19 - Schnöselige Aussichten

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"So willst du gehen?"

Ich lenkte meinen Blick von dem zusammengefalteten Zettel in meiner rechten Hand weg und richtete ihn auf meinen Dad, der mich mit hochgezogenen Augenbrauen prüfend von Kopf bis Fuß musterte.

Meine Mundwinkel begannen unkontrolliert zu zucken.

Ich wusste selbst, dass ich mir nicht gerade die größte Mühe mit meinem Outfit gegeben hatte. Aber alle Sachen, die wahrscheinlich in Frage gekommen wären, waren dreckig und gammelten friedlich vor sich im Wäschekorb hin.

Denn weder mein Dad, noch ich, hatten große Lust zum Wäsche waschen gehabt. Oder zum Bügeln. Der Stapel wurde immer höher und noch immer hatte sich die Waschmaschine keinen Millimeter gedreht.

Unschuldig lächelnd strich ich mein ausgewaschenes dunkelblaues Shirt glatt und machte mir gar nicht erst die Mühe, die Risse und Löcher in meiner hellen Jeans zu verstecken. Auf einer Party würde das stylisch wirken, nur würden wir auf keine Party gehen.

Sondern zu einem Abendessen mit irgendeinem Kumpel aus Dads Jugendzeiten und ich müsste mich irgendwie mit diesem zwanzigjährigen Sohn beschäftigen. In Gedanken stellte ich mir automatisch einen typischen nerdischen Studenten vor. Wie einer von denen, die ich letztens in der Uni beim Physiklernen gesehen hatte.

Wozu sollte ich mich also aufstylen?

Wer wusste schon, ob das heute nicht der totale Reinfall wurde und wir diese Leute eh nie wieder sehen?

Immerhin war das immer noch besser, als mit Tate zum Club zu gehen. Er hoffte ja nach wie vor darauf, dass ich noch nachkommen würde, wenn wir da durch sind mit dem Essen.

Ich denke ja nicht - und das schien sich in dem Moment auch meine Frisur zu denken.

Eine Haarsträhne löste sich aus meinem Messy Dutt und als wäre die der Auslöser für alles, fiel prompt der komplette Dutt auseinander. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie meine Strähnen wild an meinem Kopf umhersprangen.

Huch.

"Ich glaube... das war mehr als nur eine Bestätigung, dass du noch nicht fertig bist", stellte mein Dad fest und verschränkte mit zusammengekniffenen Augen die Arme vor seinem Oberkörper. "Dein Kleiderschrank ist riesig, also sag mir nicht, dass du nichts Passendes zum Anziehen findest. Soll Ian denken, dass wir Motten haben?" Vorwurfsvoll deutete er mit dem Kinn auf meine Jeans. "Oder dass du nur dieses eine Shirt besitzt, weil die Farbe vom Waschen schon so extrem ausgeblichen ist? Und was ist mit deinen Haaren? Du siehst aus, als wärst du einmal durch ein Maisfeld gerannt."

Seufzend fuhr ich mit der Hand durch meine Mähne und zuckte mit den Schultern. "Dad, mal ehrlich. Für wen soll ich mich bitte hier so extrem aufbretzeln?"

"Du weißt schon, dass sein Sohn auch da ist?"

"Und?"

Ungläubig rutschten seine Augenbrauen in die Höhe. "Wie wäre es mit einem guten Eindruck? So wie ich es gestern beim Telefonieren erfahren habe, ist der ziemlich gut in der Uni und einer der besten in seinem Studiengang. Vielleicht kann der dir ja endlich mal in den Hintern treten, was deine berufliche Zukunft angeht."

Urgh, Hilfe. So ein Vorzeige-Sohn also.

Beinahe wäre mir etwas darauf herausgerutscht, doch ich biss mir in letzter Sekunde auf die Zunge.

Leider brauchte ich ja tatsächtlich einen Tritt in den Hintern. Tate konnte mich zwar noch zehnmal in die Unibibliothek schleppen, doch wie ich vorgestern gesehen hatte, machte ich dann trotzdem nichts. Und abends schlief ich vor meinem Laptop ein, wenn ich nach Studiengängen suchte.

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