Die nervige Unterbrechung

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Lene
Dieser Typ! Ausgerechnet er! Und dann musste er sich unbedingt auf meinem Stuhl breitmachen. Wütend drückte ich die Kreide an die Tafel. Randi hatte meinen Vortrag unterbrochen. Wohin er auch kam, überall zettelte er nur Probleme an. Jetzt ist er also in meinem Kurs?
Die Kreide zerbrach.
Er schenkte mir ein arrogantes Lächeln. Hatte mein Schrei ihn denn gar nicht beeindruckt? Irgendwie musste man ihn doch aus der coolen Fassade herrauslocken können.
„Ist Schicksal, dass wir ständig aufeinander treffen", höhnte er und ließ sich demonstrativ auf meinen Stuhl fallen.
„Verzieh dich!", knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen und verengte meine Augen zu Schlitzen.
„Lene, bitte! Er ist noch neu hier. Nun mach ihm keine Szene!", versuchte Herr Friedrich zu schlichten.

Randi zwinkerte mir betont unschuldig zu und begann auf seinem Stuhl zu kippeln. Bitte fall um und brich dir das Genick, schoss es mir durch den Kopf.
Mit vor Wut verzerrtem Gesicht drehte ich mich wieder zur Tafel und atmete einmal tief ein. Die stickige Luft brannte in meiner Lunge- passend zu meiner Stimmung. Einfach den Vortrag zu Ende bringen, danach konnte ich Mordpläne schmieden. Mit einer geschickten Bewegung schnappte ich mir das abgebrochene Stück Kreide vom Boden, befreite es von Staubflusen und überlegte schnell, an welcher Stelle Randi mich so unhöflich unterbrochen hatte.

Ich öffnete den Mund um den Unterschied zwischen genetischer und effizienter Klimaklassifikation zu demonstrieren, als mir erneut das Wort abgeschnitten wurde. Diesmal von Emma, einer schönen blonden mit ellenlangen Beinen.
„Erzählst du uns von Argentinien?", qiekte sie mit glänzenden Augen, wobei sie Randi damit fast aufsaugte.
Hatte ich erwähnt wie nervtötend sie war? Beinahe so schlimm wie Randi selbst.

„Klar", sagte er lässig und verschränkte die Arme vor der Brust. Himmel, zeigte er uns allen gerade seine Armmuskeln?

Mann, die waren echt riesig. Wo lebte der Typ? Im Fitnessstudio?

Konzentration Lene! Randi ist ein aufgeblasener Dummkopf!

Sein Blick glitt einmal in die Runde, als würde er sicher gehen, dass auch jeder ihm zuhörte. Zu meinem Verdruss taten sie das auch. Genervt verdrehte ich die Augen. Das bedeutete wohl, mein Referat würde bis zur nächsten Stunde warten müssen. Ich zog den Stuhl des Lehrers am Pult zu mir und ließ mich darauf fallen. Dann mal hören was der Snob zu sagen hatte.

„Mein Land ist immer eine Reise wert. Schöne Häuser, gutes Essen, überall kann man Party machen"
Blablabla
„Ich wohne in einer großen Villa mit Blick aufs Meer. Natürlich haben wir auch einen eigenen Pool"
Blablabla
„Meine Eltern sind Geschäftsleute und immer unterwegs. Ich kann machen was ich will. Keine Kontrolle.
Blablabla
„Besonders den Mädels tat es Leid, dass ich das Land verlassen musste..."
Moment, WAS?!
Von der Seite sah Randi mich an und zog die Augenbrauen nach oben. Ich lief knallrot an. Mir doch egal was Randi mit den ganzen Mädels anstellte!
„Wieso bist du hergekommen?", fragte ich schnell um von meinem Tomatengesicht abzulenken.
Kaum merklich zuckte Randi zusammen. Hatte ich da etwa einen wunden Punkt getroffen?
Doch er ließ sich nichts anmerken.
„Mich langweilt mein Zuhause. Die gleichen Leute, die gleiche Stadt. Ich wollte mal was neues sehen", erklärte er.
„Ach, hat Mamis und Papis Privatjet dir nicht gereicht?", stichelte ich.
„Nein, aber wenn du Glück hast, nehme ich dich vielleicht mal mit auf einen Flug in die Karibik", konterte er und zwinkerte mich wieder an.

Bah!

Die Mädchen kicherten. Kaum zehn Minuten hier und schon würden sie auf seinen Wunsch hin sogar aus dem Fenster springen. Typisch.
Doch noch schlimmer verhielten sich die Jungs. Wie die Affen ahmten sie jede seiner Bewegungen war. Für sie war Randi wie ein Spiegel. Bewegte er sich, bewegten sie sich. Was erhofften sie sich von so einer billigen Kopie? Was zum Henker machte diesen Randi so besonders?
Die Wut in meinem Bauch brodelte weiter vor sich hin. Bald würde ich explodieren. Nur noch ein arrogantes Lächeln und ich-

Er wandte seinen Kopf mir zu. „Sabberst du gleich, Lena?"
Das wars!
So ein arrogantes Arschloch. Sieht nur sich und sein tolles Argentinien. Sollte er doch dorthin zurück gehen! Zu seinem schönen Buenos Aires, der tollen Villa und den Mädchen! Mir egal wohin er sich verdünnisierte, hauptsache er tat es.
Ich schwor mir innerlich mich von diesem Typen fern zu halten. Das galt nur meinem Selbstschutz. Immerhin würde ich lieber sterben als ein so reiches und verwöhntes Kind zu werden. Da war mir der Abgang meiner Mutter noch lieber.

Bevor ich noch weiter nachdenken konnte wie sehr ich Randi verachtete, klingelte es zur Pause. Der Kerl hatte ein unverschämtes Glück. Ich warf ihm noch einen letzten tödlichen Blick zu, stürmte an ihm vorbei zu meiner Tasche, warf alle Bücher achtlos hinein, schulterte sie und verließ so schnell ich nur konnte den Klassenraum.
Mein Referat würde ich in der nächsten Stunde halten und eine eins kassieren. Dafür würde ich sorgen! Von diesem Typen würde ich mir nicht das Einzige nehmen lassen, das mir noch übrig geblieben war. Mit guten Noten konnte ich meine Zukunft ganz nach meinen Wünschen gestalten. Dann würde es nur noch mich geben und Alien. Keine kaputte Familie mehr, kein Pascal und kein Randi!

Mit langen Schritten stolzierte ich zur Bushaltestelle und stieg kurze Zeit später in den Bus, der mich nach Hause bringen würde. Ich war so geladen, dass ich sogar ein kleines Kind von seinem Sitzplatz verscheuchte. Er huschte schnell weg und fing im hinteren Abschnitt leise zu weinen an.
Wieso hatte ich nicht auch diese Wirkung auf Randi?
Solange er hier war und so selbstsicher war alles und jeden in seinen lateinamerikanischen Bann zu ziehen, würde ich ihm das Leben zur Hölle machen!
Mit seinem Geld konnte er bestimmt ein paar Leute kaufen, doch mich nicht! Nein!

Entrüstet lehnte ich meinen Kopf gegen das Fenster. Die letzten Schüler trudelten langsam ein und quetschten sich zwischen die eng zusammengepferchten Fahrgäste. Dann donnerte es dumpf gegen meinen Kopf und ich stieß ein erschrockenes Quieken aus. Entsetzt sprang ich vom Fenster weg und blickte geradewegs in die grinsende Grimasse des Widerlings.
„Nicht einschlafen Lena", rief er durch die Scheibe. „Sonst klaut dir noch jemand deine Jungfräulichkeit", grölte er und klatschte begeistert über seinen eignen Witz in die Hände. Dabei lachte er so laut, dass sogar der Busfahrer im vorderen Teil sich umdrehte.
Auch die umstehenden Leute kicherten.
Jetzt würde er sein blaues Wunder erleben. Und zwar durch ein gewaltiges Veilchen!

Ich spritzte wie von der Tarantel gestochen aus meinem Sitz auf und schob mich zwischen den Leuten durch. Die standen da wie Kühe. Kurz bevor ich die Tür erreichen konnte, ging sie auch schon zu. „Nein!", schrie ich und hämmerte dagegen. Zu spät. Der Bus hatte sich schon in Bewegung gesetzt.
Ich drehte mich um und sah Randi an mir vorbei ziehen. Und noch etwas stach mir ins Auge: der kleine Junge, den ich verjagt hatte, saß wieder auf seinem Platz. Als er in mein ungläubiges Gesicht sah, streckte er kurz die Zunge raus und blickte mich herausfordernd an.
Mir klappte die Kinnlade herunter.
Das würdest du noch bereuen, Randi!

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