Vater und Sohn

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Pascal
Randi stand nur wenige Schritte vor mir, meine Lene trug er in seinen Armen und das von uns engagierte Kindermädchen presste sich schutzsuchend an seine Seite. Er erkannte mich sofort wieder, natürlich. Es war noch nicht allzu lange her, dass ich ihn an der Haltestelle abgepasst und nach Hause gefahren hatte. „Du bist also Pascal", realisierte er.

Am liebsten hätte ich diesem Ausländer sofort meine Lene aus den Armen entrissen. Sie gehörte ihm nicht, sie war einzig und allein mein Mädchen und es gefiel mir nicht im geringsten, dass er sie berührte.
In mir tobte ein Sturm, den ich verzweifelt zu beherrschen versuchte. Sie würden nicht entkommen.
„Das Tor öffnet sich erst, wenn ich auf den Knopf drücke", bemerkte ich triumphierend und hielt meine Hand mit der elektrischen Fernbedienung in die Höhe. Randis Blick war wie versteinert.

„Pascal, sie wird nichts verraten. Bitte lass uns gehen. Lene möchte nur frei sein", begann er auf mich einzureden. Als wäre ich verrückt!
„Was sollte sie bitte verraten? Ich will sie bei mirbehalten, sie ist meine Freundin", schrie ich nun haltlos, ohne jede Beherrschung. Meinen Kontrahenten schien es wenig zu beeindrucken. „Dein Vater hat sie eingesperrt damit sie nichts von euren krummen Geschäften erfährt. Er hat ihr weh getan!"
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Was redete er da?

„Meine Familie betreibt keine krummen Geschäfte! Wir sind ein angesehenes Unternehmen!"
Mein Zorn steigerte sich ins Unermessliche.
„Sie ist verletzt, das siehst du doch."
Ihr schlechter Zustand ist mir aufgefallen. Das kann nur an diesem Randi liegen. Mein Vater würde mir das niemals antun. Er weiss, was sie mir bedeutet.
„Lass uns gehen", beschwor Randi mich weiter.
„Wenn du sie wirklich liebst, musst du uns gehen lassen. Sie braucht dringend einen Arzt!"

Seine Stimme zitterte. Etwas in mir schrie auf. Konnte ich das zulassen, Randi einfach so mit meiner Lene entkommen zu lassen? Was, wenn sie wirklich Hilfe benötigte?
„So verletzt sieht sie nicht aus...", begann ich und erhielt einen schockierten Blick von Randi.
„Pascal, bitte! Jede Sekunde zählt. Wenn wir uns nicht beeilen, stirbt sie!"
Tränen strömten über sein Gesicht. Der große unerschütterliche Randi weinte. Um Lene?
Ich haderte mit mir selbst.
„Ich verspreche dir, sobald sie aus dem Krankenhaus zurück kommt, bringe ich sie zu dir!"

Er würde sie zu mir zurückbringen. Sie gehörte mir, das musste sich sogar Randi eingestehen. Ein Knopfdruck, dann öffnete sich das Tor und die drei verschwanden aus dem breiten Lichtkegel. Lene kommt zurück, schon sehr bald. Versonnen blieb ich noch auf dem Rasenplatz stehen.
Dann hörte ich ein kehliges Schnaufen hinter mir näher kommen. Verwundert drehte ich mich um und sah in das vor Anstrengung gerötete Gesicht meines Vaters.
„Was ist passiert?", wollte er sofort mit polternder Stimme wissen.

Kurz erklärte ich ihm die Situation und sofort begann er zu schreien. Mein Vater schmiss sich sogar auf den Boden und riss Teile des sauber eingesetzten Rasen heraus. „Du bist so dumm!", brüllte er und schlug mir ins Gesicht. Erschrocken berührte ich meine Wange. Eine Wunde blutete und färbte meine Hand dunkelrot. „Wie konntest du sie gehen lassen? Ich hätte dich schon früher einweisen lassen sollen. Du bist krank im Kopf!"

Seine Worte versetzten mir Stiche ins Herz, doch ihren Sinn verstand ich nicht wirklich. „Jemand wie du kann nicht mein Sohn sein!"
Seine Stimme überschlug sich fast und sein Kopf müsste bald platzen, so dunkel war es mittlerweile angelaufen.
„Ich werde mich selbst darum kümmern. Du bist für mich gestorben!"
Schweiss gebadet vor Angst sah ich zu, wie mein Vater nach seiner Pistole am Hosenbund griff, auf mich zielte und abdrückte.
Wie in Schockstarre sah ich in seine kalten Augen. Komisch, früher gaben sie mir eher einen Eindruck von Wärme. Die Schmerzen setzten erst später ein, als ich schon längst auf dem Boden zusammengebrochen war und Alec aufgebrochen war um Randi, Lene und María aufzuhalten. Hatte es jemals eine Verbindung zwischen mir und meinem Vater gegeben? Ich bezweifelte es nun. Das Flutlicht ging aus und ich blickte in einen dunklen Himmel voller Sterne. Wie schön das aussah. Als lockte mich dort oben etwas oder jemand.

Lene würde bald zurückkommen, dann würde ich ihr diesen wundervollen Himmel zeigen.

When Worlds CollideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt