Kapitel 57

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Kapitel 57 : 


„Keine andere Wahl? Du hast mich allein gelassen Leonard! Genau in der Zeit, an der ich dich am meisten gebraucht habe, bist du gegangen!“ 
Ich schnappte keuchend nach Luft und legte eine Hand an meinen Hals. In mir drinnen herrschte das reinste Chaos! Meine Gefühle fuhren Achterbahn.
„Wer gibt dir das Recht wieder in mein Leben zu treten? Wieso stellst du nach 4 Jahren mein Leben auf den Kopf? Sag es mir! Wer gibt dir das Recht dazu verdammt.“, flüsterte ich verzweifelt. 
„Mein Herz. Mein Herz gibt mir das Recht dazu!“, antwortete er ruhig. 
Als er plötzlich nach meinen Handgelenken griff, drohte ich völlig den Verstand zu verlieren. Er sah mir fest in die Augen, während mein Herz immer schneller raste. 
„Meinst du es war leicht für mich? Denkst du wirklich, nur du hast gelitten?! Ich hab gewartet Adelina! Bis im Morgengrauen saß ich auf der Bank und habe gewartet. Im strömenden Regen!“
Er hielt inne und nahm mehrmals tief Luft. Eine Träne kullerte ihm die Wange herab und versetzte mir einen Schmerzhaften Stich. Der Druck um meine Handgelenke wurde leichter, aber er ließ mich nicht los. 
„Weisst du wie es ist, wenn dir Tag für Tag ein Messer ins Herz gestochen, langsam umgedreht und nicht mehr rausgezogen wird? Weisst du wie es ist, wenn du Tag für Tag lebendig begraben wirst und du die Sehnsucht und die Leere ertragen musst?“
„Hör auf bitte ..“, fiel ich ihm flehend ins Wort. 
Aber er hörte nicht auf, er sprach weiter, immer weiter. 
„Genau so wird mir Tag für Tag ein Messer ins Herz gestochen und genau so, werde ich Tag für Tag lebendig begraben, nur weil der Mensch nicht da ist, den ich liebe! Nur weil du nicht da bist!“ 
Ich kämpfte gegen die Tränen und versuchte kalt zu bleiben, aber innerlich brachte mich jedes einzelne Wort um. Bewegungsunfähig stand ich da und verlor mich in seinen Augen. 
„Als ich da saß, mit durchnässten Klamotten... weisst du was ich gedacht habe Adelina? Ich hab gedacht .. nein .. sie lässt mich nicht wieder allein. Das macht sie nicht. Sie wird kommen. Dann klingelt mein Handy .. im ersten Moment dachte ich, du bist es. Aber nein. Armend...“ 
Er ließ mich los und machte einen Schritt zurück. Aufgebracht fuhr er sich durch die Haare. Ich spürte wie viel Kraft ihn die Worte kosteten und senkte meinen Blick. Es tat so weh .. 
„Er verkündet mir fröhlich und stolz, dass er Vater wird. Dass er ein Kind kriegt. Mit der Frau, die ich liebe! Ich weiss nicht … ich weiss echt nicht wie ich es die Tage ausgehalten hab. Aber eins wusste ich damals ganz genau .. wenn ich nicht gegangen wäre, dann wäre ein Weltkrieg ausgebrochen ...“ 
Ich schwankte zur Seite und hielt mich an der Wand fest. 
„Sei still! Bitte!“, bettelte ich mit zusammengekniffenen Augen. 
Fassungslos hielt ich mir die Ohren zu. Ich wollte das nicht hören! Es tat so weh! Ich konnte diesen Moment nicht realisieren und hoffte aus diesem Albtraum zu erwachen. Doch es war die pure Realität! Leo griff erneut nach meinen Handgelenk und zwang mich ihn anzusehen. 
„Du bist diejenige, die seit 4 Jahren einen anderen glücklich macht.“, sagte er unter Tränen. 
Jedes einzelne Wort, das aus seinem Mund kam, fühlte sich wie eine Ohrfeige an. Meine Wangen glühten, genauso, wie mein Inneres und nur mit Mühe schaffte ich es zu atmen. 
„Du bist diejenige, die ihm ein Kind geschenkt hat.“, fuhr er leise fort. 
Meine Knie drohten einzusacken! Das war zu viel für mich! 
„Aber sag mir eins zemer .. bist du glücklich? Ist dein Leben vollkommen? Liebst du Armend?“ 
Nein! Nein! Nein! Was waren das für Fragen verdammt!
„Bitte geh! Mera steht jeden Moment auf!“, flüsterte ich. 
Sein Blick fiel auf mein Armband und blieb dort mehrere Sekunden lang haften .. sein Geschenk .. 
„Wenn du mir sagst, dass du mich nicht mehr liebst, dann geh ich. Endgültig!“
Ich hörte wie Mera im Kinderzimmer nach mir rief. Schwer atmend senkte ich meinen Blick und schloss meine Augen. Er muss raus von hier! 
„Ich liebe dich nicht mehr.“, kam es leise aus meinem Mund. 
Eine Lüge. Natürlich war es eine Lüge! In diesen 4 Jahren hab ich keine Sekunde aufgehört ihn zu lieben! Er hob mein Kinn an und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Gänsehaut breitete sich in meinem Körper aus. 
„Jetzt schau mir in die Augen und sag das nochmal ..“, lächelte er leicht. 
Dieser Blick .. dieses Lächeln .. nein ich konnte das nicht! 
„Mam!“, ließ mich Meras piepsende Stimme aufschrecken. 
Panisch sah ich mich um. Dann legte ich meine Hände auf Leos Brust und schob ihn zur Tür. 
„Bitte geh .. Bitte!“, wisperte ich verzweifelt. 
„Okay ich gehe, aber ich werde wieder kommen. Diesmal werde ich kämpfen.“, erwiderte er. 
Unerwartet legte er eine Hand an meinen Nacken und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Kurz aber intensiv. Mein Inneres schien zu explodieren! Bislang hatte ich nicht geweint, mein Schockzustand hatte das wohl verhindert. Aber jetzt .. ich schloss die Tür und ließ mich erschöpft dagegen sinken. Da saß ich .. zusammengekrümmt auf dem Boden. Ein lauter Schluchzer entrang sich meiner Kehle und ich begann fürchterlich zu weinen. Einige Augenblicke später stand Mera im Flur. Sie wirkte verwirrt und fing auch an zu weinen. Mit ihren kleinen Händchen rieb sie sich die Augen. Instinktiv streckte ich ihr meine Hände hin, nach denen sie sofort griff. 
„Nicht weinen shpirti mames (Mamas Liebling).“, sprach ich leise auf sie ein. 
Sie vergrub ihr Gesicht in meiner Brust und behutsam strich ich ihr über den Rücken. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich beruhigt hatte. Was meinte er mit kämpfen? Hatte er etwa vor, den anderen von unserer .. Beziehung zu erzählen? Nein. Nein, so leichtsinnig war er bestimmt nicht. Das hoffte ich zumindest, denn die Folgen wären fatal... 

Nachdem ich Mera ins Kindergarten gebracht hatte, fuhr ich zu Dilara. Ich musste jetzt mit jemanden reden, ansonsten würde ich wahnsinnig werden! Als sie mir die Tür öffnete, fiel ich ihr sofort um den Hals. Ihr Bauch war rund, sie erwartete ihr zweites Kind. 
„Ich wollte dich gerade anrufen! Du bist gestern eingeschlafen und Armend wollte dich nicht mehr wecken. Adelina! Was zum Teufel macht Leo hier?“, fragte sie mich fassungslos. 
„Er will mich wieder haben .. er will kämpfen .. nach 4 Jahren! Dilara ich dreh durch!“
Ich ließ mich auf ihrer Couch sinken und vergrub das Gesicht in meine Hände. 
„Der ist verrückt ..“, flüsterte Dilara und hielt sich die Hand vor dem Mund. 
„Das ist noch untertrieben! Ich wollte heute mit Armend reden, wegen der Scheidung und ..“
„Warte!“, fiel sie mir ins Wort und setzte sich neben mich. 
„Was heisst wollte?! Du wirst es tun!“, fügte sie streng hinzu. 
„Aber ..“
„Nichts aber! Wenn du es jetzt nicht tust, wirst du nicht von ihn loskommen! Reich die Scheidung ein, zieh um .. am besten etwas weiter weg und werde glücklich mit Leo.“, ließ sie mich erneut nicht ausreden. 
„So einfach ist das nicht ..“, gab ich verzweifelt von mir. 
Wenn doch wirklich alles so einfach wäre, wie es sich anhört. Mera war auch noch da ..
„Mera ist sowieso nicht sein Kind.“, sagte sie, als ob sie meine Gedanken gelesen hatte. 
„Das weiss ich selbst nicht.“
Meine Stimme war leise, eine Träne kullerte mir herab und brannte fürchterlich auf meiner Wange. Dilara fing an zu Lachen und umarmte mich von der Seite. Sie war wirklich die einzige, die absolut alles von mir wusste und ich war froh jemanden zu haben, mit dem ich meine Geheimnisse teilen konnte ohne mir Sorgen zu machen, dass sie raus kommen könnten. 
„Von wegen sie ähnelt deinem Schwiegervater.“, lachte sie. 
Mit Sicherheit konnte ich es natürlich nicht sagen. Aber ich spürte, dass Mera Leos Tochter war. Dilara drückte mir einen Kuss auf die Schläfe und machte mir Mut. 
„Du schaffst das heute. Ich glaub an dich. Leo glaubt an dich.“ 
Ja Leo .. vielleicht war es nun an der Zeit endlich glücklich zu werden? Mit ihm? Mit meiner Mera? Mit unserer Mera! Wenn auch mit etwas Verspätung … ja es war an der Zeit! Selbst wenn es in einem Skandal enden würde. Ab jetzt wird gekämpft. Wie sich mit der Zeit herausstellen sollte, würde es ein sehr harter Kampf werden .. 


Stundenlang saß ich im Wohnzimmer und wartete. Auf Armend. Mera spielte neben mir, mit ihrer Puppe. Ihre süße Stimme erwärmte mein Herz und linderte meinen Inneren Schmerz. Auch die Wartezeit kam mir deutlich ertragbarer vor in ihrer Nähe. Ich musste versuchen es Armend möglichst schonend beizubringen, dass unsere Ehe nun beendet war. Danach würde ich mit Leo reden müssen .. Ein Blick auf die Uhr ließ mich wissen, dass Armend jeden Moment kommen würde. Ich stand auf, lief unruhig im Wohnzimmer auf und ab und massierte mir meine Stirn. Mein Kopf dröhnte wie sonst was! Dann endlich, hörte ich wie sich die Haustür aufschloss. Ich rannte in den Flur und hätte vor Enttäuschung fast laut los gebrüllt! Violeta trat hinter Armend in die Wohnung. Was zum Teufel wollte sie hier? Am liebsten würde ich ihr gerade die Augen auskratzen, mein Gedanken verflog jedoch, als ich in Armends besorgtes Gesicht sah. 
„Adelina .. dein Bruder .. Dardan ..“, flüsterte er. 
„Was ist mit ihm?“, fragte ich vorsichtig. 
„Messerstecherei .. er liegt im Krankenhaus.“ 
Geschockt hielt ich mir die Hand vor dem Mund, das dürfte nicht wahr sein ..

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