Epilog

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Vanessa

Nach drei Wochen...

Es war drei Wochen her, als ich von dem Tod meines Vaters erfahren hatte. Von da an hatte sich vieles verändert. Meine Mutter musste wieder arbeiten gehen, damit wir das Haus behalten konnten, ich unterstützte sie, indem ich Nachhilfe gab und Joint brachte auch seinen Teil dazu bei. Woher er das Geld nahm, wusste ich nicht, aber das war auch kein Wunder, da er fast nie da war und man kein vernünftiges Gespräch mit ihm führen konnte. Es brauchte einige Zeit bis ich verstanden hatte, dass es nur seine eigene Art war mit der Trauer umzugehen. Niemand sollte seine Gefühle erkennen, geschweige denn nur erahnen, also verschloss er sich allen gegenüber.

Vor ein paar Monaten konnte ich sein Verhalten gut nachvollziehen, hätte mich wahrscheinlich genauso benommen, doch jetzt wusste ich, dass ich jemanden an meiner Seite hatte, der mir zuhörte, der mich tröstete und der mich auch wieder zum Lachen brachte. Das war es, was im Leben zählte. Und dieser jemand strahlte mich jetzt mit seinen hellblauen Augen vom Fußballfeld aus an. Seine Mannschaft und er bestritten gerade ihr letztes Spiel der Saison und das konnte ich mir wirklich nicht entgehen lassen. Für sie sah es jedoch nicht gut aus. 2:0 lagen sie hinten und es schien nicht, dass sie die Tore noch aufholen konnten, doch so glücklich wie Niklas auf dem ganzen Gesicht strahlte, freute ich mich über jedes Ergebnis. Obwohl es gefühlt Minusgrade hatte, stand ich am Spielfeldrand und jubelte ihm zu. Mit von der Partie waren sein Bruder Markus und meine beste Freundin Lisa, die gleich, nachdem sie die schreckliche Nachricht gehört hatte, alles Stehen und Liegen gelassen hatte, und zu mir geflogen war. Sie hatte schon Erfahrung mit den Phasen der Trauer, und half mir ungemein durch meinen Schmerz hindurch.

„Wo ist eigentlich Joint? Spielt er gar nicht mehr mit?" Ihr blonder Zopf wippte bei jedem Wort auf und ab.

„Ich weiß es nicht." Ich zuckte mit den Schultern. Meinen Bruder verstand gerade wirklich niemand, nicht mal sein bester Freund, der gerade auf dem Feld sein Bestes gab. Immer wieder warf er mir verstohlene Blicke zu und ich konnte nicht anders, als verlegen zurück zu lächeln. Durch ihn hatte ich wieder mein Glück im Leben gefunden.

„Aber doch nicht wegen eurer Beziehung, oder?", erwiderte sie.

„Nein, damit hatte er sich mehr oder weniger abgefunden." Es blieb ihm ja auch nichts anderes übrig.

„Achso", sagte sie kurz angebunden, und wandte sich wieder dem Spiel zu.

„Sollte wohl jemand daran schuld sein?", fragte Markus sie amüsiert. Er spielte ebenfalls eine wichtige Rolle in meinem Leben. Als guter Zuhörer und ebenso guter Freund, war er unverzichtbar geworden. „Ich meine, ihr benehmt euch ziemlich schräg zusammen", sagte er weiter, und Lisa sah schockiert auf.

„Was redest du da? Das bildest du dir bloß ein!"

„Ich habe ein ziemlich gutes Liebespaarradar, und das schlägt eindeutig bei euch aus. Und wie!" Jetzt funkelte sie ihn böse an, doch er und ich konnten nicht mehr an uns halten und prusteten laut los. Er hatte wirklich ein gutes Gespür, was diese Dinge betraf, das musste ich ihm schon lassen.

„Ihr seid blöd, wisst ihr das?" sie zog beleidig eine Schnute. „Keine zehn Pferde würden mich zu diesem arroganten Mistkerl bringen", sagte sie aufgebracht. „Nichts für ungut", fügte sie an mich gerichtet hinzu.

„Er macht gerade eine schwere Phase durch. Das gibt sich schon wieder., versuchte ich ihn zu verteidigen. Der Einfachste war er wirklich nicht, aber wer war das schon von uns?

„Hm."

„Apropos schwere Phase", wandte Markus ein. „Soll ich dich heute wieder zur Therapie fahren?"

Ich schüttelte mit dem Kopf. „Niklas fährt mich. Aber danke." Das war noch so eine Sache, die sich verändert hatte. Mir war bewusst, dass ich in meinem Leben nicht einfach so weiter machen konnte, und als ich schwach wurde und die Versuchung nach Alkohol zu groß wurde, beschloss ich zu einer Therapeutin zu gehen. Und siehe da, es tat mir wirklich gut über meine Gedanken und Gefühle zu sprechen. Anfangs hatte ich meine Zweifel, doch jetzt nahm ich jeden Termin immer ernster. Zumal ich mich wirklich für Niklas bessern wollte, und dafür musste ich endlich mal den ersten Schritt machen. Joint konnte ich zwar noch nicht von einer Therapie überzeugen, doch was nicht war, konnte ja noch werden.

„Ihr könnt wirklich keine Sekunde die Finger voneinander lassen, oder?" Markus verdrehte gespielt die Augen. Darüber konnte ich nur lächeln, da Niklas geradewegs auf mich zu stürmte.

„Wenn man vom Teufel spricht." Hörte ich Lisa amüsiert sagen, doch dann waren die anderen auch schon ausgeblendet, als Niklas mich zu sich zog und einen Kuss auf meinen Mund hauchte.

„Ich bin in 10 Minuten bei dir!" Er beachtete die anderen gar nicht und gab mir dieses Mal einen intensiveren Kuss, der mich schwindeln ließ. Dann löste er sich von mir und sprintete in die Kabine.

„Das ist ja so eklig, dass es auch wieder süß ist." Lisa sah mich gespielt angeekelt an, doch ich wusste, dass sie sich für mich freute. Das sah man an ihren strahlenden grünen Augen.

„Ihr seid immer noch so verliebt." Markus legte den Arm um mich. „Das freut mich zu sehen, ehrlich."

Und wie verleibt ich war. Bei ihm zu sein, war einfach das beste Gefühl auf der Welt, das ich nie wieder missen wollte. Lachend schlang Lisa die Arme um uns, und wir drückten uns fest aneinander.

Endlich fühlte es sich so an, in meinem Leben angekommen zu sein.

Dark SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt