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Draco

Der Zettel auf meinem Schreibtisch verrät mir, dass ich eine weitere schlaflose Nacht vor mir habe. Dämlicher Potter. Wenn der nicht wäre, hätte ich niemals geschwänzt, nicht ein mal so etwas beklopptes wie Pflege magischer Geschöpfe. Und jetzt steht mir auch noch eine Nacht lang Kesselputzen auf dem Astronomieturm mit Saint Potter bevor. Kesselputzen? Auf dem Astronomieturm?! Was hat sich der Alte denn da wieder für einen ausgemachten Schwachsinn überlegt?! Kurz überlege ich, einfach nicht hin zu gehen, doch das würde nur weitere Strafen nach sich ziehen und ich werde mir von Potter bestimmt nicht meinen guten Schnitt versauen lassen.

Kurz vor neun Uhr begebe ich mich also zum Astronomieturm. Die Tür zur Plattform steht offen und ich kann Potter schon von weitem sehen. Er sitzt halb mit dem Rücken zu mir auf dem Boden und wischt lustlos an einem Kessel herum. Seine Schuluniform hat er abgelegt und trägt stattdessen ein Flanellhemd, das ihm eigentlich viel zu groß ist. Bei diesem Anblick verfällt mein Hirn kurz in eine gay Panic, insbesondere wenn man die Gerüchte über Potter mit in Betracht zieht. Doch Gerüchte sind bei Weitem nicht immer wahr, vertreibe ich den Gedanken aus meinem Kopf. Außerdem reden wir hier von Potter. Dass mir solche Gedanken überhaupt erst kommen ist schon schlimm! Aus meiner Hosentasche hole ich eine flache, silberne Flasche hervor und setze sie an die Lippen. Der Feuerwhiskey brennt im Rachen, doch nüchtern würde ich das hier niemals überstehen. Ich hole noch ein mal tief Luft bevor ich den Raum betrete.

Beim Geräusch meiner Schritte schnellt Potters Kopf herum und er sieht mich mit großen Augen an. Dann schluckt er und murmelt "Malfoy." "Potter.", entgegne ich in einem ebenso wenig begeisterten Ton. "Kessel, Lappen, Putzmittel", erklärt er mir knapp mit jeweils einem Kopfnicken in die Richtung des jeweiligen Gegenstands. "Was denn, wir müssen sie per Hand putzen?!", stoße ich erschrocken aus, "Ohne Magie?!" Potter verdreht die Augen und scheint kurz davor, etwas zu entgegnen, verkneift es sich aber und starrt angestrengt auf seinen Kessel. Mit gespitzten Fingern angele ich mir einen der löchrigen Lappen und einen Kessel. Unbeholfen wische ich ihn ein paar mal ab, doch es ist keine Veränderung zu erkennen. "Der hier funktioniert nicht", nörgele ich genervt und schmeiße den Lappen auf den Boden. Potter sieht mich ein wenig belustigt an. "Der Lappen funktioniert nicht?" wiederholt er langsam und versucht, ein Lachen zu unterdrücken. "Ja!", entgegne ich entrüstet, "Hier!" Ich zeige ihm meinen noch immer schmutzigen Kessel. Potter sieht in meine verwirrten Augen und fängt plötzlich an, zu lachen. "Du hattest in deinem Leben noch nie einen Lappen in der Hand, was?", prustet er hervor. "Natürlich nicht!", antworte ich, "Wir haben Personal für sowas!" Verwirrt und etwas wütend sehe ich Potter zu, wie er versucht, sich wieder einzukriegen. Schließlich holt er ein letztes mal lachend tief Luft und sieht mich kopfschüttelnd an. "Sieh her", sagt er dann in einem ungewöhnlich freundlichen Ton, bevor er mir zeigt, wie man das Putzmittel auf den Lappen aufträgt und dann mit einem, wie mir scheint, unheimlichen physischen Aufwand den Kessel schrubbt. Entgeistert sehe ich ihn an. "Ich hasse mein Leben", stöhne ich dann mehr an mich selbst gerichtet, als an ihn. Potter stößt einen zustimmenden Laut aus und für eine Weile putzen wir stumm unsere Kessel.

Als sich eine Wolke vom Mond weg schiebt, wird unsere seltsame Szenerie in ein blasses Licht getaucht. Ohne, dass ich es verhindern kann, wandern meine Augen zu Potter. Er sitzt im Schneidersitz und hält den Kessen in seinem Schoß, während er angestrengt daran herum schrubbt. Immer wieder rutscht seine Brille ein wenig die Nase herunter, sodass er sie mit einem Finger, der gerade so aus dem Ärmel seines viel zu großen Hemdes heraus ragt, wieder hoch schieben muss. Er sieht aus, als würde ihn etwas beschäftigen. Seine Stirn liegt in kleinen Falten und er kaut auf seiner Lippe. Ich muss mir auf die Zunge beißen, um mich in die Realität zurück zu holen. Ich schüttele meinen Kopf ein wenig, um dieses Bild von Potter aus meinem Hirn zu vertreiben und starre wieder auf den Kessel vor mir, der langsam wirklich sauberer zu werden scheint.

Nach einer Weile höre ich wie Potter tief Luft holt und sich leise räuspert. Ich starre weiter angestrengt auf den Kessel in meinen Händen. "Also, ehm wegen gestern...", fängt Potter unbeholfen an. In meiner Brust krampft sich etwas zusammen. "Bei Merlins Bart", murmele ich mich wappnend und hole flink die Flasche wieder hervor. Ich nehme einen schnellen Schluck und will sie schon wieder weg packen, als sie mir plötzlich aus den Fingern gezogen wird. Entrüstet sehe ich Potter an, der sie mit zitternden Fingern schnell an die Lippen setzt und in einem Zug austrinkt. Jetzt muss ich mir ein Lachen verkneifen. Ich beobachte den Gryffindor, der auf den Boden sieht, als würde er mit sich selbst ringen, bevor er den Kopf hebt und Luft holt. "Es tut mir leid, okay?" Er sieht mir direkt in die Augen. Verwirrt versuche ich, zu erkennen, was sein Plan ist. Doch in seinen Augen kann ich keine Spur von Hinterhältigkeit entdecken. Ich sehe nur Angst und Scham. Er wendet das Gesicht von mir ab und fängt wieder an, wie manisch auf einer sowieso schon glänzenden Stelle an den Kessel herum zu schrubben. "Ich... Ich hätte das nicht sagen sollen", stammelt er mit zitternder Stimme. "Das.. das, dass du.. naja, ich sollte ja eigentlich wissen, dass Gerüchte nie stimmen und das war total bescheuert dass ich das gesagt habe, ausgerechnet ich, ich hab einfach nicht nachgedacht, weil ich so wütend war auf alles und jeden", er wird immer schneller und ich kann in seiner Stimme hören, wie sehr sein Herz klopft. "Seit Cedric...", seine Stimme erstickt. Sein Gesicht ist zum Großteil von seinen Haaren verdeckt, doch plötzlich sehe ich etwas auf den Kessel tropfen. Er weint. Völlig überfordert mit der Situation versuche ich, den Klos in meinem Hals hinunter zu schlucken. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ihm das so nah geht. Ich will etwas sagen, aber ich weis nicht was. Mir wird etwas warm und ich spüre, wie der Feuerwhiskey langsam seine Wirkung entfaltet. Ganz. Schlechter. Zeitpunkt. "Ich...", fange ich mit kratziger Stimme an, ohne zu wissen, was ich sagen will. "Ist schon okay. Ist es das was du hören willst?" ich sehe Potter an, dessen Gesicht noch immer von Harren verdeckt ist. "Ich hätte doch das selbe gemacht", schiebe ich etwas leiser hinterher. Kurz wischt sich Potter mit dem Ärmel seines Hemdes übers Gesicht, bevor er den Kopf wieder etwas hebt. "Hast du aber nicht", sagt er so leise, dass es fast schon ein Flüstern ist. "Stimmt", murmele ich fast schon lachend, "Hab ich nicht." Auch Potter muss ein wenig lachen, als er feststellt, wie wenig mir das ähnlich sieht. "Warum eigentlich nicht?", fragt er gerade heraus und sieht mir direkt ins Gesicht. Seine Augen sind glasig, was wahrscheinlich zum einen dem Weinen geschuldet ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Feuerwhiskey sein übriges dazu tut. "Naja...", beginne ich mit einer Mischung aus Traurigkeit, Angst und Alkohol (ja, definitiv ist der Alkohol der Ausschlag gebende Punkt), "Manche Gerüchte stimmen halt doch" Potters Augen werden immer größer als er verarbeitet, was ich gerade gesagt habe. In diesem Moment wird es auch mir klar und mit stockt der Atem. Habe ich gerade...? "Oh shit", zische ich, wütend auf mich selbst und springe so schnell auf, wie möglich und laufe zur Tür. Ich kann hier nicht bleiben. Ich habe gerade... Ich will gar nicht daran denken. "Malfoy", plötzlich packt etwas meinen Arm. Ich bleibe notgedrungen stehen und drehe mich um. Da steht Potter vor mir, in seinem viel zu großen Flanellhemd, mit seinen wirren, rabenschwarzen Haaren und seinen glasigen Augen. Seine Brille ist wieder seine Nase herunter gerutscht, doch er kümmert sich nicht darum, sie wieder hoch zu schieben. Ich sehe, dass er mit sich ringt, und bin kurz davor, mich loszureißen und abzuhauen, da schließt sich seine Hand noch fester um meinen Arm. "Stimmt", flüstert er mit wackeliger Stimme. "Manche Gerüchte stimmen halt doch." Ich brauche eine Sekunde, um zu verstehen, was er gesagt hat. Sprachlos sehe ich in diese funkelnden grünen Augen und in meiner Brust zieht sich etwas zusammen. Ich schlucke und versuche Luft zu holen, doch mein Hals ist wie zugeschnürt. Mit zitterigen Händen hole ich meinen Zauberstab hervor und lasse den Berg schmutziger Kessel hinter uns sauber werden, ohne den Blick von Potter abzuwenden. Dann ziehe ich meinen Arm aus seinem jetzt lockeren Griff und laufe davon.

- Pauline

Angst, Potter? - Träum weiter!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt