Eine folgenschwere Entscheidung

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Pascal
Ich machte ihr Angst. Sie konnte den Blick nicht von mir abwenden, saß wie erstarrt auf ihrem Stuhl. Sicherlich überlegte sie fieberhaft, wie sie dieser Situation entkommen könnte.
Arme kleine Blüte. Wenn sie nur wüsste, was ihr bevorstand.

Sie hatte sich gut gemacht. Ihre Haare waren lang gewachsen, dennoch wirkten sie ungekämmt und an den Spitzen brüchig. Außerdem hatte sie zugenommen. Natürlich war sie nicht dick, doch in unserer gemeinsamen Zeit war sie relativ knochig. Mir gefiel der gesunde Glanz ihrer Haut,ihre kurvige Hüfte, die sich deutlich in ihrem schlichten Outfit erkennen ließ. Mir war klar, dass sie sich absichtlich schlicht gekleidet hatte.
Cleveres Mädchen!
Auch meine kleinen Ausrutscher waren längst nicht mehr zu sehen. Jede noch so kleine Wunde war verheilt. Das gefiel mir. Mir war, als könnten wir ganz neu anfangen, die Vergangenheit vergessen!

Mein Blick blieb an ihrem Collier kleben. Ich wusste, es würde ihr stehen, selbst wenn man es durchaus als 'zu protzig' betiteln konnte, stand es doch in starkem Kontrast zu ihrer geringen Größe, ganz egal. Mir gefiel es. Mir gefiel sie.

Der Kellner kam und brachte eine schwarze, mit orientalischen Zeichen versehene Speisekarte. Die erste reichte er mit ausladender Handbewegung an Lene, die zweite ging an mich. Während ich schon dabei war die Karte aufzuschlagen, starrte Lene noch immer teilnahmslos zu mir.
„Eine Vorspeise?", versuchte ich sie zu ermutigen.
„Was soll ich hier, Pascal?", fragte sie stur.
Ich lachte nur leise.
„Also ein Fladenbrot mit Knoblauch als Vorspeise."
Sie schnaubte.
„Bitte, meine Liebe. Sei nicht unhöflich. Nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben haben, ist genug Zeit, die letzten Monate nachzuholen. Ich bin wirklich gespannt, was sich in der Zwischenzeit in deinem Leben abgespielt hat. Auch ich habe natürlich einiges zu erzählen."
„Darauf scheiss ich!", grummelte sie.
„Rede es dir schlecht, wenn du willst, aber das Essen hier ist vorzüglich."

Ich beobachtete, wie sie widerwillig die Karte aufschlug. Mit einem zaghaften Wink meiner Hand signalisierte ich dem Kellner, dass wir bereit wären für einen Wein.
Der Typ war abartig langsam. Wäre er einer meiner Angestellten, hätte ich ihn schon nach kürzester Zeit hochkant aus dem Haus geworfen.

Lene blätterte unschlüssig in der Karte herum, überlegte, was die möglichst geschickteste Auswahl wäre, ob es überhaupt Dinge gab, die ihr im Laufe des Abends einen Nachteil verschaffen könnten.
Sie wollte das Essen so schnell wie möglich hinter sich bringen. Ich ebenfalls.
Wieso sollte man auch an einem einzelnen Moment so entschieden festhalten, wenn die Zukunft noch so viel für einen bereit hielt.

Wir bestellten.
Hühnchen mit einer Auswahl verschiedenster Gewürze für mich und einen Mangosalat für Lene.
Bedeutsam nickte ich in Richtung der Weingläser.
„Lass uns auf einen schönen Abend anstoßen!", schlug ich feierlich vor.
Sie haderte mit meiner Aufforderung, gab sich geschlagen und griff nach dem Weinglas.
Wir prosteten uns gegenseitig zu, Lene hielt den Blick auf die dunkelrote Flüssigkeit gerichtet.
Bevor sie einen Schluck wagte, roch sie zaghaft am Inhalt der fein gearbeiteten Gläser.
Ich lächelte ihr zu. „Aber Lene, warum sollte ich dich vergiften wollen. Ich möchte mich mit dir nett unterhalten. Nimm einen Schluck!"

Sie gehorchte, doch ihre Blicke konnten töten.
Ich lächelte unbeirrt weiter. Sie würde verstehen. Sie musste verstehen.

„Also", begann ich die Konversation und versuchte in ihre schönen grünen Augen zu sehen. Sie wich aus.
„Was hast du die ganze Zeit so gemacht?"
Ich verschränkte meine Finger ineinander und beugte mich ein Stück über den Tisch um Lene meine volle Konzentration zu demonstrieren.
„Ich geh zur Schule."
„Und läuft es gut?"
„Jap."
„Was machst du nach dem Abi?"
„Keine Ahnung."

Sie sträubte sich, würde mir so wenig wie möglich Antworten um mir nicht zu viel zu verraten. Ich verstand, dass sie mir misstraute. Doch es gab eigentlich nichts, was sie mir vorenthalten konnte. Selbst aus dem Jugendknast heraus hatte ich sie beobachten lassen, sie eingängig studiert. Ich wusste absolut alles über sie, mehr als während unserer Beziehung.

When Worlds CollideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt