Kapitel 6

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Viel zu früh erwachte ich wieder. Der Schlaf war seit meiner „Verwandlung" nicht einmal wirklich erholsam gewesen. Immer wieder hörte ich seine Stimme. Immer wieder hatte ich Albträume, die er kontrollierte.
Müde und verschlafen rieb ich mir über die Augen. Es war noch dunkel draußen und ich beschloss weiterzugehen.
Als ich aus der Hütte trat sah ich kurz auf die Leichen hinab und machte mich dann auf den Weg.

Wiedermal stapfte ich durch hohen Schnee und fluchte über den Schmerz in meiner Brust. Der Dolch war tief eingedrungen und es würde dauern bis es heilte. Doch darüber machte ich mir keine Sorgen, denn solange mich keine gesegnete oder heilige Waffe traf, befand ich mich nicht in Lebensgefahr. Auch dieses Mal musste ich ironisch grinsen, ich selbst führte vor nicht allzu langer Zeit eine solche Waffe.

Stumpf marschierte ich Richtung Süden auf die noch nicht erkennbare Zitadelle zu. Jeden aufkeimenden Gedanken an irgendwas aus meinem früheren Leben, erstickte ich sogleich mit der spannenden Tätigkeit Schneeflocken zu beobachten. Mein Blick war starr auf den weißen Pfad vor mir gerichtet und wie gebannt sah ich den Flocken beim Fliegen, Landen und Verschmelzen mit dem restlichen Schnee, zu. Diese äußerst aufregende Ablenkung schaffte es erstaunlicherweise nicht lange meine finsteren Gedanken aufzuhalten. Eine Woge an Erinnerungen überkam mich und brachte mich dermaßen aus dem Konzept, das ich stehen blieb.
Bei den Bildern aus meiner Vergangenheit, wusste ich zwar was ich damals gespürt hatte und wie ich mich gefühlt habe, doch aus meiner jetzigen Sicht, konnte ich nichts von dem nachempfinden. Aber trotzdem störte es mich. Diese Erinnerungen lenkten mich ab. Ich hatte eine Aufgabe und die galt es zu erfüllen.
Als es endlich hell war, konnte ich am Horizont tatsächlich die Festung ausmachen. Ich schätze noch ein oder zwei Tagesmärsche, je nachdem was mich aufhalte sollte, würde ich noch brauchen.

Wenn man vom Unglück spricht, schoss es mir durch den Kopf, als ich eine Weile später in der Ferne eine Bewegung ausmachen konnte. Ein Kampftrupp der Horde. Einerseits fragte ich mich wie es sein konnte, dass sie unberührt hier herumreiten, andererseits war es mir egal und ich verspürte den starken Drang sie zu beseitigen.
Ich versteckte mich hinter einer Schneeböe und legte mich flach hin, sodass ich sie gut beobachten konnte. Es war eine gemischte Truppe, bestehend aus Orks, Trauen und Trollen. Auf Wölfen und anderen Reittieren kamen sie mir beständig näher. Ich zählte fix durch und konnte 20 Kämpfer ausmachen. Darunter auch definitiv ein Druide, er war in seiner Reisegestalt, einem Karibu.
Plötzlich blieben sie stehen. Einer der Orks stieg ab und beugte sich zu seinem Wolf runter und rief „Er hat etwas gewittert. Wir sind nicht allein" und schaute suchend die weiße Fläche ab.
„Ach was, wer soll hier draußen denn schon sein? Dein Wolf hat sich bestimmt geirrt" rief einer der Trolle.
„Wir sollten dem Tier vertrauen und hoffen, dass es sich dabei nur um einen dieser Frostwürmer handelt..." fügte der Taure der neben dem Wolf stand und mit dem Ork einen intensiven Blick austauschte.
Ich war mir nicht sicher, was ich nun tun sollte. Gegen 20 Mann würde es schwierig werden, selbst für mich. Aber wirklich eine Wahl hatte ich ja auch nicht. Der Drang diese Gruppe auszulöschen, wurde größer. Ich schaute sie grimmig an und wartete noch einige Augenblicke ab, in der die Männer anfingen zu diskutieren.
Derweil konzentrierte ich mich auf den Boden, auf dem sie standen. Zuerst dachte ich, es würde nicht passieren und ich hätte versagt, doch dann schossen riesige Eiskristalle aus dem Boden und schlossen die Gruppe ein. Gefolgt von einer Schar Untoter die meinem Willen folgend, sich auf die Meute stürzten. Ich selbst stand auf und lief mit meinem Messer gezogen auf den Ork zu, der noch neben seinem Wolf stand und mich erschrocken ansah.
„Das ist einer dieser Lakaien des Lichkönigs! Tötet ihn" rief er sogleich und hieb mit seiner riesigen Axt nach mir. Ich lies mich auf meine Knie fallen und rutschte auf dem gefrorenen Boden unter seiner Axt durch und stach ihm meine Klinge ins Bein. Er schrie grimmig auf und hieb erneut nach mir, ich kugelte mich zur Seite und stand auf, nur um dann den Tauren als zusätzlichen Gegner vor mir zu haben. Ich wich den Waffen so gut es ging aus, ohne selbst einen Treffer zu landen, was mich allmählich wütend machte. Aus dieser Wut hinaus machte ich einen Satz nach vorn und stürzte mich auf den Tauren ohne Rücksicht auf den Ork zu nehmen und der Gefahr, der ich mich aussetzte.
Wild drosch ich auf den Tauren ein der Mühe hatte, seine großen Arme rechtzeitig zubewegen, um meine flinken Hiebe zu blocken. Es war geradezu lächerlich wie ich mit meinem Messer ein Schwert dieser Größe umgehen sollte. Derweil hatte sich der Ork hinter mich gestellt. Gerade als ich den Tauren am Arm getroffen hatte und der Ork zu einem tödlichen Schlag ausgeholt hatte, drehte ich mich halb um und streckte meinen linken Arm nach dem Grünen aus. Der Strahl traf ihn unerwartet und ich hatte es noch rechtzeitig geschafft den Schlag soweit abzubremsen, sodass er mich nur an der Schulter streifte. Die wabernden Strahlen hielten den Ork in Schacht und machten ihn bewegungsunfähig. Mit einer schnellen Bewegung riss ich meinen Schwertarm nach hinten und strach dem erstarrten Ork die Klinge in den Hals, nur um mich dann wieder dem Tauren zuzuwenden, der von Eiskristallen ebenfalls an Ort und Stelle gehalten wurde.
Ich merkte wie die Macht, die ich nutze an meinen Kräften zerrte. Schnaufend gab ich auch dem Tauren den tödlichen Schlag und sah mich um. Meine untoten Diener hatten bis eben gute Arbeit geleistet. Doch mit meiner schwindenden Kraft, wurden auch sie schwächer.
Ich musste das schnell beenden. Mit einem tiefen Atemzug richtete ich meinen Blick auf den Boden und dann wieder auf meine Gegner. Grüner Dampf stieg aus den Untoten und das Eis brach unter meinen Füßen. Die verbliebenen Streiter fingen an zu husten und zu straucheln. Meine Seuche hatte schnell Wirkung gezeigt, hatte mich aber auch eine Menge Kraft gekostet. Gerade als ich dachte die Überhand gewonnen zu haben, sah ich wie der Druide anfing seine Verbündeten zu heilen.
Ich rannte die Distanz zu ihm und wurde plötzlich abrupt gestoppt als sich starke Wurzeln um meine Beine geschlungen hatten. Vor Zorn bebend sah ich dem Druiden in die Augen. Der Troll sah entschlossen zurück und fing an Zaubersprüche zu murmeln. Ich stach und schlug auf die Ranken ein, um mich zu befreien, als mich der Zauber traf. Die Wurzeln wurden gesprengt und ich wurde von einer starken Wucht nach hinten geschleudert. Benommen lag ich einige Meter entfernt auf dem Boden und blickte in den grauen Himmeln. So schnell es mir mein Körper erlaubte, erhob ich mich wieder und rannte auf den Troll zu. Meine Ghule hatten die anderen soweit im Griff, dass ich nicht fürchten musste, noch einen Hinterhalt zu erleben. Bevor der Druide einen weiteren Zauber sprechen konnte, hatte ich meine Hand nach ihm ausgestreckt und etwas gemurmelt, worauf hin er sich schmerzhaft den Kopf hielt und keinen weiteren Zauber zu Stande brachte.
Das war ihm, seiner Reaktion zu urteilen, noch nie passiert. Er sah mich mit vor Schreck geweiteten Augen an und wollte gerade weglaufen, als ihn mein lilaner Strahl traf und ich ihn zu mir zurück riss, direkt in meine Klinge. Verachtend schob ich ihn von mir weg und kümmerte mich um die anderen Kämpfer. Einige waren von meinen Dienern bereits getötet worden, andere waren an der Seuche gestorben. Der klägliche Rest würde mir jetzt auch keine Probleme bereiten.
Als auch der letzte Krieger endlich den eisigen Boden erreichte sah ich in einiger Entfernung einen Reiter. So ein Feigling, dachte ich. Einfach zu fliehen, als sich dem Kampf zu stellen. Wie schwach, stellte ich fest.
Doch das kümmerte mich nicht weiter, da ich 1. Noch eine Mission hatte und 2. Der Meinung war, er würde meine Seuche und die Kälte hier nicht lange allein überleben. Wie unrecht ich doch hatte.

Nach diesem eigentlich unnötigen Kampf war ich mehr geschafft, als erwartet. Ich sah an mir herunter und auf die Wunden, die ich mir während des Kampfes zugezogen hatte. Äußerst lästig, aber wohl oder übel nicht vermeidbar. Unbekümmert ging ich weiter, nachdem meine Untoten wieder im Boden verschwunden waren.
Stunde um Stunde wanderte ich durch den Schnee und die Festung am Horizont kam immer näher.
Die Unterbrechung hatte mich einiges an Zeit und vor allem an Kraft gekostet.
Ich würde es definitiv nicht mehr an diesem Tag schaffen, die Zitadelle zu erreichen. Nun stand ich vor der Wahl, würde ich die Nacht hindurch weiterlaufen oder mir wie letzte Nacht einen Platz zum Ausruhen suchen.

Frostgarm hungertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt