Kapitel 55 :
Ganz langsam ließ ich mich an den Rand des Bettes nieder. Heute fühlte ich mich irgendwie sehr niedergeschlagen. Einen genauen Grund gab es nicht, sowas passierte ab und zu mal. Meine Gedanken machten einen Sprung in die Vergangenheit. So lange war es schon her, als ich auf den Weg nach Hause gegen ihn geprallt war und zu Boden fiel. Als er mir seine Hand hin hielt, mich anlächelte und mir mit seinem Blick den Verstand geraubt hatte. Mir kullerte lautlos eine Träne über die Wange, die ich schnell weg wischte. Ich hab schon lange nicht mehr geweint .. mit der Zeit schwindet der Schmerz. Der äußerliche, versteht sich. Der Seelenschmerz wird nie weg gehen. Dazu war diese Liebe, die ich empfand zu stark. Meine ganze Welt hatte ich in seinen meeresblauen Augen gesehen, genau dieselben, die mich gerade verschlafen anlächelten. Ich strich meiner Prinzessin die Haare aus dem Gesicht und legte meine Hand auf ihre Wange.
„Zeit zum aufstehen.", sagte ich sanft.
„Nur noch ein bisschen Mami."
Ein Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus. Wie oft ich genau die selbe Szene mit Mama gehabt hatte .. Ich zog sachte die Decke weg und drückte ihr einen Kuss auf den Kopf.
„Mera, mein Liebling, ich hab Waffeln gemacht. Riechst du nichts?"
Sie hob ihren Kopf und nach ein paar Sekunden schien sie den Geruch aus der Küche wahrzunehmen, denn sie fing an zu grinsen... dieses Grinsen, dass mich glücklich machte, aber mir gleichzeitig auch jedes mal einen Stich ins Herz versetzte. Sie hatte die selben Augen und das selbe Lächeln. Ich brauchte keinen Beweis. Keinen Vaterschaftstest. Kein Stück Papier auf dem stand, dass Leo der Vater meines Kindes ist. Mein Gefühl reichte mir aus. Mein Gefühl, das mir sagte, dass dieses wunderschöne kleine Wesen ein Produkt der Liebe war. Mera setzte sich auf und rieb sich gähnend die Augen. Sie war ein schönes Kind und für ihre fast 4 Jahre auch sehr schlau.
„Mam, wo ist Papa?", fragte sie mich und riss mich somit aus meinen Tagträumen.
„Arbeiten.", antwortete ich.
'Oder bei einer seiner Huren.', dachte ich, sprach den Gedanken jedoch nicht aus...
Nach Mamas Tod, den Schock von Leos Weggang und meiner Schwangerschaft, dachte ich wirklich, dass er sich ändern könnte. Er war am Anfang sehr aufmerksam, sorgte sich um mich. Half mir, wo es nur ging und erfüllte mir viele Wünsche. Ein paar Monate nach Meras Geburt änderte er sich jedoch wieder, nun gut was heisst ändern. Er zeigte sein wahres Gesicht. Verlor das Interesse an mir, schlief nur noch selten mit mir, was mir übrigens sehr gelegen kam .. ich hasste seine Hände auf meinem Körper. Ich ekelte mich vor ihm, vor allem weil ich auch wusste, dass er öfter mal was mit anderen Frauen am Laufen hatte. Beweise gab es keine .. aber sowas merkt man als Frau einfach. Nennt mich dumm ja, aber wisst ihr wie oft an Scheidung gedacht habe? Mir fehlte der Mut dazu, nachdem Armend einmal gedroht, mir Mera wegzunehmen. Er vergötterte sie .. was dazu führte, dass ich auch ein schlechtes Gewissen bekam. Vor den anderen spielten wir das perfekte Ehepaar. Vor allem vor Mera .. aber so langsam hatte ich die Schnauze voll davon, so konnte es nicht weiter gehen.
Als wir wenig später zusammen in der Küche saßen und Mera genüsslich ihre Waffeln aufaß, klingelte es an der Tür. Als ich diese öffnete stand Armend vor mir.
„Sorry, ist ein bisschen spät geworden.", meinte er.
Er trat in den Flur und zog seine Schuhe aus. Neben seiner Arbeit bei der Bank, lieferte er Abends gelegentlich auch Pizza aus. Er meinte es sei nötig, damit er auch etwas zur Seite legen kann um in ein paar Jahren ein Haus zu kaufen. Mir stieg sofort ein Frauenparfüm in die Nase, als er mir einen Kuss auf den Mund drückte. Angewidert verzog ich das Gesicht und schob ihn zurück.
„Du bist widerlich.", sagte ich leise.
Er sah mich fragend an und tat auf unwissend. Wie dumm dieser Mann war, unglaublich. Kopfschüttelnd ging ich ins Wohnzimmer. Armend folgte mir.
„Was ist jetzt schon wieder los?", fragte er genervt.
„Schalt mal dein Gehirn ein, manchmal denkt man du hast gar keines.", zickte ich ihn an.
Er kam auf mich zu und packte mich am Arm.
„Deine Sprüche gehen mir langsam auf die Nerven.", gab er zähneknirschend von sich.
Ich riss mich los und sah ihn ausdruckslos an.
„Ich will arbeiten.", änderte ich das Thema.
Er ließ sich auf die Couch nieder und seufzte einmal.
„Schon wieder das."
„Was soll das heissen verdammt? Ich will arbeiten! Mein eigenes Geld verdienen!", brüllte ich.
„Du sollst dich um Mera kümmern.", gab er nur zurück.
„Mera ist den ganzen Vormittag im Kindergarten. Ich ersticke irgendwann noch in dieser Wohnung. Was ist daran so schlimm? Sag mal in welchem Jahrhundert lebst du eigentlich?" , schrie ich weiter.
„Mam .."
Meras leise Stimme ließ mich innehalten. Sie stand hilflos am Türrahmen und sah abwechselnd von mir zu Armend. Dieser warf mir einen wütenden Blick zu.
„Zemer hajde te babi .. (Herzchen, komm zu Papa ..)", sagte Armend.
Sofort rannte Mera in seine Arme und schlang ihre zierliche Hände um seinen Hals. Aufgebracht massierte ich mir die Schläfen und nahm tief Luft. In letzter Zeit rastete ich immer häufiger aus.
„Geh in dein Zimmer und nimm deine Tasche, ich fahr dich ins Kindergarten."
Sie nickte lächelnd. Armend stellte sie wieder auf den Boden und küsste sie auf die Wange. Als sie das Zimmer verließ, hob er drohend seinen Zeigefinger.
„Das Thema ist beendet. Es wird sowieso Zeit für ein zweites Kind.", flüsterte er.
Ein paar Augenblicke später war ich allein und lachte laut auf. Zeit für ein zweites Kind? Niemals! Es wurde Zeit für die Scheidung, ich hatte ohnehin zu lange gewartet. Diese 4 Jahre hatte ich dank Mera ausgehalten, aber was war das bitte für ein Leben? Ich war wie eingebunkert. Ja es war Zeit für die Scheidung. Ich würde noch die Geburtstagsfeier von Armend Morgen abwarten. Eine Feier, dich ich bis heute nicht vergessen werde. Ich hätte nicht ahnen können, dass diese Feier alte Wunden aufreißen und der Anfang, einer kurzen, aber schmerzhaften Zeit werden würde.
Ich saß vor der Kommode und schminkte mich ein wenig. In etwa einer halben Stunde würde das Wohnzimmer voll sein. Armends Familie, Egzon und Aida, Dilara und Metin und noch ein paar anderen Freunde waren eingeladen. Zu Papa hatte ich keinen Kontakt mehr. Ich wollte es nicht, ich verspürte nicht den Drang ihn zu sehen. Vermissen tat ich ihn sowieso nicht. Seine neue hatte ihn verlassen, nachdem er sie mehrfach geschlagen hat. Die Arme ist mittlerweile wieder im Kosovo. Die Leute redeten, insbesondere Armends Eltern, aber das war mir egal. Keiner von ihnen wusste, was mir dieser Mann alles angetan hatte. Dardan machte gerade seine Ausbildung als Elektroniker. Er kam mich oft besuchen, unser Verhältnis hatte sich nach Mamas Tod stark verbessert. Von den Drogen hatte er, nach hartem Kampf, auch die Finger gelassen.
