Kapitel 22 - Geoutet

470 26 6
                                    

Dieses Kapitel setzt direkt an die Szene vom letzten Kapitel an

PoV Manu

Und die Worte kamen. "Ich hab mich dich irgendwie sowieso nie mit ner Frau zusammen vorstellen können." Ungläubig lächelnd sah ich meinen Opa dankbar an, welcher diese Worte gerade von sich gegeben hatte. "Bist du dir denn da sicher Manuel? Vielleicht ist es auch nur eine Phase, oder du hast die richtige für dich einfach noch nicht kennen gelernt." wandte meine Tante nicht sonderlich begeistert ein. Ich verdrehte die Augen. Sie war noch nie besonders offen oder tolerant gewesen. "Ach lass gut sein Silvia. Es ist ja schließlich seine Sache." versuchte mein Onkel seine Frau zu beschwichtigen. "Schon seit der Grundschule kein Intresse an Mädchen und Crushes auf Jungs zu haben, und sich zweimal in eine männliche Person zu verlieben hört sich nicht wirklich nach ner Phase an, oder?" herausfordernd sah ich sie direkt an. Sie jedoch, blieb stumm. "Ich bin auch Homosexuell. Hab's einfach nicht wirklich mit Männern." sagte meine Cousine plötzlich in die entstandene Stille hinein. Überrascht sah ich sie an. Damit hatte ich absolut nicht gerechnet. "Willkommen im Club." grinste ich, was sie nur mit einem Lachen quittierte. Ich hörte meine Tante irgendwas von dummen jugendlichen Phantasien murmeln, doch dass störte mich im Moment herzlich wenig. Der Fakt dass die allermeisten meiner Familie kein großes Problem damit zu haben, oder es zumindest zu akzeptieren schienen, erleichterte mich ungemein. Irgendwie war es ein komisches Gefühl, zu wissen dass ich jetzt offiziell als schwul geoutet war, aber es fühlte sich gut an, freier. Als wenn ich diesen Teil meiner Persönlichkeit jetzt nicht mehr verstecken müsste und nun komplett zu mir selbst stehen konnte. Ich selbst sein konnte. Es war belastend gewesen dieses Geheimnis so lange mit mir rumzutragen und es fühlte sich an als wäre mit meinem, zugegebenermaßen etwas ungeplantem, Outing eine riesige Last von mir abgefallen. Auch der missbilligende Blick meines Vaters, konnte dieses Gefühl nicht trüben. Irgendwann würde er lernen es zu akzeptieren. Er musste es ja nicht gut finden, nur akzeptieren wäre schön.
Die Stimmung am Tisch war nun ruhiger, keiner sprach mehr, alle schienen ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Hatte ich die Stimmung versaut mit meinem Outing? Irgendwie fühlte ich mich verantwortlich für die plötzliche Stille die fast schon dröhnend auf meinen Ohren lag. Vielleicht war es besser wenn ich jetzt ging. Ja. Es war eh schon 18:43 und draußen begann es zu dämmern. Ich aß die letzten Bissen meines Kuchens und stand von meinem Stuhl auf. "Okay, ich denke ich werde jetzt gehen. War schön heute. Danke für den Kuchen Mama." "Jederzeit." lächelte diese. "Komm gut nach Hause man, und pass auf dich auf." meinte Peter und umarmte mich. "Mach ich. Du auch." Auch Sebastian umarmte mich. "Mach's gut man." Ich lächelte und erwiederte seine Worte, bevor ich mich auch von den anderen verabschiedete und in Richtung Flur ging, wo ich mir Jacke und Mütze überzog und mit einem letzten "Tschüss" das Haus verließ. Fröstelnd lief ich durch die abendlichen, von Laternen erleuchteten Straßen von Essen bis ich an dem Mehrfamilienhaus ankam, in welchem sich meine Wohnung befand. Unterwegs hatte ich mir noch eine Flasche alkoholfreien Punsch gekauft, welchen ich gleich trinken würde. Mit vor Kälte zitternden Fingern schloss ich auf und stieg die Treppen bis zum 13 Stock hinauf. Oben angekommen verschnaufte ich kurz bevor ich meine Wohnung betrat. Ich streifte Schuhe, Jacke und Mütze ab und ging abschließend in die Küche wo ich einen Teil des Punsches in einem Topf erhitzte und dann in eine Tasse goss. Meine Hände an der Tasse wärmend setzte ich mich an den Küchentisch und schaute in mein dampfendes, rotes Getränk. Fast verbrannte ich mir die Zunge als ich einen Schluck nahm. Autsch. Palle hätte jetzt gelacht und irgendeinen dummen Spruch dazu abgelassen. Ach man. Wieso fanden meine Gedanken immer wieder den Weg zu ihm. Ich hatte sogar angefangen Fanvideos und Fanfiktions zum Thema Kürbistumor zu konsumieren. Richtig erbärmlich dass ich so tief gesunken war. Doch irgendwie half es mir mit dem Kontaktabbruch zu Palle wenigstens ein bisschen besser klar zu kommen. Denn in den Geschichten kamen Palle und ich zusammen, dort erwiederte er meine Gefühle. Doch das hier war keine verdammte Fanfiktion, es war die bittere Realität in der Palle in mir einen guten Freund sah, mehr nicht. Und selbst wenn er auch auf Männer stehen würde, wie hoch wären bitte meine Chancen dass er meine Gefühle erwiedern würde. Wie könnte man mich auch lieben. Vielleicht hatte ich es einfach nicht verdient geliebt zu werden. Tränen tropften von meiner Wange in meine Tasse, meine Augen waren feucht und fühlten sich heiß an. Mein ganzer Körper erzitterte von meinem Heulkrampf. Scheiße ey, so schlecht war es mir seit Tagen nicht mehr gegangen. Aus Versehen stieß ich mit meiner zitternden Hand die Tasse um und die heiße Flüssigkeit lief über meine Hände und durchnässte meine Hose. Die Hitze der Flüssigkeit brannte und tat weh auf meiner Haut. Na super, dass hatte gerade noch gefehlt. Deprimiert sackte ich in mir zusammen und eine Welle von Selbstmitleid überollte mich. Warum musste gerade ich in dieser bescheuerten Situation stecken. Warum gönnte mir dass Schicksal keine erwiederte Liebe. Ich wollte Palle. Wollte mich an seinen warmen Körper kuscheln, seine starken, tröstenden Arme um mich spüren. Tja, selber Schuld. Schließlich war ich es der den Kontaktabbruch angefangen und auch durchgezogen hatte. Eine Entscheidung, die ich inzwischen fast bereute. Traurig dachte ich an Katrin. Sie durfte mit Palle kuscheln, ihn küssen so oft sie wollte. Das würde ich nie können. Was würde er auch an mir finden können, ich war doch zu nichts gut. Nicht ansatzweise gut genug für ihn. Er verdiente es mit einer hübschen jungen Frau die er liebte zusammen zu sein. Und trotzdem schmerzte der Gedanke an die Beiden gemeinsam so sehr dass mir kurz der Atem wegblieb. Zu wissen wie glücklich er mit Katrin war, machte mich einfach nur fertig. Überollt von meinen Gefühlen versuchte ich mich auf meine Atmung zu konzentrieren um mich zu beruhigen. Die Technik hatte ich von meiner Therapeutin. Es half mir, wenigstens ettwas, aus dieser irrationalen Gedankenspirale raus zu kommen die mich in sich reinsog.

-----
Sende Manu eine Umarmung

Trust and Treason [Kürbistumor/Zomdado]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt