Lene
Mit lautem Brummen setzte sich der Bus hinter uns in Bewegung um weitere Schüler im nächsten Dorf abzusetzen. Schweigend liefen Randi und ich nebeneinander her, den Buckel hinauf. Die Stille zwischen uns war trügerisch, denn in meinem Kopf herrschte Chaos.
Randi würde zu mir nach Hause kommen! Verdammt, hatte ich überhaupt aufgeräumt? Wie würde er auf mein Zimmer reagieren? Oh mein Gott! Randi würde mein Zimmer betreten!Als könnte ich unsere Ankunft vermeiden lief ich instinktiv langsamer. Irritiert sah Randi mich von der Seite an, verlangsamerte letztendlich aber ebenfalls seinen Schritt. Peinlich berührt biss ich mir auf die Unterlippe. Er musste mich für die seltsamste Person der Galaxie halten- wobei er vielleicht sogar recht hatte...
Doch es nützte alles nichts. Natürlich sahen wir wenig später das dunkle Holz meines Zuhauses. Es führte kein Weg daran vorbei, außer in den Wald. Doch mit Randi würde ich noch weniger dorthin gehen wollen. Klar, ich vertraute ihm- mehr oder weniger- immerhin wusste ich fast alles über seine Herkunft, doch alleine in der Natur konnten animalische Instinkte ans Tageslicht treten!!!Ich blinzelte heftig.
Fahr mal einen Gang zurück, Lene!
Zittrig steckte ich den Schlüssel ins Schloß und es knackte. Dann sprang die Tür auf. Mit einer betont lässigen Geste gab ich Randi zu verstehen, dass er eintreten sollte.Vampire konnten ein Haus nur betreten, wenn sie eingeladen wurden dies zu tun. Wollte Randi ungestört meinen Körper blutleer saugen, hatte er jetzt die ideale Möglichkeit dazu.
Ach Quatsch, Randi ist doch kein Vampier, schalt ich mich gedanklich. Wobei, eine gewisse Ähnlichkeit mit Damon Salvator hatte er schon...
Oh mein Gott, hatte ich das gerade tatsächlich gedacht?!Unschlüssig lief ich hinter ihm den Flur entlang und zwang mich zur Ruhe. Neugierig betrachtete mein Gast diverse Fotos von meinem Vater, meiner Mutter, Alien und mir. Auffällig war, dass ich auf keinem der idyllischen Familienbilder älter als jugendlich war. Das lag am Mangel der Harmonie, in dieser Familie- oder sagen wir besser Wohngemeinschaft- die es uns nicht ermöglichte weitere Hochglanzbilder zu produzieren.
Himmel Herrgott, bald wäre der Flur zu Ende und wir stünden im Esszimmer. Dort wären wir praktisch zu einer Unterhaltung gezwungen.
Fieberhaft suchte ich in meinem Gehirn nach witzigen Anekdoten und geistreichen Bemerkungen, doch leider gehörte Smalltalk nie zu meinen Stärken.
Sanfte, dennoch hektische Tippelschritte unterbrachen meinen aufkeimenden Nervenzusammenbruch. Ehe ich mich noch weiter in eine Hysterie reinsteigern konnte, sah ich einen kleinen weißen Fellball aufgeregt an mir auf und ab springen. Hinzu kam eine kleine raue Zunge, die jeden Winkel meiner Hand bearbeitete.„Alien!", rief ich freudig und beugte mich gen Erde um meinen liebsten Freund ausgiebig zu streicheln. Der Cockerspaniel wuffte leise, was Randi wohl als eine Art Einladung auffasste, sich zu uns auf den Fußboden zu gesellen. Alien nahm die zusätzlichen Hände dankend an und rollte sich kurze Zeit später zufrieden auf den Rücken. Als ich aufsah erblickte ich Randis Grinsen, welches mindestens so breit war wie meines. Das Eis war gebrochen.
„Weißt du, ich hatte auch einen Hund in Argentinien. Einen Mischling, der mir einmal nach Hause gefolgt war."
„Wie heißt er denn?", fragte ich neugierig. Wir hatten uns inzwischen vom unbequemen Boden erhoben und waren ins Esszimmer geschlendert, wo Randi seinen Rucksack abstellte.
„Cookie!", rief er freudig. Ich brach daraufhin in schallendes Gelächter aus.
„Warum lachst du?", fragte Randi sichtlich beleidigt.
„Tut mir leid", gluckste ich „aber bei deinem Anblick glaubt man eher, du würdest einen Hund anders benennen. Vielleicht Fletscher oder Brutus. Irgendetwas brutales."Belustigt verschränkte Randi die Arme hinter dem Kopf. „Wie beschreibst du denn meinen Anblick?", überlegte er spottisch.
Augenblicklich wurde ich knallrot. Wie hypnotisiert starrte ich in seine dunklen Augen, dann glitt mein Blick hinab an seinem gottgleichen Körperbau. Wo hatte er nur diese Bauchmuskeln her? Als wäre mein stechender Blick nicht schon auffällig und peinlich genug, biss ich mir reflexartig auf die Unterlippe.
Viel zu spät kam ich wieder zur Besinnung. Ich würde meinen linken Fuß verwetten, Randi hatte Reaktion bemerkt.
Beschämt senkte ich den Blick, doch die Laute seines unterdrückten Lachens konnte ich leider nicht ausblenden.
„Pass auf, dass du nicht sabberst", blökte er und ein erneuter Schwall von Röte färbte mein Gesicht ganz unvorteilhaft.
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When Worlds Collide
RomanceAls Randi seine Heimat verlässt um bei seinem Bruder in Deutschland ganz neu anzufangen, trifft er auf die schüchterne Lene. Für Randi scheint sie ziemlich langweilig zu sein, bis er von ihrem dunklen Geheimnis erfährt. Bald stellen die beiden fest...