Kapitel 20

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*Flashback Anfang*

Eine einzelne Träne der Freude lief über Amissas blasses Gesicht. Sie war so stolz auf ihre Töchter. Beide waren unglaublich begabte Hexen, die den Unterricht bereits mit sieben Jahren begonnen hatten. Also waren sie zum Beispiel den Hogwartsschülern voraus. Dazu waren Luna und Joanne zwei wunderschöne Mädchen; sie hatten lange, schwarze Haare, blasse Haut und lange Wimpern. Luna hatte hellblaue, und Joanne hellgrüne, blasse Augen. Sie waren so wunderschön. Gerade sass sie neben ihrem Mann im Esszimmer. Joanne sass auf dem Boden und das andere Mädchen auf einem Stuhl. Sie hatte eine Gitarre in den Händen und sang ihnen 'the climb' vor. Dies war Lunas Lieblingslied. Das Mädchen konnte sehr schön singen, während ihre Schwester widerum sehr gut tanzen konnte. Es gab wohl keine stolzere Mutter. Plötzlich zerrissen mehrere Knälle die Schönheit des Liedes. Sofort kamen einige Angestellte die Treppen des Hauses runter. Erschrocken stand die Familie auf. Oliver, der Vater, nahm die ängstliche Mutter in den Arm. "Sie sind da... sie haben uns gefunden...", hauchte diese. Sie zückten ihre Zauberstäbe, auch die fünfzehn jährige Luna und die zwölf jährige Joanne. Schnellen Schrittes eilten sie zur Tür. Doch schon wurden einige Fenster des Hauses gesprengt. Die Mädchen schrien, als Todesser herein kamen. Sofort stürzten sich alle in ein wildes Gefecht. Aber es waren einfach zu viele Todesser. Bei der ersten Gelegenheit rannte Amissa zu ihrer älteren Tochter. "Nimm Joanne und rennt in den Wald. Rennt, solange ihr könnt und kommt nicht zurück. Denkt nicht an uns. Ihr seid wichtiger! Nun geht!", befahl sie unter Tränen. Luna drückte ihre Mutter ganz fest und schleuderte einige Todesser aus dem Weg, die ihr die Bahn zu ihrer Schwester versperrten. Sie rannte hin. "Komm!", rief sie. Dann schnappte sie ihre kleine Schwester an der Hand und rannte weg. Wenn nur sie alleine gewesen wäre, hätte sie natürlich ihre Familie unterstützt. Aber sie musste ihre Schwester retten. Als sie schon fast am angrenzenden Wald angekommen waren, hörten sie einen schmerzverzerrten Schrei ihres Vaters. Joanne begann zu weinen. Schnell hob Luna sie hoch und rannte in den Wald. Wegen ihres Werwolfblutes war se sehr schnell. Als sie am Ende ihrer Kräfte war, stoppte sie. Keuchend stellte sie ihre Schwester ab. Plötzlich schossen mehrere Zauber über ihre Köpfe hinweg. Im letzten Moment wurde Joanne von Luna auf den Boden gedeückt. Schnell rappelten sie sich wieder auf. Sie feuerten Zauber auf die sieben maskierten Todesser, die sie umzingelt hatten. "Joanne, renn! Renn weg und schau nicht zurück. Verschwende keinen Gedanken an Mum, Dad oder mich. Renn, bis du zusammenbrichst und noch weiter. Ich verschaffe dir einen Vorsprung. Geh! Ich liebe dich!", rief Luna verzweifelt. Sie würde ziemlich sicher beim Versuch, Joanne zu schützen, sterben. Aber ihre kleine Schwester war wichtiger. Bei der nächsten Gelegenheit rannte die Kleine. Sie war für ein normales Mädchen ziemlich schnell. Ihre grosse Schwester war so sehr in den Kampf verwickelt, dass sie erst sehr spät merkte, dass nur noch vier Todesser da waren. Ihr Herz schrumpfte zusammen. Luna wurde von der kalten Angst gepackt, als sie sich vorstellte, dass drei dieser fürchterlichen Menschen hinter Joanne her waren. Mit "Bombarda!" jagte sie die vier verbliebenen Todesser in die Luft und nahm die Fährte ihrer Schwester auf. Sie folgte dem Geruch. Drei übel miefende Todesser waren dem dreizehnjährigen Mädchen auf den Fersen. Sie sprintete so schnell sie nur konnte. Irgendwann bogen zwei der Todesser ab und einer blieb dem kleinen Mädchen auf den Fersen. Bestimmt wollten sie sie umzingeln. Bei dieser Erkennung rannte Luna noch schneller. Sie sprang über Stock und Stein. Über einen grossen Bach machte sie einfach eine geschickte Rolle. Irgendwann trafen sich die Gerüche wieder. Und auch etwas anderes mischte sich bei: Blut. Erschrocken blickte sich das Mädchen da um, wo die Geruchsspur aller vier endete. Einige Tropfen Blut waren auf dem kühlen Waldboden verteilt. Und da erblickte sie denn Beweis, dass Joanne ab jetzt keine Chance des Lebens hatte: ein Zauberstab. Er war aus Mahagoniholz. Das hintere Ende war gedreht und vorne waren einige Runen eingeritzt. Tränen überströmten das Gesicht des jungen Mädchens, als sie sich zum Zauberstab ihrer Schwester herunter kniete. Ein verzweifeltes Heulen drang aus ihrer Kehle. Dann ein immer leiserwerdendes Schluchzen. Es war alles ihre Schuld! Nur weil sie erschöpft war, hatten die Todesser sie gefunden. Nur weil sie keine gute Schwester war. Sie hätte besser auf Joanne aufpassen müssen. Das wäre ihre Aufgabe gewesen. Aber sie hatte versagt. Und diesen Fehler wird sie sich nie verzeihen können. Sie schämte sich so unglaublich. Was für eine Schande sie doch war! Am liebsten wäre sie einfach weggelaufen und nie wieder zurückgekehrt. Doch das war keine Option. Sie musste zu ihrem Fehler stehen. Sie musste zurückkehren. Mit gesenktem Blick stand sie auf. Sie nahm den Zauberstab ihrer Schwester und machte sich auf den Rückweg. In dem Moment fühlte sie sich einfach leer. Sie konnte nicht fassen, dass sie gerade das wichtigste in ihrem Leben verloren hatte. Als sie vor der Tür des grossen, einsamen Sanguis-Anwesens stand, stockte sie. Sie fürchtete sich vor dem, was sie drinnen vorfinden könnte. Langsam bewegte sie ihre zitternde Hand auf den Türknauf zu und öffnette den Eingang. Im Inneren des Hauses bot sich ihr ein schrecklicher Anblick: die Fenster waren zerschlagen, die Möbel kaputt und überall verteilt. Drei vereinzelte, tote Todesser lagen auf dem blutverschmierten Boden. Und hinten, vor dem Schrank unter der Treppe lag etwas, was sie in Tränen ausbrechen liess. Ihr Vater hatte die Augen halb geschlossen. Ganz reglos lag er da. Er sah sehr mitgenommen aus. Weinend brach Luna neben ihm zusammen. Es war die eine Sache, dass ihre Schwester verloren war. Doch dieser leblose Körper stiess sich wie ein eisiger Dorn in ihr Herz und brannte sich in ihr Gedächtnis ein. Dass Lunas Mutter, Amissa, noch lebte, war aussichtslos. Doch da sah sie das Schloss hinter dem Rücken ihres toten Vaters. Vorsichtig schob sie ihn, immernoch weinend, zur Seite. Sie konnte erkennen, dass das Schloss magisch verschlossen war. Kurz überlegte sie. Dann flüsterte sie: "Amissa!" Und das Schloss sprang auf. "Mum?", flüsterte Luna vorsichtig und kroch langsam in den Schrank. Die Frau hatte die Beine eng an ihren Körper gezogen. Ihre Haare hingen ihr über die Schultern. Dicke Tränen flossen über ihr einst hübsches Gesicht. Mit ihren nun matten, trauererfüllten Augen sah sie ihre ältere Tochter an. "Wo ist Joanne?", fragte sie mit brüchiger, leiser Stimme. Erneut brach Luna in Tränen aus. Dann begann sie schluchzend zu erzählen: "Mum, es tut mir so leid! Wir waren im Wald und plötzlich waren da diese Todesser. Ich habe Joanne gesagt, sie soll rennen. Aber..." sie stockte. "Aber sie haben sie gekriegt", fügte sie niedergeschlagen hinzu, "Das wollte ich nicht, ehrlich!" "Das weiss ich", hauchte Amissa. Doch von diesem Tag an war sie nie wieder dieselbe. Wenn sie ihre Tochter ansah, blitzten ihre Augen nicht mehr liebevoll auf. Sie sang nicht mehr, hatte kaum Zeit für Luna und sprach nur noch selten. Jeden Abend wurden die beiden von Schuldgefühlen in den Schlaf gequält. Sie würden sich Olivers und Joannes Verlust wohl nie verzeihen können...

*Flashback Ende*

Ruf der Nacht - Rumtreiber ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt