Kapitel 4

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Melkor kamen die Tage länger und die Nächte kürzer vor. Lange war es her, dass er Tageslicht gesehen, oder die Wärme der Sonne auf seiner Haut gespürt hatte. Die Zeit verstrich und Melkor war nur noch ein Schatten seiner selbst. Seine Gedanken waren leer und er ergab sich nach und nach der Macht des Lichkönigs, etwas in ihm wollte ihm folgen, etwas das immer stärker wurde. Andauernd hörte er die kalte Stimme von Arthas in seinem Kopf. Er konnte sich nicht dagegen wehren und es bereitete ihm Kopfschmerzen. Oft saß er da, sich seinen Schädel haltend, die Stimme nicht mehr ertragend. Er raufte sich die langen Haare und schloss seine Augen, redete sich ein das das alles aufhören würde und es nur ein schrecklicher Traum war. Doch das war es nicht. Es war Wirklichkeit. Es würde nie aufhören.
Melkor rang mit sich. Jeden Tag. Einen Kampf, den er nur verlieren konnte, denn Arthas würde Ungehorsam nicht dulden. Nazgrim hatte es ihm in den letzten Tagen nochmal deutlich gemacht, sich gegen die Macht des Lichkönigs zu stellen war sinnlos, es würde nur schlimmer werden.

Die nächsten Tage glichen den ersten. Nach einer Woche hörte diese Routine jedoch auf.
Dies war der Moment wo sich der Blutelf beweisen sollte.
„Nun werden wir sehen, was in dir steckt." Zischte es durch Melkors Kopf als ihn der bekannte Ork abholte.
In einer Rüstkammer wurde ihm eine Rüstung, ein Schwert und ein Befehl gegeben. Dieser lautete einfach.
„Überlebe"

Melkor wurde von Nazgrim nach draußen geführt. Draußen, dachte er, wie lange hatte ich keine frische Luft mehr bekommen?
Er betrat den Innenhof von Eiskrone und erblickte eine riesige Grube, von Stacheln gesäumt und mit einer Schar Untoter gefüllt. Ohne noch länger nachdenken zu können, wurde er gewaltsam in die Grube geschubst. Nach einer ungebremsten Ladung rappelte er sich fix auf und erhob reflexartig sein Schwert und bekämpfte die Kreaturen, denn sie taten das gleiche.
Es war fast zu einfach. Ein paar Hiebe hier, ein paar Stöße dort und das gebrechliche duzend Untoter war vernichtet.
Nazgrim hielt Melkor eine Hand hin und zog ihn aus der Grube, während eine Val'kyr die gefallenen Diener wiederbelebte und sie hinausklettern lies.

„Geht doch" kommentierte der Ork und erntete von seinem Gegenüber nur ein ernstes Schweigen.
„Aber das war erst das Aufwärmen." Fügte er hinzu und deutete nach links.
Männer und Frauen verschiedener Rassen, in der gleichen Rüstung wie Melkor sie trug, wurden auch immer von einer Wache begleitet zur Grube geführt. Am Ziel angekommen standen nun etwa 15 Kandidaten dort. Melkor ahnte was auf ihn zukam. Die Begleiter stellten sich an den Rand. Doch es passierte nichts. Sie standen nur da und harrten in der Kälte Nordends aus.
Bis alle zugleich seine Präsenz spürten. Alle Augen huschten zu dem Lichkönig, der nun auch auf den Innenhof hinausgetreten war und sich an den Rand der Grube stellte. Er verschränkte die Arme und nickte.
Wie durch einen stillen Befehl stiegen nach und nach alle in die Grube und verteilten sich in dieser. Man merkte sofort, wer in seinem früheren Leben nicht so kampferprobt war. Warum sind sie dann überhaupt hier, fragtes sich Melkor bitter. Jene stellten sich ganz an den Rand, um möglichst viel Distanz zu den anderen aufzubauen, jedoch würde man sich damit selbst in die Falle locken. Melkor war auch in die Grube gesprungen und stellte sich fast in die Mitte. Als schließlich alle drin standen ertönte Arthas Stimme „Nutzt die Macht, die ich euch gab".
Melkors Blick huschte zu Nazgrim der ihm zu grinste und den erhaltenen Befehl stumm mit seinen Lippen formte „überlebe".
Dann begann auch schon der Kampf.
Melkor gegenüber stand eine Nachtelfe die zitternd ihr Schwert auf ihn gerichtet hielt. Er sah ihr an, dass sie Angst hatte und nicht wusste was sie nun tun sollte. Etwas sagte ihm „nutze ihre Schwäche aus, töte sie. Du musst überleben". War es seine Stimme oder die des Lichkönigs? Die Sekunden verstrichen und ohne sich dessen bewusst zu sein, folgte er jener Stimme und hatte die Nachtelfe schnell überwältigt, entwaffnet und sein Schwert in ihren Leib gebohrt. Kaltherzig sah er ihren leblosen Körper an und ein Verlangen nach mehr kochte in ihm auf.
Der nächste Gegner kreuzte Melkors Augen, diesmal ein Troll. Die beiden liefen aufeinander zu und kreuzten ihre Klingen. Wie zwei wilde Tiere duellierten sie sich eher durch ihre Blicke und ihre Körperhaltung als durch ihre tatsächlichen Waffen. Und plötzlich geschah es, Melkor Schwert begann zu glühen. Besser gesagt die Runen. Rot schimmerten die Buchstaben einer fremden Sprache. Ohne es zu realisieren nutze der Blutelf die Macht, die in ihm steckte. Kraftvoll schob er den Troll von sich und streckte instinktiv seine freie Hand nach ihm aus. Ein lilaner, zuckender Lichtstrahl erfasste seinen Gegner und zog ihn in Melkors Richtung, wo er unbarmherzig mit dessen Schwert Bekanntschaft machte und er seinen letzten Atemzug tat.
In der Grube wurde blutig gekämpft und einer nach dem anderen fiel. Bis nur noch 4 Ritter übrig waren, darunter Melkor.
Sie standen einander gegenüber und tauschten verhasste Blicke aus. Jeder konnte die Macht des anderen spüren und die eh schon kalte Luft gefror um die Kämpfer. Die Runen auf ihren Waffen glühten und signalisierten das sie es geschafft hatten die ihnen gegebene Macht zu kanalisieren. Der Lichkönig grinste zufrieden und wollte mehr Blut fließen sehen.
Wie auf Kommando griffen sie einander an. Melkor bekämpfte einen großen Draenei und neben ihm fochten eine Nachtelfe und ein Mensch miteinander. Der Draenei schwang sein Schwert und mit ihm erhoben sich am Boden liegende Knochen und stürmten auf Melkor zu. Er wich so gut er konnte aus, musste aber einen Treffer einstecken. Einer der gesplitterten Gebeine steckte in seiner Schulter. Schnaubend riss er diesen raus und startete einen Gegenangriff. Bei diesem verfaulte der Boden unter ihm, bei jedem Schritt, den er tat und dem Draenei wurde speiübel. Taumelnd wich er zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Wand der Grube. Melkor holte aus und seine Klinge sauste auf den Mann nieder, der es stolpernd schaffte der Attacke auszuweichen. Strauchelnd sah er auf und musste ein Würgen unterdrücken. Seine Sicht verschwamm und er konnte Würmer aus dem Boden kriechen sehen. Abermals überkam ihn diese schreckliche Übelkeit und noch dazu eine unsagbare Hitze. Schweiß perlte ihm von der Stirn. Melkor beobachtete ihn gebannt. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er das verursacht hatte. Von Wut gepackt rappelte sich der Draenei auf und stampfte schweren Schrittes auf Melkor zu, dabei platzen die Würmer und der Boden war durchzogen von rotglühenden Rissen. Mehrere Hiebe und er hatte es geschafft den Blutelfen ebenfalls zurückzudrängen. Die gekreuzten Klingen verharrten und drückten unaufhörlich gegeneinander. Angestrengt starrten sie einander in die blauen, eisigen Augen. Plötzlich flog etwas in die Grube und landete neben ihn. Es war ein Skelett. Verwirrt tauschten sie einen Blick aus und drückten weiter.
Währenddessen hatten sich die anderen beiden ebenfalls hart bekämpft und aus deren Richtung splittere immer wieder Eis rüber. Eben solch ein Eissplitter traf den Draenei im Bein und lies ihn kurz zusammensacken. Melkor nutze den Moment, machte eine schnelle Bewegung seines Schwertes und war ein paar Schritte weit von der Wand gewichen, schaffte mehr Distanz und machte sich für den nächsten Angriff bereit.
Jedoch wucherte in seinem Schädel die Frage, warum das Skelett in die Grube geworfen wurde. Vielleicht...? Kaum war der Gedanke gedacht und der Draenei wieder gefährlich nahe, sah Melkor im Augenwinkel wie das Skelett zuckte.
Dies hatte auch sein Gegner bemerkt und starrte entsetzt auf die Knochen, die sich allmählich aufrichteten. „Wie machst du das?" fragte seine lodernde Stimme panisch. „Ich mache gar nichts!" schrie Melkor erbost zurück. Doch diese Wut, die in ihm kochte, brachte bloß mehr Leben in den Toten. Aufrechtstehend mit einer Axt in der knochigen Hand stellte sich das Skelett neben Melkor, den Draenei anvisierend.
Ehe etwas anderes passieren konnte durchbrach eine viel schrecklichere Stimme das Geschehen.
„Genug. Ihr habt euch bewiesen." Arthas ging ohne ein weiteres Wort und die vier ließen gehorsam ihre Waffen sinken.
Einer nach dem anderen kletterte aus der Grube und wurde von seiner Begleitung empfangen.
Nazgrim klopfte Melkor stolz auf die unverletzte Schulter: „Das war prächtig", ein breites Grinsen schmückte sein Gesicht „nur weiter so!".
Die beiden gingen zurück und machten bei Marogh Halt, der Mensch hielt wie so oft ein Buch in den Händen und lies sich von Nazgrim berichten wie sich Melkor bei der ersten Prüfung geschlagen hatte.
Prüfung? Die Erste? Dachte Melkor und sah fragend zwischen den beiden hin und her. Der Mensch konnte offenbar Gedankenlesen, denn sogleich unterbrach er den Ork und sah in das fragende Augenpaar. „Ja Prüfungen, Melkor. Arthas testet euch und euer Können. Wie wir nun heute feststellen mussten, liegt dir die Kraft der Unheiligkeit. Eine seltene Gabe. Nicht viele schaffen es direkt im ersten Kampf einen Toten wiederzuerwecken und zu kontrollieren." Sprach er erstaunlich gelassen.
Der Blutelf verstand überhaupt nichts mehr. Er konnte sich nicht entsinnen, das was auch immer im Kampf geschehen war, bewusst gewollt zu haben. Nichts davon. Das Gefühl der neuen Stärke in ihm hatte ihn verbissener kämpfen lassen. Aber das war doch auch alles, oder?
„...genau das sag ich ja, Marogh.", hörte Melkor den Ork sagen. Er war so in Gedanken versunken, dass er dem Gespräch nicht weiter zugehört hatte.
„Jetzt wo wir wissen was dir liegt, werde ich dich ab morgen ausbilden. Arthas hatte diese Macht bei dir bereits vermutet und dich so direkt zu mir geschickt." Sprach der Mensch und wand sich sogleich zum Gehen.
Melkor überkam ein unbehagliches Gefühl. Arthas hatte es bereits vermutet. Es kam ihm vor als wüsste dieser mehr über ihn als er selbst, was ihn beunruhigte. Jedoch schob er dieses Gefühl beiseite und ging mit Nazgrim die düsteren Flure entlang. Diesmal war ihr Ziel jedoch nicht, wie üblich, das Zimmer in dem Melkor nächtigte. Sondern ein großer Saal, in dem viele Todesritter an Tischen und auf Bänken saßen, sich unterhielten, Duelle austrugen oder aßen. In den Fensternischen saßen ein paar Ritter und stöberten in Büchern, denn eine Wand war von enormen Bücherregalen gesäumt. Auffallend war aber, dass sich kein anderes Wesen hier befand. Nur Todesritter. Es wirkte fast wie ein Gasthaus, wäre da nicht die düstere Einrichtung und die bedrückte Stimmung.
Kaum waren sie eingetreten kam der Draenei, mit dem Melkor in der Grube gekämpft hatte auf ihn zu. Sein harter Gesichtsausdruck wurde etwas weicher und er schlug Melkor heftig gegen den Arm. Was wohl freundschaftlich gemeint war, ließ den Blutelfen aber grummelnd zusammenzucken, denn der daraufhin explodierende Schmerz der Wunde traf ihn völlig unerwartet.
„Das war ein guter Kampf." Sprach der größere und bemühte sich es nett klingen zu lassen.
„Das gebe ich zurück" antwortete Melkor.
„Das Ding mit dem Skelett hat mir echt einen Schrecken eingejagt" gab der Draenei schmunzelnd zu.
„Ich habe das nicht absichtlich gemacht" sprach Melkor und hob unschuldig die Hände.
„Natürlich nicht" mischte sich nun auch der kichernde Ork ein. Melkor warf ihm einen bösen Blick zu, was Nazgrim nur noch mehr grinsen lies.
„Nächstes Mal kämpfen wir Seite an Seite." Beschloss der Draenei und reichte dem Blutelf die Hand, die dieser ergriff und mit einem schelmischen Grinsen hinzufügte: „nichts lieber als das.".
„Welchen Namen soll ich rufen, wenn ich gruselige Skelette auf meine Feinde hetzen will? Fragte der Größere scherzhaft, worauf hin gefragter antwortete „Melkor, und wie soll ich einen Zweimeter Kampfkoloss, der mit Knochen um sich wirft, rufen?". „Leoric" stellte sich der Draenei mit einer leichten Verbeugung vor und schlug Melkor beherzt auf den Rücken, was diesen fast umwarf.
Die drei Todesritter warfen sich ein irres Grinsen zu und gingen plaudernd durch den Saal.


Frostgarm hungertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt