Kapitel 31

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Niklas

Mitten in der Nacht wurde ich von einem lauten Geräusch geweckt. Verwirrt blinzelte ich in die Dunkelhaut. Nach einer Weile konnte ich meine Augen öffnen, und starrte auf den blinkenden Bildschirm meines Handys. Markus? Was wollte er denn um diese Uhrzeit von mir. Dann kam mir der Gedanken in den Sinn, dass er ja mit Vanessa und ihrer Freundin unterwegs war. Vielleicht war ja etwas passiert? Ohne weiter nachzudenken, nahm ich mein Handy in die Hand und drückte auf den grünen Hörer.

Noch bevor ich etwas sagen konnte, ertönte mir vom anderen Ende eine laute Musik entgegen.

„Markus?" Ich konnte mehrere Personen lachen hören. Dann wurde es schlagartig leiser und ich nahm die Stimme meines Bruders wahr.

„Nik?" Er schrie mich buchstäblich an.

Er wartete meine Antwort nicht ab und sprach einfach weiter. „Du musst her kommen!"

Jetzt setzte ich mich kerzengerade auf. „Was ist passiert?"

Doch Markus hörte mir gar nicht zu. „Wir sind in einer Kneipe namens Cats." Die Kneipe, die er mir nannte, war mir bekannt. Trotzdem wollte ich wissen, was mich dort erwartete.

„Ist bei euch alles Ok?" versuchte ich es ein weiteres Mal.

„Vani ist wirklich außer Rand und Band. Die Kleine mischt den Laden hier richtig auf!" Erst jetzt fiel mir seine undeutliche Sprache auf. Er war eindeutig betrunken. Als er Vanessa erwähnte, konnte ich den Schmerz in meiner Brust nicht unterdrücken. Verdammt. Sie hatte anscheinend gerade richtig Spaß.

„Aber Lisa, du die hats nicht gepackt! Hängt gerade über der Kloschüssel." Ich konzentrierte mich wieder auf seine Worte.

„Ich fahr gleich los." Mit dem Satz, stand ich auf und zog mich an.

„Danke! Du bist der beste Bruder der Welt!" Ich wollte schon etwas erwidern, da hatte er auch schon aufgelegt. Oh man, das konnte was werden.

Ich parkte am Gehsteig, und schwang mich kurzdarauf aus dem Wagen. Mir wummerte schon ein lauter Bass entgegen, da entdeckte ich Markus etwas abseits von der Tür. Schnurstracks ging ich auf ihn zu. Erst als ich näher kam, konnte ich seine rot leuchtenden Wangen erkennen.

„Hiiii, Nik." Er fiel mir stürmisch um den Hals. Er roch wie ein ganzes Fass voller Schnaps. „Vani und Lisa sind noch drinnen. Warte hier, ich hole sie schnell." Er verschwand torkelnd in der Kneipe. Während ich wartete, machte ich mich auf den Anblick von Vanessa gefasst. Mir war bewusst, dass ich es verbockt hatte, doch ich konnte auch nicht einfach meine Gefühle für sie ausschalten, nicht so wie sie. Nach zehn Minuten machte ich mich selbst auf den Weg nach ihnen. So wie Markus drauf war, musste er schauen, wie er sich auf den Beinen halten konnte. Da schaffte er es nicht auch noch, sich um zwei andere Betrunkene zu kümmern.

Im Inneren der Kneipe war die Hölle los, ich musste mich an vielen Menschen vorbeischieben, bis ich an der Bar angekommen war. Ich ließ meinen Blick durch den Raum gleiten und blieb bei meinem Bruder hängen, der wie ein Blöder rumzappelte. Schnell bahnte ich mir einen Weg zu ihm, und hielt ihn an der Schulter an.

„Ich dachte du suchst die anderen?!"

Kurz sah er mich erschrocken an, dann wie vom Blitz getroffen. „Achja!"

Dann machte er sich auf den Weg zu den Waschräumen, klopfte an die Tür der Damentoilette und lehnte sich nach einigen Minuten dagegen. Bevor er sich noch wehtun konnte, zog ich ihn zurück und hielt ihn aufrecht. Als die Tür aufschwang, konnte ich meinen Blick nicht von Vanessa abwenden, die ihre Freundin mit einem Arm um die Hüfte stützte. Bei ihr sahen die rötlichen Wangen, einfach nur berauschend hinreißend aus. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid, das an ihrem Oberschenkel ein Stück nach oben gerutscht war. Ich musste mich wirklich zusammen reisen, sie nicht mit offenen Mund anzugaffen. Sie schaute kurz verwundert auf, dann senkte sie den Blick aber genauso schnell wieder und setzte sich mit ihrer Freundin in Bewegung.

Ich selbst schleppte meinen Bruder an die frische Luft, der bei jedem Schritt gegen mich stieß.

„Wieso kannst du eigentlich noch so aufrecht gehen, Vani?" Er riss sich von mir los. „Du hast genauso viel getrunken wie wir. Wenn nicht sogar noch mehr."

„Du hast uns abgefüllt!" Lisa richtete sich langsam auf und schaute Vanessa schuldig an. „Wegen dir werde ich einen schrecklichen Kater haben!" Ihr böser Blick wechselte mit ihren Worten zu einem belustigten Lächeln. Dann kicherte sie einfach drauf los. Sie war echt dicht. Als wäre es der beste Witz aller Zeiten gewesen, stimmte mein kleiner Bruder in das Gelächter mit ein. Vanessa stand mit dem Rücken zu mir und ich konnte nicht sehen, ob sie ebenfalls lächelte. Wie gerne würde ich dieses süße Lächeln noch einmal sehen.

„Ich hole mal das Auto." Als ich schon losgehen wollte, hielt mich Lisa schwankend zurück.

„Du bist ein echter Arsch, Niklas! Weißt du das?" Ihr wütendes Funkeln verstärkte meine Schuldgefühle nur noch mehr.

„Was ist denn jetzt in dich gefahren?" „Lisa!" sprachen Markus und Vanessa gleichzeitig.

Doch Lisa ließ sich davon nicht beirren, mit der Hand schlug sie mir fest gegen die Brust. „Was fällt dir ein, meine beste Freundin so zu behandeln?!" Verwirrt schaute Markus uns an.

„Habe ich etwa was verpasst?"

„Nein, es ist alles in Ordnung." Beruhigte Vanessa Markus und griff nach ihrer Freundin, die mir immer noch böse Blicke zuwarf.

„Verletze meine Freundin noch einmal und du kriegst es mit mir zu tun!" Vanessa versuchte sie von mir zu zerren. Ihre Worte entsprachen der Wahrheit, egal wie ich es drehte.

„Diesen Fehler begehe ich nicht noch einmal. Das schwöre ich." Ich richtete meinen Blick auf Vanessa, die bei meinen Worten aufschaute. In ihren braunen Augen konnte ich Überraschung aufflackern sehen, dann Ungläubigkeit. Wie gerne würde ich sie hier und jetzt vom Gegenteil überzeugen. Doch das ging nicht. Erst musste ich mich um meinen Bruder und Lisa kümmern.

„Kann mir jemand mal sagen, was gerade abgeht?" Markus kam auf uns zu. Ich ignorierte ihn und holte schnell meinen Pickup. Ich hielt die Beifahrertür auf, während erst Markus, dann Lisa und zuletzt Vanessa einstieg. Mir war bewusst, dass sie den größtmöglichen Abstand zu mir gewählt hatte. Mist! Wie konnte ich es bloß wieder zwischen uns richten?

Als ich losfuhr, herrschte totale Stille im Auto. Wie sehr vermisste ich die Playlist von Vanessa, die sie immer wie selbstverständlich bei mir auflegte.

„Also, wen soll ich als Erstes nach Hause fahren?" fragte ich meine Begleiter.

„Meine Mutter killt mich, wenn ich betrunken nach Hause komme." Hörte ich Lisa nuscheln. „Kann ich bei dir knacken, Vani?"

Vanessa ließ sich Zeit mit der Antwort. „Ich denke nicht, dass das so eine gute Idee..."

„Ihr könnt mit zu uns." Mein Bruder sprühte nur so voller Elan. „Wir haben genügend Platz!"

„Vani?" Lisa drehte sich zu ihrer Freundin um.

Diesmal dauerte es länger, bis sie etwas darauf erwiderte. „Na gut. Es ist ja nur eine Nacht."

Ich war derjenige, der sie unwohl fühlen ließ und das verdoppelte meinen Schmerz augenblicklich.

„Super!" Markus ahnte nichts von der Auseinandersetzung zwischen Vanessa, Joint und mir und lächelte mich zufrieden an. Die ganze Heimfahrt machte ich mir Gedanken darüber, warum Vanessa nicht nach Hause wollte. Nur zu gern wollte ich sie direkt danach fragen, doch sie wirkte so distanziert, dass ich es wahrscheinlich mit der Frage noch verschlimmern würde.

Wie sollte ich nur ein Auge zu machen können, wenn Vanessa unmittelbar in der Nähe war und doch nicht erreichbar?

Dark SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt