Lenes Geheimnis

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Lene
„Schmeckt dir das Essen nicht?"
„Doch, es ist köstlich."
„Tatsächlich? Ich finde es furchtbar!"
„Ach wirklich?"
„Ja. Ich werde meinem Vater sagen, dass Ludmilla absolut unbegabt ist. Er wird sich darum kümmern."

Erschrocken verschluckte ich mich an dem Bissen, der sich eben noch in meinem Mund, nun in meinem Hals befand. Ich bekam kaum noch Luft und röchelte, während ich mich hilflos an die Tischkante klammerte. Wenn Pascals Vater sich um etwas kümmerte, zog das meistens einen Haufen Opfer mit sich.
Wie gerne hätte ich ihm Widersprochen, ihn an den Schultern gepackt und geschüttelt bis er schwieg. Doch es war zu gefährlich, sich Pascal und seiner Familiendynastie entgegen zu stellen.

Wir befanden uns im lichtdurchfluteten Speisesaal des Herrenhauses, welches Pascal als Einzelkind gemeinsam mit seinem Vater bewohnte. Jeder kannte ihn. Er war der Chef eines Plattenlabels, welches große Namen unter Vertrag hatte. Mit den von ihm produzierten Liedern scheffelte er jedes Jahr Millionen. Doch damit nicht genug: zusätzlich betrieb die Familie Kerr auch noch ein Drogenkartell mit mafiösen Zügen. Die Angestellten waren allesamt Familienmitglieder, korrupt oder so hilfsbedürftig das sie jegliche Arbeit verrichten würden. Selbst eine so undankbare wie die der armen Ludmilla. Zwischen all ihren schmutzigen Geschäften und Gräueltaten stand ich und wunderte mich wie ich hier mit reingezogen wurde. Wie komnte ich nur so blöd sein?

Der Speisesaal wirkte so luxeriös aber durch die hellen Farben, die zusammen sehr schön harmonierten, fühlte man sich gut aufgehoben.

Was ein Irrtum!

Ich war jetzt seit etwa einem halben Jahr mit Pascal zusammen. Alles zunächst total romantisch mit einem Meer aus Rosen. Er hatte versprochen, mir die Sterne vom Himmel zu schenken. Ich hatte ihm vertraut. Vielleicht war ich damals auch ein bisschen blind, denn Liebe setzt einem nunmal die rosarote Brille auf. In den ersten Wochen erlebten wir einige schöne Momente, doch mit der Zeit setzte Pascal seine Bedingungen durch. Mittlerweile steckte ich so tief in seinen Machenschaften mit drin, dass ich mich nicht aus eigenen Kräften befreien konnte.

Seine Regeln waren relativ simpel, dafür aber nur schwer zu verkraften: keine Partys, keine freizügigen Klamotten und mein Whatsapp wurde seither kontrolliert.
„Wann kann ich deine Freunde kennenlernen?", war ein Satz, der vorerst nicht mehr aus meinem Mund kommen würde. Schließlich könnte ich mich in einen dieser Freunde verlieben, es besteht eine potenzielle Gefahr.
Auch ich zog es vor, meine Freunde von Pascal fern zu halten, oder war es umgekehrt...?
Jedesmal wenn wir uns mit Benni, Elisa oder Merle trafen, behandelte Pascal sie wie Dreck. Alleine konnte ich auch nicht mit ihnen losziehen, denn mein Freund erlaubte es nicht.
Irgendwann wurden die Treffen weniger, und auch die Anfragen für Unternehmungen. Parallel dazu wurde ich immer einsamer und isolierter.

Pascal hatte das, was er immer wollte: die totale Kontrolle über mich. So, wie er auch sein ganzes Leben kontrollierte mit penibelster Genauigkeit.

So konnte ich auch diesmal nur zusehen, wie Ludmilla gefeuert wurde. Ihre Klamotten wurden einfach vor die Tür geworfen. So einen würdelosen Abschied hatte niemand verdient. Trotzdem hatte sie Glück. Die Köchin kam hier raus, ich nicht. Zu Hause fiel meine Abwesenheit auch nicht auf. Meine Mutter war fort, lebte ihr Leben irgendwo in einer sonnigen Gegend und mein Vater zerbrach daran. Entweder er saß totbetrunken im Wohnzimmer oder totbetrunken in einer Ausnüchterungszelle. Nichts davon zeugte von optimalen Familienverhältnissen.

Resigniert wandte ich den Blick ab, als Pascals Vater höchstpersönlich am Abend mit uns aß und von seinen „Geschäften" prahlte.
Die vielen unschuldigen Menschen, deren Leben durch die Familie Kerr komplett verändert wurde, waren nur die geringsten Opfer. Ekel breitete sich in mir aus, nach jedem Wort, das Alecs Lippen verließen.

When Worlds CollideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt