten die grimmigen Dämonen in Harlekine. Das Werk der Vettel. Als wüsste sie, dass ihr von ihnen keine Gefahr mehr droht, so weit, wie ihr Revier nun reicht.

Die Hexen der EleutheraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt