Kapitel 41 :
„Du hättest an ihrer Stelle sein müssen.“, flüsterte er mir dicht an meinem Ohr.
Dieser Satz .. dieser einfache Satz sorgte dafür, dass mein Verstand verrückt spielte. Ich sah mich kurz panisch um, aber keiner schien etwas gemerkt zu haben. Leo stand wieder neben Jehona und sprach Armend an.
„Dir auch alles gute, ich hoffe ihr seid glücklich.“, hörte ich Leo wie von weiter Ferne sagen.
„Danke Bruder! Ja und wie, besser kann es nicht laufen.“, grinste Armend.
Er legte seinen Arm um meine Taille und zog mich zu sich.
„Du hast einen guten Fang gemacht Leo, aber meine Frau toppt niemand.“, grinste er.
Leo lächelte höflich, aber ich kannte ihn einfach zu gut. Seine Kiefermuskeln waren angespannt, ich wusste, dass er gerade vor Wut tobte. Als wir endlich wieder an unseren Tisch gingen, atmete ich erst mal erleichtert aus. Diese Situation war so komisch und so unglaublich. Ich glaubte selber, dass das alles nur ein böser Traum war.
„Armend .. ich geh mich eben umziehen okay?“, sagte ich mit bebender Stimme.
„Okay. Violeta hilft dir.“, antwortete er.
Langsam nickte ich und stand dann auf, während Violeta mir folgte.
„Ich geh schnell zum Auto und hol den Koffer.“, sagte sie als wir im Foyer standen.
Ich stand also da und wartete. Unerwartet stiegen mir Tränen in die Augen, die ich mit aller Macht zurückhalten musste.
„Reiß dich zusammen Adelin, reiß dich zusammen verdammt!“, murmelte ich leise vor mich hin.
„Was machst du hier?“
Erschrocken fuhr ich hoch und drehte mich um. Fjolla stand da und sah mich fragend an.
„Ich ehm .. ich zieh mich gleich um. Violeta holt das Kleid ..“, stotterte ich.
Erneut füllten sich meine Augen und diesmal kullerte eine Träne meine Wange entlang. Ich verfluchte mich selbst in Gedanken. Wieso passierte mir das ausgerechnet jetzt? Fjolla machte einen Schritt auf mich zu und tupfte mir mit einem Taschentuch die Träne weg. Wortlos standen wir uns gegenüber und sahen uns traurig an.
„Er ist nicht glücklich Adelin. Auch wenn es so aussieht .. er ist nicht glücklich.“, sagte Fjolla schließlich.
„Meinst du ich bin es Fjolla? Ich kann nichts machen, das Schicksal wollte es so ..“, flüsterte ich.
Sie nickte traurig und nahm meine Hand.
„Ich hoffe immer noch, dass ihr irgendwann einfach abhaut, irgendwohin geht wo euch keiner kennt und ihr einfach nur glücklich seid.“, sagte sie leise.
Abhauen und einfach glücklich sein. Leo und ich. Wenn wir das tun würden, dann müssten wir alles stehen und liegen lassen und nicht mehr zurück schauen. Ich bezweifelte, dass ich dazu in der Lage wäre .. ich war zu schwach für sowas. Ausserdem würde Leo mich jetzt bestimmt nicht mehr haben wollen, wo ich doch schon Armend gehört hatte. Naiv und ja, sogar dumm war ich. Hätte ich doch Mama schon viel früher von Leo erzählt, dann würde vielleicht alles anders verlaufen. Dann würde ich vielleicht gerade diejenige sein, die im Saal neben Leo steht und dessen Hand hält. Aber woher hätte ich denn wissen sollen, dass es soweit kommen wird? Ich war erst seit ein paar Wochen mit Leo zusammen gewesen, als mein Leben komplett auf dem Kopf gestellt wurde. Als plötzlich alles Schlag auf Schlag kam und ich nur machtlos mitansehen konnte, wie mein Leben zu Grunde geht...
„Ich glaub ich geh wieder rein, Violeta kommt grade.“, riss Fjolla mich aus meinen Gedanken.
Sie machte eine Kopfbewegung Richtung Eingang und drückte noch schnell meine Hand.
„Er liebt dich Adelin. Genauso, wie du ihn liebst. Die Situation ist aussichtslos, aber man weiss nie was in Zukunft noch alles passieren kann.“, flüsterte sie leise und ließ mich stehen.
Mein Schädel brummte und mein Herz hämmerte wie wild. Fjollas Worte taten weh. Sehr sogar. Ich wollte mir keine falschen Hoffnungen machen, sonst würde ich am Ende nur noch mehr kaputt gehen, als ich es ohnehin schon bin....
„Was machst du eigentlich die ganze Zeit so ein Gesicht, als ob jemand gestorben wäre?“
Toll. Wirklich. Ganz prima. Das hatte mir jetzt noch gefehlt, dass Violeta mich mit ihren Fragen auf die Nerven geht und mich mit ihrem Blick fast durchbohrte.
„Ich hab Bauchschmerzen.“, antwortete ich.
„Periode?“
Ich nickte und ließ mir dann das Kleid von ihr zumachen. Meine Periode hatte ich wirklich, aber Bauchschmerzen hatte ich keine. Ganz andere Schmerzen beherrschten mich. Schmerzen, die nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist, meinen Verstand und meine Seele einnahmen. Laut schnaufend bereitete ich mich auf die nächsten Stunden vor...
Als gut zwei Stunden später die Torte reingebracht wurde, versuchte ich krampfhaft nicht hinzusehen. Mein Blick ruhte auf meinen Schoß und ich schwöre euch, keine Sekunde hob ich meinen Kopf. Nervös spielte ich mit meinen Fingern und betete still und leise, um hier möglichst schnell raus zu kommen. Viele Menschen halten sich für schwach, ich war einer davon. Aber wenn es hart auf hart kam, war ich überraschenderweise stark. Seid ehrlich .. meint ihr, ihr würdet das schaffen an meiner Stelle zu sein? Zu zusehen, wie der Mann eurer Träume eine andere heiratet? Mit anzusehen, wie all das, was ihr wolltet, plötzlich einer anderen gehörte? Ich hasste dieses Mädchen. Ich hasste sie aus tiefstem Herzen, obwohl ich wusste, dass sie keine Schuld trug. Dieser Hass war vergleichbar mit dem, den ich für Armend verspürte. Es gab nur eine Person, die ich mehr hasste. Und diese Person musste ich, leider Gottes, Papa nennen...
„Adelina!“
Jemand rüttelte an meinen Arm und ich merkte plötzlich, wie ich unbewusst meine Augen geschlossen hatte. Als ich meinen Kopf hob, sah ich in das strahlende Gesicht von Armend.
„Komm lass tanzen, schau die stehen alle auf.“, meinte er voller Vorfreude und nahm meine Hand.
„Armend bitte, mir geht es nicht gut, lass uns nach Hause fahren. Bitte!“, flehte ich müde.
„Nur ein bisschen.“, gab er zurück und zog mich mit sich.
Da zeigte er wieder sein wahres Gesicht. Dieser Junge war schlicht und ergreifend egoistisch. Selbst wenn er manchmal so tat, als ob ihm das Wohlergehen des anderen interessieren würde. Keine zwei Minuten später, würde es schon wieder nur um ihn gehen. Um seine Bedürfnisse und seine Wünsche. Das Brautpaar tanzte in der Mitte zur langsamen Musik und war von vielen anderen Paaren umgeben. Armend zog mich in seine Arme und legte seine Hände um meine Taille, woraufhin mir nichts anderes übrig blieb, als meine Hände auf seinen Schultern zu legen. Ich war müde und hielt mich gerade noch so auf meinen 10 cm Sandalen. Mein Körper spielte mir einen Streich als sich mein Kopf automatisch auf Armends Schultern legte. Meine Gedanken machten sich auf eine gefühlte Weltreise und hielten bei Dilaras Hochzeit inne. Wie ich in Leos Armen lag und seinen Duft einatmete. Damals war ich noch das glücklichste Mädchen der Welt gewesen. Was ich nicht alles geben würde um die Zeit zurückzudrehen...
„Wir fahren gleich nach Hause.“, hauchte mir Armend ins Ohr.
Ich riss die Augen auf, hob meinen Kopf und sah wie Armend mich angrinste. Seinen Anblick konnte ich gerade nicht ertragen, also sah ich zur Seite und wie Gott es wollte, musste ich ausgerechnet in Leos Augen sehen. Sein Blick war auf mich gerichtet, er musste auch gesehen haben, wie mein Kopf auf Armends Schulter gelegen hatte. Gott weiss, was er gerade von mir dachte .. total verstört löste ich mich aus Armends Griff.
„Ich will gehen. Sofort!“, verlangte ich.
„Ja wir gehen doch gleich. Wir warten nur noch ..“
„Gar nichts warten wir!“, fiel ich ihm ins Wort.
„Ich will jetzt gehen Armend, ich kann nicht mehr. Mir geht es nicht gut, versteh es doch.“
Mich überkam ein komisches Gefühl im Magenbereich und vor meinen Augen wurde es für einen kurzen Moment schwarz. Ich taumelte einen Schritt zurück und hatte es Armend zu verdanken, dass ich gerade nicht mitten auf der Tanzfläche lag.
„Ich will weg hier ..“, zischte ich ihm ins Ohr.
Er nickte und führte mich endlich aus dieser Hölle heraus …
Die ganze Fahrt über hatte ich kein Wort gesagt und auch Armend hielt ausnahmsweise mal seine Klappe. Es war erst kurz vor Mitternacht, die anderen waren noch auf der Hochzeit geblieben. Als wir endlich da waren, ging ich ohne Umwege ins Bad und ließ mich am Wannenrand nieder. Wenn mir jemand meine Geschichte erzählt hätte, würde ich denken: 'Achwas, das ist so unrealistisch. Sowas kann nicht passieren.' Und dann dachte ich an mein Schicksal und musste Lachen. Ja dieses Lachen, das vor Tränen schützen sollte. Aber es funktionierte nicht mehr bei mir! Mehrere Minuten lang saß ich reglos da und ließ meine Tränen freien Lauf. Letztendlich stand ich auf und musterte mich im Spiegel. Meine Schminke war verschmiert und meine Augen gerötet. Ich löste diese verdammte Hochsteckfrisur und wusch mir dann das Gesicht.
„Oh Allah, wie lange halte ich das noch aus ..“, murmelte ich leise vor mich hin.
Es hämmerte auf einmal so laut gegen die Badezimmertür, dass ich zusammen zuckte.
„Adelina man, lebst du noch?“, schrie Armend.
Als ich die Tür zwei Minuten später aufschloss, stand der Idiot ernsthaft direkt davor.
„Hast du geweint?“
„Nein hat beim abschminken gebrannt.“, log ich.
„Wieso nimmst du nicht einfach das andere Bad?“, fügte ich genervt hinzu.
„Ich will nicht ins Bad, ich will dich.“
Er drückte seine Lippen auf meinen Mund, aber ich schubste ihn weg.
„Heute nicht. Ich bin müde.“, sagte ich tonlos und lief an ihn vorbei.
Mein Weg führte mich in die Küche, wo Armend mir folgte. Ich nahm ein Glas und lies den Wasserhahn laufen, als Armend mich von hinten umarmte.
„Ich will dich.“, raunte er und pustete dabei auf mein Ohr.
Wütend schmiss ich das Glas in die Spüle, drehte mich um und drückte ihn von mir weg.
„Ich will heute nicht!“, fauchte ich.
Er grinste nur hässlich und wollte wieder auf mich zukommen. Als ich zum Messer griff, dass im Waschbecken gelegen hatte, hielt Armend inne und sein Grinsen verschwand ..
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Schicksalsschläge
Художественная прозаAdelina ist ein ganz normales Mädchen, das ihr Abi erfolgreich abgeschlossen hat und nun den Traum hat zu studieren. Als sie dann noch die Liebe ihres Lebens kennenlernt, scheint ihr Glück perfekt. Doch es kommt anders als erwartet ..