Erziehungsmaßnahmen

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Lene
Shit, wo war ich nur gelandet? Mein Kopf dröhnte und mir war seltsam übel. Mich fröstelte es, doch jede Bewegung schien unmöglich. Selbst das Atmen war ein absoluter Kraftakt. Ich hielt die Augen geschlossen und benötigte volle Konzentration um langsam zu blinzeln. Die kleinste Anstrengung meiner Muskeln führte zu einem Schweißausbruch, so sehr saugte es mir die Energie aus dem Leib. Dann geschah es: meine Lider öffneten sich zu einem winzigen Spalt, der ein schwaches Licht hereinließ. Unwillkürlich zuckte ich zusammen und bereute die schnelle Bewegung sofort. Ein Stich, als hätte man mir einen Pfeil frontal durch die Stirn geschossen, durchfuhr mich.

Doch ich musste unbedingt aufwachen! Beim nächsten Versuch öffnete ich meine Augen ein Stück weiter. Es dauerte eine Weile, doch nach und nach vergrößerte sich mein Sichtfeld, bis meine Augen zum Schluss vollends geöffnet waren. Sehr gut, dachte ich. Als nächstes musste ich meinen Körper aus der Starre befreien. Zunächst zuckten meine Finger nur ein wenig, doch langsam floss das Blut in meine tauben Glieder und nach jedem Versuch wurde ich aktiver. Mein Bemühen endete mit einem vorsichtigen Versuch, mich in eine sitzende Position zu bringen. Ich ächzte und stöhnte, doch es gelang mir.

Mir war, als stünde mein Kopf knapp vor der Explosion. Erschöpft rieb ich meine schmerzende Stirn. Als sich meine Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten, sah ich mich aufmerksam um. Kahle Wände, ein alter Teppich auf dem Boden. Unterhalb des kleinen Milchglasfensters stand ein schmaler Tisch und ein Stuhl. Ich drehte meinen Kopf in Zeitlupe nach links und rechts. Hier sah ich ein Waschbecken und auf der anderen Seite stand eine Pritsche. Nirgendwo eine Lampe. Gab es überhaupt einen Lichtschalter?
Tief durchatmen.
Meine Lungen brannten und ein fahler Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Stellen meines Körpers schmerzten, von deren Existenz ich bisher nicht einmal gewusste hatte.

Was war geschehen?
Nur vage erinnerte ich mich an das Treffen. An Pascal und sein diabolisches Lachen. Ich erinnerte mich an das muffige Restaurant, Teller voller bunter Speisen und die Drohung. Ich wollte fliehen. Weg von diesem Ort, weg von meinem Peiniger, doch ich war ihnen schutzlos ausgeliefert. Sie hatten mich wohl überwältigt. Chloroform? Schon möglich, es würde die Reaktion meines Schädels erklären.
Panik stieg in mir auf. Mein Schicksl lag in Pascals Hand. Ich gehörte wieder ganz alleine ihm, so hatte er es sich vorgestellt. Wie pervers.

Irgendwie musste ich mich beruhigen. Schon einmal war ich ihm entkommen und hatte mir zumindest für drei Jahre meine Freiheit erkämpft. Nun galt es einen kühlen Kopf zu bewahren. Motiviert verlagerte ich mein Gewicht auf die Seite und drehte mich ein Stück, bis ich meine Position in den Vierfüßlerstand geändert hatte. Die Schmerzen ignorierend schob ich ein Bein nach vorne und stand auf. Sofort begann ich zu wanken und wäre beinahe umgefallen, doch geistesgegenwärtig verbreiterte ich meinen Stand bis ich die Blance wiedergefunden hatte. Vorwärtsbewegen konnte ich mich nur mit kleinen Schritten, doch ich hatte ein Ziel vor Augen. Als ich sie erreichte, stützte ich mich gegen die Wand und tastete sie Zentimeter für Zentimeter ab. Irgendwo würde ich einen Lichtschalter finden, eine Tür, irgendwas!

Wild entschlossen arbeitete ich alle Seiten des dämmrigen Raums ab. Die kühle glatte Oberfläche veränderte ihre Struktur erst, als ich schon fast die Hoffnung verloren hatte. Meine Finger ertasteten eine raue hölzerne Schicht. Erleichtert sog ich die Luft ein und griff nach der Klinke. Dann die Enttäuschung. Abgeschlossen! Wie sollte es auch anders sein?

Ich begann mit den Fäusten auf die Tür einzuschlagen und schrie aus Leibeskräften. Jemand musste kommen und mir sagen was passiert war. Egal wer, wenn es sein musste, dann sogar Pascal.

Eine lange Zeit tat sich nichts. Kein Laut, außer meinen eigenen kehligen Schreien, war zu hören. Geschlagen, zog ich mich bereits zurück, doch dann hörte ich eine Tür in weiter Ferne, so als würde jemand einen Riegel aufschieben. Gespannt sah ich in Richtung meiner Tür, hoffte ein menschliches Gesicht zu erblicken. Schritte näherten sich meinem Gefängnis. Die Zeit stand still. Dann ein Schlüssel, der ins Schloss gesteckt wurde. Schemenhaft erkannte ich die Bewegung der Klinke, dann schwang die Tür auf, wie der Flügel eines gigantischen Adlers.

When Worlds CollideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt