Kapitel 36

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Vanessa

Zitternd hielt ich mich an meiner Zimmertür fest, als ich Niklas letzte Nachricht las. Hatte er etwa mit Michelle geredet? Hatten sie sich wieder getroffen? Ich musste an die Worte meines Bruders denken. Nein. Ich wusste, dass Niklas ein netter Mensch war, im Gegensatz zu mir. Ich konnte mit meinen Taten nur verletzen. Doch die Erkenntnis, dass er den Deal mit Michelle herausgefunden hatte, riss ein riesiges Loch in meine Brust. Obwohl ich wusste, dass es besser so war, konnte ich den Schmerz kaum aushalten. Was hatte ich denn gedacht? Dass er mir freudig um den Hals fallen würde? Nein. Ich hatte es mir selbst eingebrockt. Jetzt musste ich auch damit klar kommen. Mein Körper jedoch wurde bei dem Gedanken von Qualen heimgesucht, die ich nicht unterdrücken konnte. Einige Tränen rannen mir die Wangen hinab. Ich steckte schon viel zu tief in meinen Gefühlen für ihn. Ich hatte mich von seinen Berührungen verleiten lassen, mich von seinen Worten einlullen lassen, bis ich mich wieder von ihm gelöst hätte, ohne Schaden anzurichten. Ich wollte jetzt nicht alleine in meinem dunklen Zimmer sitzen. Schnell drückte ich die Türklinge nach unten, mir war egal, wer mich hörte. Mit schnellen Schritten ging ich die Treppe hinunter und auf die Haustür zu. Ohne mich noch einmal umzudrehen, riss ich diese auf und trat in die kühle Abendluft hinaus. Ich brauchte jetzt meine beste Freundin. Sie würde mir sagen, was falsch oder richtig war.

Als ich mit brennenden Lungen vor dem kleinen Haus stehen blieb, konnte ich beinahe meine Füße nicht mehr spüren. Lisas Mutter öffnete mir mit einem freudigen Lächeln die Tür. Sie hatte die gleichen blonden Haare wie meine Freundin. Auch jetzt schauten mich dunkelgrüne Augen an, die mich so sehr an Lisas erinnerten.

„Hallo, Vanessa. Schön dich zu sehen!" Während sie sprach, trat sie einen Schritt zurück und ließ mich eintreten.

„Hallo." Ich nickte ihr kurz zu. Wieso nur war jede Mutter so nett und freundlich. Meine glich dagegen einem kalten Stein. So viel Emotionalität besaß sie.

„Du möchtest bestimmt zu Lisa, oder?"

„Ja, wenn das kein Problem ist."

„Aber was. Natürlich nicht, Vanessa." Sie zwinkerte mir zu und deutete mit dem Zeigefinger auf die Treppe. „Sie ist in ihrem Zimmer."

„Danke." Bevor ich noch etwas sagen musste, ging ich zu Lisa. Diese lag wie erschlagen auf ihrem Bett, und ich konnte nur ihren flachen Atem hören.

„Lisa?" flüsterte ich.

„Vani?" Sie setzte sich schnurstracks auf. „Was machst du denn hier? Ist etwas passiert?"

„Das Übliche." Ich winkte mit einer Hand ab, und ließ mich auf ihre Matratze plumpsen. „Wie geht's dir?" fragte ich sie besorgt. Sie musste einen ziemlichen Kater haben.

„Nicht so gut." Stöhnend ließ sie sich auf ihr Kissen fallen. „Meine Kopfschmerzen bringen mich noch um."

„Hast du schon eine Tablette genommen?"

„Ja, zwei sogar" sie lachte kurz auf, doch ich konnte nicht mit einstimmen. Meine Brust fühlte sich immer noch an als würde sie gleich zerreißen. Stille breitete sich zwischen uns aus. Daraufhin hörte ich es neben mir rascheln, und als ich mich zur Seite drehte, sah ich wie Lisa sich langsam neben mich setzte.

„Was ist los, Vani?"

„Nichts."

„Komm schon." Sie sah mich streng an. „Ich merke, wenn etwas nicht stimmt."

„Ich habe es mal wieder vermasselt."

Fragend sah sie mich an, ich atmete tief ein, sammelte meine letzte Selbstbeherrschung zusammen und sah ihr in die Augen. „Das mit Niklas."

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