„Ich will auch Mam."
Mera stand auf einmal neben mir, rüttelte an meinen Arm und hielt mir ihren Mund hin. Ich hatte gerade einen Lippenstift in der Hand und musste lachen. Wie süß sie war!
„Amo veq pak. (Aber nur ein bisschen.)", lächelte ich sie liebevoll an.
Schnell nickte sie und schürzte die Lippen. In solchen Momente war ich wirklich glücklich. Sie war der Sinn meines Lebens, der Grund wieso ich jeden Morgen aufwachte. Nachdem ich ihr einen kleinen Tupfer auf die Lippen gedrückt hatte, kniete ich mich vor ihr und richtete ihr Kleid.
„Bukuroshja Mames. (Mamas Schönheit.)", lächelte ich.
Sie grinste so breit, dass ihre kleinen Zähnchen zum Vorschein kamen. Sie umarmte mich und drückte mir dann einen Kuss auf den Mund. Unwillkürlich traten mir Tränen in die Augen und ein Kloß bildete sich in meinem Hals.
„Nicht weinen Mam.", sagte sie traurig und wischte mir dabei die Tränen weg.
Ich hasste mich dafür, dass ich es ernsthaft in Betracht gezogen habe, mein Kind zu töten. Allein der Gedanken daran, ließ den Schmerz durch meinen ganzen Körper wandern. Keine Ahnung, wie ich diese Zeit ohne sie durchgestanden hätte. Ich küsste ihre kleinen Hände und gleich darauf klingelte es. Sofort rannte Mera aus dem Zimmer. Mehrmals nahm ich tief Luft und versuchte meinen hämmernden Herzschlag zu kontrollieren. Meine Gedanken wanderte automatisch zu Leo, der sich seit 4 Jahren nicht einmal gemeldet hatte. Kein Anruf. Keine Nachricht. Gar nichts. Die Enttäuschung saß tief .. aber ich hatte es mittlerweile akzeptiert, so war nun mal das Leben. Die Scheidung mit Jehona war schon lange durch, ich hatte ausserdem gehört, dass sie wieder verheiratet war. Diesmal glücklich. Etwas, von dem ich träumen konnte. Ich öffnete eine Schublade und nahm ein Kästchen raus. Ohne zu zögern, legte ich Leos Armband an. Neben Mera, war dies das einzige, was mir von ihm geblieben war ...
Gute zwei Stunden später saßen wir alle zusammen im Wohnzimmer und amüsierten uns. Die anderen zumindest. Ich jedoch konnte es kaum erwarten, dass dies endlich ein Ende hatte. Gleich Morgen früh, würde ich mit Armend reden. Diesmal würde mich nichts und niemand an meiner Entscheidung hindern. Es war Zeit, dem ganzen nun endgültig ein Ende zu setzten.
„Kesh pak Nuse. (Lach ein bisschen Braut.)", sagte Violeta auf einmal.
Diese Göre hatte sich kein Stück geändert. Ich setzte ein gespieltes Lächeln auf, nahm mein Glas Orangensaft in die Hand und nippte daran. Ich war so froh, Armend und alle anderen bald loszuwerden. Mera lag bereits im Bett, als es plötzlich an der Tür klingelte.
„Ich geh schon.", sagte ich hastig und ging mitsamt dem Glas zur Tür.
Ich dachte es sei Luan, da er meinte er würde etwas später kommen. Aber nein, als ich die Tür öffnete, glitt mir geschockt das Glas aus der Hand und fiel krachend zu Boden...
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Schicksalsschläge
Algemene fictieAdelina ist ein ganz normales Mädchen, das ihr Abi erfolgreich abgeschlossen hat und nun den Traum hat zu studieren. Als sie dann noch die Liebe ihres Lebens kennenlernt, scheint ihr Glück perfekt. Doch es kommt anders als erwartet ..