Kapitel 43 :
„Was soll der scheiss?!“, schrie ich wütend.
Die beiden schienen überrascht und sahen mich mit großen Augen an.
„Deal von mir aus, es juckt mich kein Stück wer, was in diesem Haus tut! Aber lass meinen Bruder da raus. Bist du verrückt geworden oder so?“
Ich war ausser mir vor Wut und brüllte so laut, dass kurz darauf der Rest der Familienmitglieder ebenfalls im Flur stand. Alle Augen waren auf mich gerichtet.
„Cka po bertet Nuse? (Was schreist du so Braut?)“, fragte Violeta.
„Nenn mich nicht so verdammt! Ich habe einen Namen!“, brüllte ich aufgebracht.
Sie schien schockiert über meinen Wutausbruch, genauso wie die anderen.
„Was ist los Adelin?“, fragte mein Schwiegervater mich.
„Dein Sohn kann dir das erklären.“, antwortete ich.
Ich war mit den Nerven am Ende. Mein Körper zitterte vor Wut und mein Kopf dröhnte.
„Du gehst jetzt sofort nach Hause.“, sagte ich zu Dardan und packte ihn am Arm.
„Moter prit .. (Schwester warte ..)“
„Mos fol! (Sei still!) Zwing mich nicht Papa davon zu erzählen!“, zischte ich.
Nachdem ich ihn zur Tür gebracht hatte und wieder rein ging, waren die anderen gerade am Flüstern. Armend kam auf mich zu, aber ich hob abwehrend meine Hände.
„Fass mich nicht an.“, sagte ich leise.
„Ich halte es keine Sekunde länger hier aus. Ihr scheint alle von seinen Geschäften zu wissen und es juckt euch kein Stück, solange das Geld fließt.“
„Pass auf was du redest.“, meinte Luan auf einmal.
„Ich soll aufpassen was ich rede?“, fragte ich ungläubig.
„Boll e kam mshel gojen. (Ich hab meinen Mund genug gehalten.) Es ist mir scheiss egal was du machst und auf welcher Weise du dir dein Geld verdienst. Aber ich werde nicht zu sehen, wie du meinen Bruder da mit rein ziehst.“
„Er will es selber.“, verteidigte er sich.
„Er ist 15 verdammt! 15!“, schrie ich.
Armends Eltern saßen nur schweigend auf der Couch und schafften es mir nicht in die Augen zu sehen. Wie auch? Sie wussten, dass ich recht hatte. Da gab es nichts zu diskutieren. Armend griff nach meinen Arm und führte mich ins Schlafzimmer.
„Ich rede mit ihm, er darf Dardan nichts mehr geben. Ich verspreche es dir.“
„Der hat keine andere Wahl! Ich schwöre, ich melde ihn bei der Polizei!“, schrie ich.
„Ist ja gut, beruhige dich. Pack deine Sachen, wir gehen Morgen.“, wechselte er das Thema.
„Morgen!?“
Ich ließ mich auf das Bett fallen und vergrub das Gesicht in meine Hände. Alles kam Schlag auf Schlag, ich war überfordert. Nervlich überlastet! In meinen Kopf kreisten so viele Gedanken, dass ich dachte er würde gleich platzen. Armend setzte sich neben mich und legte einen Arm auf meinen Rücken. Sofort stand ich auf, seine Berührungen hatten mir gerade noch gefehlt.
„Geht es dir gut?“, fragte er mich.
„Ob es mir gut geht?“, fragte ich lachend.
Ich massierte mir die Stirn und versuchte mich zu beruhigen.
„Erst muss ich jemanden heiraten, den ich gar nicht will. Dann muss ich mitansehen, wie meine Mutter stirbt. Und zu guter Letzt kommt dazu, dass mein kleiner Bruder in eure Drogenmachenschaften hineingezogen wird. Toll. Mir geht es großartig. Wirklich super.“, meinte ich ironisch.
