Randi
Hinter uns fiel die Tür ins Schloss, praktisch das Signal für Augustin meine Hand fallen zu lassen und durch die Wohnung zu rennen. Dabei ignorierte er gekonnt meine Mamá. Mit leerem Blick saß sie auf dem Sofa und schien unsere Anwesenheist nicht zu bemerken.
Ich lief zu ihr und setzte mich neben sie. Erst dann drehte sie langsam ihren Kopf in meine Richtung. Ihre großen mokkabraunen Augen wurden von roten Schatten umrahmt und ihr langes schwarzes Haar hing in Strähnen herab. Rote Stressflecken verteilten sich auf ihren Wangen und am Hals. Sie sah erbärmlich aus. Beinahe hätte ich nach ihrer Hand gegriffen, doch ich wollte mir nicht eingestehen dass ich sie schützen wollte, also straffte ich meinen Rücken und verengte meine Augen zu Schlitzen.„Ich kann nicht mehr Randi", hauchte sie kaum hörbar und blinzelte schnell. „Was kannst du nicht mehr?", fragte ich und bemerkte ihre zittrigen Hände mit denen sie fahrig ihre Tränen wegwischte. „Ich weiss einfach nicht mehr was ich tun soll?", schluchzte sie. Weitere Tränen verließen ihre Augen und hinterließen kleine helle Flecken auf ihrer Bluse. Ihr Blick schweifte von mir ab und erstarrte auf einer kleinen durchsichtigen Tüte auf dem Wohnzimmertisch. Ihr Körper schüttelte sich auf einmal und sie stieß einen heiseren Schrei aus.
„Mamá?"
Augustín war zu uns getreten, aufgeschreckt durch den Ausbruch unserer Mutter.
Sie antwortete nicht und begann stattdessen sich vor und zurück zu bewegen, als wolle sie sich selbst beruhigen.
„Mamá sag doch etwas!", bat mein Bruder sie und berührte zaghaft ihre Schulter. Sie nahm nicht die geringste Notiz von ihm. Verzweifelt sah er mich an.
„Sie ist nur erwas erschöpft von dem heutigen Tag", log ich und betrachtete eingehend meine Fußspitzen. „Sie wird sich gleich etwas ausruhen und morgen geht es ihr viel besser"
„Meinst du?", fragte Augustín zögernd und blickte zweifelnd zwischen mir und Mamá hin und her.„Ja klar mein Großer", presste ich hervor und blickte schnell auf um ihm ein kurzes Lächeln zu schenken. Es war keine oskarreife Darbietung, dich es reichte fürs erste. Augustín zog sich glücklicher Weise in sein Zimmer zurück.
„Was hast du getan?", schnaubte ich, meine Mutter regte sich nicht. Mit monotoner Stimme entgegnete sie mir nur: „Ich bin nicht stark genug"
„Was meinst du damit?", brüllte ich fast. Sie starrte nur weiter auf dieses Tütchen.
„Was ist das?"
„Eine Kleinigkeit"
„Eine Kleinigkeit Koks?", ich lachte ironisch. Von ihr kam keine Antwort.
„Mamá?!"
Keine Antwort.
„Mamá sag mir sofort was das ist!", forderte ich sie unruhig auf. Meine Stimme versagte und langsam erhob ich mich, wobei ich nach der Tüte griff. Die Überreste eines weißen Pulvers klebten noch am Rand.
„Das hast du nicht getan", brachte ich fassungslos hervor. Sie schluchzte.
„Du nimmst Drogen?", würgte ich hervor.
Mit einem Satz sprang sie auf und funkelte mich an. Hass spiegelte sich in ihrem Blick wieder. „Tu nicht so als wärst du anders! Randi der Heilige. Ja das hättest du wohl gerne. Du nimmst das Zeug doch auch. Und wer weiss was sonst noch alles. Wenn du die Nächte bei irgendwelchen kuriosen Bekanntschaften verbringst spielt ihr sicherlich nicht Mensch- ärgere- dich- nicht!", schrie sie aufbrausend.„Du hast Kinder! Dein jünhster Sohn ist gerade acht Jahre alt. Papá ist weg, du solltest wenigstens für Augustín eine Mutter sein, wenn du deine anderen Söhneschon fallen gelassen hast!", schrie ich mindestens genau so laut.
„Was weisst du schon", entgegnete sie, etwas leiser und setzte sich, diesmal vor das Sofa, auf den Boden.
„Ich bin bereit dir zu helfen! Ich will für Augustín da sein!", brüllte ich und grub meine Fingernägel so tief in meine Handinnenfläche dass es anfing zu bluten.„Er verdient es sorglos aufzuwachsen", versuchte ich es nochmal.
„Das stimmt"
Die Stimme meiner Mutter bestand nur noch aus einem flüstern. Kraftlos hob sie den Kopf und sah mich eindringlich an. „Deshalb sollte er nicht mit dir aufwachsen", hauchte sie.Mir war als stieße man tausend Messer in meinen Bauch, einschließlich meinen Brustkorb. Ich keuchte und beugte mich schleppend nach vorne um mich auf meinen Knien abstützen zu können. Eine einzelne Träne lief kalt an meiner Wange herab. Augustín ohne mich?
„Wie kannst du so etwas behaupten?", fragte ich fassungslos.
„Würde er dich so sehr interessieren wie du immer behauptest, würdest du die Nächte immer bei ihm verbringen"
„Dann müsste ich dich auch ertragen! Du wandelst seit Papás Tod durch die Gegend wie eine Leiche!", wimmerte ich.
„Was macht das schon?"
„Mamá du bist zu kaum etwas noch fähig. Ständig hören wir dich weinen und schimpfen. Dann bin ich es der Augustín ablenkt oder sogar schlimmer, ihn anlügt um ihm die heile Welt vorzuspielen"
„Und du denkst ich kann ihm diese heile Welt nicht bieten?"
„Nein"
„Nein?!"
„Nein!"
Wir schwiegen eine ganze Weile. Dann ergriff meine Mutter überraschend das Wort:
„Es wird besser sein"
„Was wird besser sein?", fragte ich irritiert und sah sie von der Seite an.
„Wenn du gehst"Ich streckte mich zu meiner vollen Größe auf und fuhr mit der Hand an meinem Bauch entlang. „Wohin soll ich bitte gehen? Zu einem meiner von dir verhassten Kifferfreunde? Zu deiner Information, ich könnte nicht einmal bei Joey bleiben. Sobald Mya dort wäre bräuchte ich extrem gute schalldichte Kopfhörer!", entgegnete ich mürrisch.
„Davon rede ich nicht", meinte meine Mutter und richtete sich im Sitzen ebenfalls etwas auf.
„Ich denke es wäre für uns alle besser wenn du für eine Weile das Land verlässt!", sprach sie mit einem Anflug von Bestimmtheit in ihrer Stimme.„Hä?!", fragte ich ungläubig. Hatte sie nun völlig den Verstand verloren? Keine Macht den Drogen!
Sie verlagerte ihre Sitzposition auf die Knie.
„Ja Randi. Ich habe bereits mit deinem Bruder telefoniert", sagte sie.
„Wann hast du mit Diego gesprochen?", stammelte ich ungläubig.
„Als du draußen warst. Er ist einverstanden dich auf kurze oder lange Sicht bei sich in seiner Wohnung aufzunehmen", redete sie weiter.
Fassungslos setzte ich mich auch auf den Boden. Mir war, als risse mich einer starker Wind von den Beinen. Gegenwind.„Ich soll also zu Diego?", stellte ich nach einer Weile frustriert fest. „Wo zum Teufel lebt der Kerl eigentlich?", stellte ich überrascht fest.
„Er ist in Deutschland. Dort arbeitet er in einem Restaurant", klärte sie mich auf. „Und was soll ich dann dort machen? Teller waschen?", grummelte ich. „Du machst die Schule zu ende und dann sehen wir weiter", meinte sie.
„Was ist mit dem Leben das ich hier habe? Soll ich das alles aufgeben damit du mich nicht mehr sehen musst?", schrie ich nun wieder.
„Es ist für Augustín. Glaub mir, damit tust du ihm einen Gefallen!"
„Einen Scheiss mache ich", fauchte ich angrifflustig.
„Keine Widerrede!", ihr Ton sprach Bände.
„Dein Flug geht bereits am Freitag. Diego kümmert sich um alles"
„Vielleicht kümmert er sich auch um dein kleines Drogenproblem", donnerte ich.
„Mein älterer Bruder hatte seine Gründe diese Familie zu verlassen. Einen Sohn hast du vergrault, den anderen schickst du weg. Wollen wir hoffen das du dich wenigstens um Augustín kümmern kannst. Eins sag ich dir, sollte ihm etwas zustoßen weil seine Mami bekifft war, bringe ich dich um!"Wutentbrannt stürmte ich aus dem Raum in mein Zimmer und wünschte mir sehnlichst meine Mutter wäre gemeinsam mit meinem Vater auf offener Straße erschossen worden.
_______________________________
Was haltet ihr von der Reaktion von Randis Mutter? 😿Ist es wirklich das Beste für den kleinen Augustín?Das war dann also das abschließende Kapitel für diese Lesenacht. Ich hoffe ihr habt mitgefiebert😺. Vielleicht werde ich bald wieder sowas machen, das hat nämlich echt Spaß gemacht. 🌈😻
Bis bald wieder,
Eure Kira🌹
DU LIEST GERADE
When Worlds Collide
RomanceAls Randi seine Heimat verlässt um bei seinem Bruder in Deutschland ganz neu anzufangen, trifft er auf die schüchterne Lene. Für Randi scheint sie ziemlich langweilig zu sein, bis er von ihrem dunklen Geheimnis erfährt. Bald stellen die beiden fest...