Kapitel 16 :
„Du Hexe, was redest du“, antwortete ich.
Ich versuchte zu lachen, aber es gelang mir nicht, denn allen Anschein nach meinte sie es ernst.
„Die haben Papa gefragt und meinte er soll mit Onkel Nexhat reden, wenn ihr hier seid“
„Lüg nicht!“, warnte ich sie.
Unglaublich, dass nach dieser Nachricht meine Laune plötzlich einen Tiefpunkt erreicht hatte. Und das, obwohl ich mich bisher so wohlfühlte und auf die Zeit hier freute. Ich war mir sicher, dass diese Tatsache jetzt ununterbrochen in meinem Kopf schweben würde.
„Vallah tu ich nicht! Wieso regst du dich so auf?“, fragte Edona mich ein wenig verwirrt.
'Es ist besser, wenn du heiratest. Es ist besser, wenn du heiratest', spukte es unerwartet in meinen Gedanken.
Immer und immer wieder, als ob ein böser Geist die ganze Zeit auf Replay drückte. Ich schlug mit meinem Fuß gegen einen Lattenzaun und schüttelte heftig meinen Kopf, in der Hoffnung, die Stimme würde verschwinden. Edona rüttelte an meinen Arm und sah mich besorgt an.
„Alles okay? Wieso reagierst du so aggressiv?“
„Weil .. weil ..“, stotterte ich.
Ich schaffte es nicht ihr zu erklären, was in mir vor ging. Dazu war ich gerade nicht imstande. Zu allem Überfluss kamen die Typen auf uns zu. Mein Gott, musste das wirklich sein?!
„Cka po bani qika? (Was macht ihr Mädels?)“, sprach uns einer von ihnen an.
„Sen hiq Flamur. Ju? (Nicht viel Flamur. Ihr?)“, antwortete Edona so lässig, wie es hier nun mal üblich war.
Okay, wenn das Flamur war, dann ist der andere Petrit. An ihn erinnern konnte ich mich nicht wirklich, obwohl er ja unser Nachbar war. Ich musterte ihn eindringlich und als wir uns in die Augen sahen, wandte er zu meiner Überraschung seinen Blick ab. Während Flamur und Edona ein paar Worte wechselten, stand ich da und versuchte Blickkontakt mit Petrit herzustellen, was mir aber absolut nicht gelang. Er schaute starr in die Landschaft, wo viele Kühe grasten. Entweder war er total schüchtern, oder ich gefiel ihm nicht.
'Bitte Bitte, lass letztere der Fall sein!', sprach ich in Gedanken zu mir selbst.
„Tung niher. (Ciao erst mal.)“
Edonas laute und melodische Stimme, brachte mich wieder ins hier und jetzt. Wir liefen zurück und ließen die Jungs hinter uns stehen.
„Hast gesehen? Wie er sich geschämt hat?“, meinte Edona zu mir.
„Nein“, sagte ich nur.
„Wie nein?“
„Er hat sich nicht geschämt, ich gefalle ihm nur nicht.“
Das hoffte ich insgeheim zumindest.
„Spinnst du? Schon mal in einen Spiegel gesehen, oder hast du keinen zu Hause? Der Bauer träumt doch von sowas wie dir“, gab sie ernst zurück und zeigte mir dabei einen Vogel.
„Übertreib nicht“, flüsterte ich tonlos.
Sie streckte mir die Zunge raus und zog Grimassen. Obwohl ich nicht in Stimmung war, musste ich einfach drauf loslachen. Ihre Humorvolle und Vertrauenswürdige Art liebte ich so. Das erinnerte mich stark an Dilara und Lule. Wir hatten, Gott sei dank, Wlan und ich schrieb mit den beiden. Mit Leo natürlich auch. Wie ich die drei jetzt schon vermisste ..
Die darauffolgenden Tagen vergingen ziemlich schnell und ohne irgendwelche besondere Vorkommnisse. Außer dass mein Hass Onkel jetzt auch hier war und versuchte, mich mit seinen Blicken und dummen Kommentaren zu erdrücken. Das prallte jedoch alles eiskalt an mir ab, da ich mich voll und ganz auf die Hochzeit von Egzon konzentrierte und die Zeit mit Edona genoss. Peja war eine schöne und große Stadt, die wir mit dem Auto in nicht mal 5 Minuten erreichten. Täglich fuhren wir hin, spazierten, shoppten und aßen Eis.
„Wir werden es krachen lassen!“, meinte Edona am Donnerstag Abend.
Es war kurz vor 20 Uhr, wir hatten eben zu Abend gegessen und warteten jetzt auf Egzon, der mit ein paar Cousins unterwegs war. Wir wollten heute zu einem Konzert von Dafina, einer bekannten Albanischen Sängerin. Ich schminkte mich leicht, zog mir schnell eine Jeans und ein Top mit Nieten an und stieg dann in meine Vans. Zusammen mit Edona saßen wir dann im Garten und warteten, dass Egzon uns abholt.
„Wohin wollt ihr?“, rief mein Papa plötzlich vom Balkon.
„Egzon kommt gleich, wir gehen ..“
„Ihr geht nirgendwohin! Wir kriegen Besuch, also rein mit euch“, schnitt er mir das Wort ab.
Besuch hier, Besuch da! Ich hatte die Schnauze gestrichen voll! Nicht mal meinen Urlaub konnte ich genießen, wegen den Besuchern!
„Na und? Die können auch ohne uns bleiben?!“, protestierte ich.
„Nein können sie nicht!“, brüllte er.
„Zwing mich nicht zu schreien und komm rein!“, fügte er hinzu und ging dann wieder ins Haus.
„Wie der abgeht man“, gab ich genervt von mir.
Ich verstand einfach nicht, wieso er darauf bestand, dass wir hier blieben. Edona zuckte nur mit den Schultern. Wir waren beide sauer, dass wir nicht zum Konzert konnten, aber mein Papa hatte gesprochen. Enttäuscht gingen wir also wieder rein und setzten uns ins Wohnzimmer...
Keine 10 Minuten später, kam auch schon ein Mann und eine Frau ins Zimmer, dicht gefolgt von .. von .. verdammte scheisse! Petrit! Was soll der scheiss?! In der nächsten Sekunde jedoch ging mir ein Licht auf und auch Edonas Blick verriet mir, dass ich recht hatte. Petrits Eltern wollten wieder Anfragen .. wegen mir! Nein! Ich werde das nicht zulassen! Als mir Petrit die Hand reichte, versuchte ich ihm einen bösen Blick zuzuwerfen. Doch als ich in seine traurigen Augen sah, wurde mir plötzlich weh ums Herz. Er sah wirklich unglücklich aus! Was wenn er selber gar nicht will? Oder wie ich, jemand anderen liebt? Nachdem sich alle gesetzt hatten, ging ich mit Edona in die Küche und machte Kaffee.
„Zum Teufel!“, fluchte ich leise.
„Beruhige dich Adelin, so schlecht sieht er gar nicht aus“, grinste Edona.
Ich warf ihr einen wütenden Blick zu.
„Mir geht es nicht um's Aussehen Schwester. Ich will nicht heiraten!“
„Willst du nicht heiraten, oder willst du IHN nicht heiraten?“
Sie sah mich prüfend an, ich konzentrierte mich jedoch wieder auf die Kaffees und ignorierte ihre Frage.
„Ist er Albaner?“, fragte sie wie aus heiterem Himmel.
„Was redest du?“, fragte ich irritiert.
Ich legte die fertigen Kaffee auf ein Tablett und sah Edona dann Stirnrunzelnd an.
„Leo, ist er Albaner?“, fragte sie erneut.
Betroffen riss ich meine Augen auf. Ich hatte bislang noch nicht die Möglichkeit gefunden ihr von Leo zu erzählen.
„Woher.. woher ..“, stotterte ich geschockt.
„Dein Handy“, antwortete sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Du hast mein Handy kontrolliert?!“, fragte ich empört.
„Jo bre lop! (Nein, du Kuh.) Es lag auf den Nachttisch und die Viber Nachricht erschien auf dem Display!“, gab sie beleidigt zurück.
Verdammt! Was, wenn es jemand anderes gesehen hätte? Edona wirkte gekränkt ..
„Tut mir leid, ich wollte dir davon erzählen aber ..“
Meine Mama erschien auf einmal in der Küche und fragte ob die Kaffees fertig sind. Ich nickte und nahm das Tablett.
„Nachher. Vallah ich werde dir alles erzählen!“, flüsterte ich Edona zu und ging dann ins Wohnzimmer.
„Ich will nicht! Du hast Versprochen, dass ich erst nach dem Studium heiraten muss!“
Mein Papa spielte ernsthaft mit dem Gedanken, mich zu Verloben!
„Schrei nicht Mädchen“, mischte sich mein Hass Onkel an.
„Es ist eine gute Familie, der Junge sieht gut aus und ist anständig. Was willst du mehr?“, fragte er hochnäsig.
'Wie wäre es mit Liebe?', wollte ich ihn schon an den Kopf werfen, lies es dann jedoch bleiben.
„Muss ich ihn heiraten oder du?“, zickte ich ihn stattdessen an.
Das war wohl auch keine gute Antwort, denn mein Papa kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Sein Gesicht war wutentzerrt und man spürte förmlich seinen Zorn auf mich.
„Fass sie nicht an, Enver!“
Er hielt inne und sein Blick ging überrascht zu meiner Oma. Genauso wie nun alle anderen Augenpaare im Zimmer auf sie gerichtet waren.
„Mutter ..“
„Lass es heute, es ist schon spät. Geht schlafen“, fiel sie ihm ins Wort.
Mein Oma, die schon 78 Jahre alt war, zwinkerte mir zu. Oh wie ich sie liebte! Bei uns widerspricht niemand seiner Mutter, selbst mein Vater nicht. Er nickte ruhig und nach und nach, ging jeder auf seine Zimmer. Das Thema war zwar noch nicht geschlossen, aber ich war mir sicher, dass ich das schon irgendwie hinkriegen würde.
„Geh du schon mal hoch, ich komm gleich nach“, sagte ich zu Edona im Flur.
Es war so verdammt schwül, also ging ich kurz nach draußen um frische Luft zu schnappen. Total in Gedanken lief ich im Garten herum. Ich wollte gerade Leo anrufen, als mir ein kleiner Welpe am Straßenrand auffiel. Sofort lief ich hin, zögerte aber als ich sah, dass jemand im Gebüsch telefonierte.
„Vlora mach dir keine Sorgen“, hörte ich eine Stimme flüstern.
Das … das war doch Petrit?! Als sich die Person umdrehte, bestätigte sich mein Verdacht.
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Schicksalsschläge
General FictionAdelina ist ein ganz normales Mädchen, das ihr Abi erfolgreich abgeschlossen hat und nun den Traum hat zu studieren. Als sie dann noch die Liebe ihres Lebens kennenlernt, scheint ihr Glück perfekt. Doch es kommt anders als erwartet ..