„Warte mal.“, sagte Armend und stand dann auf.
„Liebst du mich immer noch nicht?“
Ich dachte für einen Moment ich höre nicht richtig, aber allen Anschein nach meinte er diese Frage ernst, denn er stand vor mir und sah mich erwartungsvoll an.
„Spielt keine Rolle.“, antwortete ich und sah an ihn vorbei.
Selbst jetzt, wo absolut keine Hoffnung mehr für Leo und mich bestand, nachdem er Jehona geheiratet, konnte ich diesen Jungen nicht lieben. Armend war kein schlechter Mensch .. zum größten Teil egoistisch und selbstverliebt, aber ein schlechter Mensch war er nicht. Aber man sagt der wahre Liebe begegnet man nur einmal und mein Herz gehörte schon immer Leo. Und ich wusste, dass sich daran niemals was ändern würde. Armend griff nach meinem Kinn und drehte mein Gesicht zu sich. Dann kam er mir ganz Nahe, sodass ich seinen Atem spürte.
„Du wirst mich lieben .. es ist nur eine Frage der Zeit.“, flüsterte er.
Er drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen und verließ dann das Zimmer. Angeekelt wischte ich mir mit dem Handrücken den Mund ab und legte mich ins Bett. Ich brauchte ein paar Minuten um das ganze zu verarbeiten. Das war einfach einer dieser Momente, an denen mir die Luft zum Atmen fehlte. Ich war psychisch am Boden, immer mehr verschloss ich mich und stopfte die Probleme in mich rein. Probleme, die meine Seele Stück für Stück zerfraßen...
Am Abend kam dann ausgerechnet noch Papa zu Besuch. Am Anfang dachte ich er sei gekommen, weil er das mit Dardan erfahren hatte. Aber als ich ins Wohnzimmer kam und sein Lachendes Gesicht sah, wusste ich, dass dies nicht der Fall war. Unsere Blicke trafen sich und für ein paar Sekunden verschwand sein Lachen. Ich musste mich zwingen ihm die Hand zu reichen, aber alles andere wäre peinlich. Weiss Gott, was meine Schwiegereltern denken würden.
„A je mir qika jem? (Geht es dir gut meine Tochter?)“, fragte er.
Fast hätte ich ihm abgekauft, dass er sich wirklich dafür interessierte wie es mir ging. Aber auch nur fast.
„Mir jam. Ti? (Mir geht es gut. Dir?)“, antwortete ich leise.
Er nickte nur und seine Aufmerksamkeit galt wieder dem Gespräch mit meinem Schwiegervater. Ich konnte nicht im gleichen Zimmer mit diesem Mann bleiben, deshalb flüchtete ich schnell in die Küche. Wie Gefühlskalt konnte ein Mensch eigentlich sein? Während er da drinn mit meinen Schwiegervater trinkt und Spaß hat, liegt meine Mutter im Sterben. Seine Lache war wie Gift für meine Ohren, es kam mir so vor, als ob er all das mit Absicht machte. Um mich noch mehr kaputt machen. Um mir das Leben noch mehr zur Hölle zu machen. Selbst jetzt, wo ich mich meinem Schicksal kampflos ergeben hatte. Als ich die Kaffees ins Wohnzimmer brachte, hatte sich die Stimmung geändert. Ich merkte das an den Gesichtsausdrücken.
„Wieso wollt ihr ausziehen Adelin?“, fragte Papa mich.
Sie hatten ihn also davon erzählt. Ich warf einen Blick auf meinen Schwiegervater. Er saß da und starrte in die Luft. So ein Feigling …
„Armend meinte es wäre besser so.“, gab ich zurück.
„Wieso?“, hackte er nach.
„Manchmal ist es besser, wenn man sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischt. Armend hat so entschieden und daran wird sich nichts ändern.“, gab ich selbstbewusst von mir.
Papa schien sehr überrascht und sein Blick drohte mich zu durchbohren, aber er sagte nichts. Ich wollte ihm damit klar machen, dass er nicht mehr über mein Leben zu bestimmen hatte und es war mir gelungen. Zufrieden ging ich in mein Zimmer und packte meine Koffer. Armend meinte, dass alles schon eingerichtet war. Nur noch Kleinigkeiten müssten gemacht werden, aber die konnten wir auch später erledigen.
„Ich komm mir vor wie in der Hölle.“
Ich saß gerade bei Dilara, während Armend auf der Arbeit war. Mir ging es richtig schlecht, noch schlechter als zuvor. Wir waren vor ein paar Tagen ausgezogen, die Wohnung an sich war ganz schön und auch die Einrichtung gefiel mir. Was mir zu schaffen machte war, dass ich den ganzen Tag über alleine war. So hatte ich noch mehr Zeit um alles zu hinterfragen und nachzudenken, was dann letztendlich damit endete, dass ich weinte.
„Adelina .. bitte .. tu irgendwas! Das ist doch kein Leben?!“, sagte Dilara.
„Was soll ich denn machen Dilara?!“, schluchzte ich.
„Als erstes hörst du mal auf zu weinen, schau mal deine Augen. Total rot und geschwollen.“
Sie nahm mich in den Arm und einen Moment lang verharrten wir wortlos so. Mein Kopf war so voll .. das glaubt ihr mir gar nicht. Ich wusste nicht an was ich zu erst denken sollte. An Mama. An Leo. An mich!? Wann hatte ich aufgehört an mich selbst zu denken? Mama galt jetzt für mich an erster Stelle, aber obwohl ich es mir selbst nicht eingestehen wollte, wartete ich nur auf ihren Tod. So weh auch tat .. es entsprach der Wahrheit. Ich verfluchte mich dafür selbst in Gedanken. Mit ihrem Tod würde die Ehe von mir und Armend zu Ende sein. Ich hatte nicht vor, weiterhin die glückliche Ehefrau zu spielen, ich tat es ohnehin nur für Mama.
„Leo hat geheiratet Dilara ..“, schluchzte ich leise.
„Ich hatte noch diese winzig keine Hoffnung .. aber er hat diese Jehona geheiratet Dilara! Weisst du was für Qualen das waren dabei zu zusehen? Wieso musste ausgerechnet mir sowas passieren? Ich hab das nicht verdient Dilara, nein ich hab das nicht verdient!“
Heulend vergrub ich das Gesicht in meine Hände, während Dilara mir tröstend über den Rücken strich. Total aufgewühlt stand ich auf und warf einen Blick auf die Wanduhr.
„Es ist schon spät, ich glaub ich geh.“, sagte ich schniefend.
„Canim wir wollten zusammen Abendessen, du hast Armend doch Bescheid gesagt, dass du hier bleibst. Wo liegt das Problem?“, fragte sie traurig.
„Ich weiss nicht .. ich ..“
Die Worte blieben mir im Halse stecken. Ich schwankte und hielt mich an der Wand fest. Das passierte mir in letzter Zeit sehr oft.
„Schau mal, irgendwann kippst du noch um! Du isst nichts!“, meinte Dilara besorgt.
Sie hatte Recht, ich aß wirklich kaum was...
„Mir geht’s nicht so gut .. ich leg mich zu Hause lieber hin.“, sagte ich leise und ging dann.
Ich hatte so ein komisches Gefühl, als ich die Wohnungstür aufschloss und aus meinen Stiefeln stieg. Total müde ging ich geradewegs ins Schlafzimmer, doch was ich da sah toppte echt alles …
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Schicksalsschläge
General FictionAdelina ist ein ganz normales Mädchen, das ihr Abi erfolgreich abgeschlossen hat und nun den Traum hat zu studieren. Als sie dann noch die Liebe ihres Lebens kennenlernt, scheint ihr Glück perfekt. Doch es kommt anders als erwartet ..