13 - Spannend

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Charon drehte sich nicht gleich in Tates Richtung, als seine Stimme ertönte, sondern musterte mich noch eine halbe Ewigkeit. Erst als Tate neben ihm zum Stehen kam, drehte er seinen Kopf zu ihm. Mein bester Freund bekam ein Lächeln ab, dass endlich mal ohne eine Spur von Verschlagenheit ausgestattet war. "Hallo Tate. Heute mit Begleitung?"

Tate schien erst nicht richtig zu checken, was Charon meinte, bis sein Blick auf mich fiel.

Nun gut, wir hingen auch ständig miteinander ab, deswegen sprach uns auch schon gar niemand mehr darauf an. Es war selbstverständlich, dass ich irgendwo in Begleitung von Tate auftauchte oder Tate in Begleitung mit mir.

Es war eher komisch, wenn es mal nicht so war.

"Ähm achso, ja", setzte Tate nun endlich zu einer Antwort an. "Das ist meine beste Freundin Iva", verkündete er ihm über das ganze Gesicht strahlend. "Iva ist hier auch sehr oft, deswegen wird es dir auch bald gar nicht mehr auffallen."

Das bezweifle ich stark. Alleine, als ich schon das Zucken von Charons Mundwinkel bemerkte. Ohne groß darüber Macht zu haben, klebte mein Blick weiter an ihm und seinem Körper fest.

Ich glaubte zu wissen, dass ihm dieser Overall auch gar nicht passen würde, sollte er den richtig anziehen. Erst jetzt fiel mir der schöne gebräunte Teint seiner Haut auf.

Ein Stubenhocker war Charon also schonmal defintiv nicht.

Im Optischen war er vielleicht generell nicht so breit wie Tate, der schon echt ein Schrank ist, aber Charon musste auch eindeutig regelmäßig Sport betreiben.

Alleine seine Arme waren dafür Beweis genug.

"Und Iva, das ist Charon. Der neue Mitarbeiter", führte Tate die Vorstellungsrunde weiter fort.

Charons Grinsen vertiefte sich und das attraktive Grübchen trat an seiner Wange hervor. Er wirkte deutlich amüsiert, dass ich Tate offenbar nicht wirklich etwas über ihn erzählt hatte, obwohl ich doch seine beste Freundin bin.

Doch genau in diesem Moment schien sich Tate wieder an den Namen Charon zu erinnern. Welch unglücklich gewählter Moment. 

"Sag mal, Iva. Hattest du nicht auch letztens den Namen Charon erwähnt? Kennst du noch einen anderen Charon?"

Schön wäre es.

Ich setzte ein gezwungenes Lächeln auf, während ich mir sehr bewusst war, dass Charon gespannt darauf wartete, wie ich antworten würde. Aber da er vor Tate noch keine Anspielungen gemacht hatte, was den Clubabend am Mittwoch betraf, würde ich es ebenfalls nicht tun. Ich hätte es auch gar nicht vorgehabt. Schließlich war er auch derjenige gewesen, der sich einfach so aus dem Staub gemacht hatte - so war er an sich gesehen keiner weiteren Erwähnung wert.

"Mhm ja, das habe ich. Und ich muss zugeben, dieser andere Charon sah diesem Charon", ich nickte in die Richtung des Genannten, "... sehr ähnlich."

"Spannend", kommentierte Charon. "Du musst mich ihm unbedingt mal vorstellen."

Ich schenkte ihm einen aufgesetzten freundlichen Blick. "Wenn es sich ergibt, gerne."

Tate bemerkte diese... ähm Anspannung und den Unterton bei uns beiden zum Glück nicht, sondern ging wieder zum alten Thema über. "Schön. Ach und Charon, wo ist denn nun der Schlüssel für das zweite Tor?"

Charon griff in eine der vielen Taschen an seinem rechten Hosenbein und beförderte klimpernd ein Schlüsselbund zu Tage. "Hier, nimm meinen. Dein Vater hat den anderen Schlüssel mitgenommen."

Tate nahm die Schlüssel entgegen. "Danke. Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass wir besser noch einen dritten machen sollten. Für den Fall der Fälle."

"Ja vielleicht. Dann viel Spaß euch", wünschte Charon, warf noch einen kurzen Blick in meine Richtung, und lief dann wieder in den hinteren Bereich des Werkstatthofes.

Auch wir widmeten uns den Grund, warum wir eigentlich hergekommen sind. Ich könnte noch immer fluchen. So ein schöner Tag, dazu hatte ich auch noch frei, und wir schraubten an Tates Karre herum.

Was man nicht alles für Freunde tat.

"Und was hältst du von Charon?", fragte mich Tate plötzlich unvermittelt aus dem Nichts. Es war bestimmt schon eine Stunde her, dass wir ihn getroffen hatten und in der Zwischenzeit hatten wir diverse Scheinwerfer und anderen Kleinkram aus Tates Auto ausgebaut, um es mit neuen Teilen zu ersetzen.

Dabei lief Charon natürlich immer mal wieder vor unserer Nase umher. Wie sollte es auch anders sein. Der Hof war zwar groß. Aber alle, die bauten und reparierten, mussten auch zwingend in der Nähe von der Werkstatt beiben, um nicht mit den Werkzeugen und den Ersatzteilen einen halben Marathon zu laufen.

Charon wirkte dabei sehr beschäftigt und wie in seiner eigenen Welt gefangen. Trotzdem kreuzten sich unsere Blicke immer mal wieder, was mich noch mehr zum Schwitzen brachte.

Um so unangenehmer war nun, dass Tate über ihn reden wollte.

Ich tat also einen auf unbekümmert. "Okay", antwortete ich ausweichend und zuckte mit den Schultern. "Mehr kann ich noch nicht sagen."

Tate schleppte derweil die neuen Felgen an, die er bei seinen Reifen einbauen wollte. Als er sie ablegte, schaute er kurz in Charons Richtung.

Dieser öffnete gerade die Fronthaube eines schwarze Audis und stützte sich dann mit seinen Armen an den Seiten auf, um in das Innere des Wagens hineinzusehen.

Meine Augen vergötterten regelrecht die dabei hervortretenden Armmuskeln.

Schluss, Iva.

Schnell wandte ich mich wieder ab.

"Jedenfalls ist er meinem Dad in den letzten paar Tagen echt eine große Hilfe gewesen. Er scheint Ahnung von dem Gebiet zu haben. Und hast du mal gesehen, wie geil sein Auto aussieht? Das hat er sich doch locker selbst so zusammengestellt. Krass, dass er hier bei uns arbeitet und nicht irgendwo in einem Werk, wo sie neue Automodelle entwickeln."

"Ah", machte ich nur. "Na ist doch gut, wenn dein Vater mit ihm so zufrieden ist. Und nein, ich habe sein Auto noch nicht gesehen."

"Muss ich dir nachher mal zeigen."

Mhm ja. Vielleicht.

Dieses Herumwerkeln in dem Gestank und die schreckliche Hitze ließen irgendwann nach einer weiteren Stunde eine Sicherung bei mir durchbrennen.

Tate ließ mich stillschweigend, aber mit einem Grinsen auf den Lippen, davonziehen. Still protestierend setzte ich mich auf einem umgekippten Reifen, stützte mich mit den Händen hinter mir auf und streckte mich erschöpft, dabei genoss ich die angenehme Kühle meines Schattenplatzes.

Heute machte ich garantiert nichts mehr.

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