Kapitel 1: Nacht

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Es war eine sternenklare Nacht. In Pyjama und ohne Schuhe, ließ ich das alte Haus hinter mir.
Ein kühler Schauer durchfuhr mich, als ich auf den düsteren Wald vor mir schaute.
In dieser Nacht sollte der Wald mir die Augen öffnen, und das, obwohl ich kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte.

Langsam, die Arme fröstelnd vor der Brust verschränkt, spürte ich jeden einzelnen meiner Schritte. Spürte die Natur unter meinen Füßen, die Natur um mich herum. Ich weiß nicht, was es war, das mich immer weiter in den Wald zog, doch diese Kraft war so unglaublich stark.

Ich hatte keine Angst. Es war wunderschön. Der sanfte Wind war warm, so dass ich mich wohl fühlte, obwohl ich meine Füße vor Kälte kaum noch spürte. Ich ging weiter. Einen Schritt nach dem anderen. Und jeder einzelne dieser Schritte war so intensiv spürbar, wie nichts zuvor in meinem Leben. Ich liebte dieses Gefühl.

Plötzlich fing es an zu regnen, doch ich ging weiter. Die Nässe errang langsam aber sicher Überhand über meinen gesamten Körper und ließ mich noch mehr frösteln, und doch kam nichts davon an mich heran. Meine Haarspitzen tropften, genau wie der Regen, auf meine Zehenspitzen, die immer mehr Weg hinter sich ließen.

Als der erste Blitz den Wald um mich herum erhellte, dachte ich mir nichts dabei. Der kurz darauf folgende Donner ließ die Erde unter meinen nackten Füßen beben und jagte einen Schauer der Energie durch meinen Körper.

Weitere Blitze folgten, so wie ich diesem Instinkt folgte. So lange bis ich ihn sah. Das Licht des Blitzes ließ mich seine Silhouette erkennen, doch schon der nächste Blitz zeigte mir, dass er weg war. Ich kannte ihn nicht, und doch kam er mir so vertraut vor. Ich blieb stehen und wartete. Wartete auf den nächsten Blitz.

Als dieser folgte, stand er genau neben mir. Der Junge mit dem Rabenschwarzen Haaren und den leeren, grauen Augen. Ich sollte mich erschrecken, doch ich tat es nicht. Stattdessen wurde dieser Instinkt stärker. Jetzt wusste ich, wo es mich hinzog.

Zu ihm.

Ich kannte ihn nicht, doch die Elektrizität, die durch meine Adern floss, war genug.

Er ging einen Schritt auf mich zu und es wurde stärker.

Die Blitze schlugen im Sekundentakt ein und luden meinen gesamten Körper auf.

Er kam einen weiteren Schritt auf mich zu.

Dann wachte ich auf.

Sheru || Wenn sich Wirklichkeit mit Traum vermischtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt