Niklas stoppte mitten in seiner Bewegung und starrte mich ungläubig an, als hätte er mich nicht richtig verstanden. Doch das hatte er. Ich liebte ihn! Ich hatte nichts als die Wahrheit gesagt. Ich blickte zu ihm auf, da senkte er schnell den Kopf und kratzte sich verlegen daran. Mist. Ich hätte es behutsamer sagen können, und nicht vor meinem Bruder. Da fiel mir Markus auf, der mich ebenfalls überrascht musterte. Aber jetzt war es schon zu spät, ich hatte es laut ausgesprochen, bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte. Meine Brust zog sich zusammen, als ich eine Regung von Niklas wahrnahm. Seine hellblauen Augen, in die ich mich so wahnsinnig verschossen hatte, fixierten mich jetzt. Ohne ein Wort schüttelte er den Kopf. Glaubte er mir etwa nicht? Dabei meinte ich es ernst. Er wollte schon auf mich zu kommen, da stellte sich mein großer Bruder in den Weg.
„Kann ich dich mal unter vier Augen sprechen?" Sein Gesichtsausdruck zeigte nichts als Düsternis. „Bitte?!", sagte er ungeduldig, nachdem ich ihm nicht gleich geantwortet hatte.
Niks Blick huschte zwischen uns hin und her. Oh Mann, diese blauen Augen brachten mich wirklich aus der Fassung.
„Natürlich, wir gehen nebenan", meinte Markus und ging auf Niklas zu. Dieser jedoch starrte mich immer noch ungläubig an. Was sollte ich denn jetzt tun, damit er mir glaubte?
„Komm schon, Nik." Er griff nach seinem Arm, ließ sich jedoch nicht bewegen. Ein kurzer Blick auf Joint sagte mir, dass seine Geduld bald am Ende war, dabei wollte ich eine erneute Auseinandersetzung zwischen den beiden unbedingt vermeiden. In meinem Leben gab es einfach schon zu viel Streit.
„Bitte, Niklas", wandte ich mich leise an ihn. Und tatsächlich, er gab eine Reaktion von sich. Seine Augen weiteten sich noch mehr, der verletzte Ausdruck darin war nicht zu übersehen. Doch anstatt etwas zu erwidern, ließ er sich von Markus aus der Küche ziehen. Als er an mir vorbei marschierte schloss ich schnell die Augen, damit ich ihn nicht noch am Gehen hinderte.
„Bist du jetzt etwa von allen guten Geistern verlassen?" Ich konnte mich noch nicht mal richtig sammeln, da legte Joint auch schon los. „Du liebst ihn?" In seinem Gesicht spiegelten sich so viele Gefühle wider, dass ich mich für keines davon entscheiden konnte. Wut? Enttäuschung? Zweifel? Ungläubigkeit? Verständnis?
„Ja, das tue ich." Ich sah ihm fest in die Augen.
„Was? Wie kannst du dir da so sicher sein? Ich meine ihr kennt euch doch gar nicht richtig!" Seine Haare standen ihm steil vom Kopf ab, und verliehen ihm ein irres Aussehen.
„Doch tuen wir, ich kenne ihn genauso gut wie du." Er schüttelte den Kopf. „Wenn nicht sogar besser", fügte ich leise hinzu.
„Pff." Machte er abfällig und stierte mich mit einem bösen Blick an. Doch damit konnte er mich nicht einschüchtern, ich war mir noch nie einer Sache so sicher gewesen. „Und wenn schon? Ich liebe ihn ja deswegen auch nicht!" Aufgebracht machte er einen Schritt zurück. „Mensch, Vani. Liebe?! Weißt du überhaupt was das ist?", fragte er aufgebracht und fuchtelte dabei wild mit den Armen herum.
Er ließ mich gar nicht zu Wort kommen. „Ihr seid so verschieden, habt gar keine Gemeinsamkeiten. Wie kann das denn bitte funktionieren?" Und da fiel bei mir der Groschen. Er war noch schlimmer als ich. Neben der Tatsache, dass er nur schwer seine Gefühle zeigen konnte, hatte er nicht ein bisschen die Vorstellung davon, was Liebe sein konnte. Woher auch? Meine Eltern waren nicht gerade bekannt für ihre liebevolle Ader, und sonst bekam er nicht viel, was auch in die Nähe von Zuneigung ging. Ich hatte durch Niklas einen Vorgeschmack davon bekommen und konnte schließlich nicht mehr genug davon kriegen. Doch Joint wechselte die Frauen so oft wie seine Unterhosen, und bekam das Beste vom Leben überhaupt nicht mit. Das stimmte mich so traurig, dass ich nicht anders konnte, als ihn, trotz seiner barschen Worte in meine Arme zu ziehen.
Im ersten Moment sträubte er sich dagegen und versteifte sich automatisch.
„Was soll das werden, Vani?", fragte er gereizt, doch ich drückte nur noch fester zu. Dann atmete er frustriert aus, kapitulierte und entspannte sich etwas. „Ich will doch nur, dass du nicht wieder verletzt wirst, ok?", flüsterte er mir ins Ohr. Das waren wahrscheinlich die ehrlichsten Worte, die ich heute aus seinem Mund gehört hatte.
„Du kennst Niklas, das würde er nie machen", sagte ich und ließ ihn los. Seine dunklen Augen schauten mich so traurig an, dass ich unbedingt wollte, dass er diese Beziehung akzeptierte. Er war doch immerhin noch mein Bruder. „Ich liebe ihn wirklich, Georg. Er ist das Wichtigste in meinem Leben und ich würde mich freuen, wenn du das eines Tages akzeptieren könntest."
Sein Blick wurde wieder hart. „Wenn er dir wehtun sollte, dann kann ich für nichts garantieren!" Glücklich fiel ich ihm um den Hals. Das war mehr als ich erwartet hatte.
„Danke!"
Nachdem ich wieder von ihm abgelassen hatte, zuckte er gleichgültig mit den Schultern, als würde es ihn nicht weiter interessieren. Doch in seinen Augen konnte ich die Bedenken erkennen, die mein Geständnis in ihm ausgelöst hatten. „Aber knutscht ja nie wieder in meiner Anwesenheit rum, verstanden?", er verzog angewidert das Gesicht, doch ich nickte ihm eifrig zu. Das war seine Art mir ein Stück weit entgegen zu kommen, auch wenn es ein winzig kleiner war, freute ich mich riesig darüber. Den Rest würden wir auch noch schaffen.
„Und du, zieh dir gefälligst was über." Er sah streng über meine Schultern hinweg. „Das ist ja kaum auszuhalten." Noch bevor ich mich umgedreht hatte, spürte ich Niklas Anwesenheit im Raum.
„Deiner Schwester gefällt es aber." Der friedliche Ausdruck in Joints Gesicht war schlagartig verschwunden.
„Noch zu früh?", hörte ich Niklas leise lachen.
„Hm." Brummte mein Bruder und verdrehte genervt die Augen. „Ich komme später noch mal vorbei und bringe dir ein paar Klamotten, in Ordnung?" Niklas ignorierte er vollkommen, als dieser hinter mich trat und eine Hand auf meine Schulter legte.
„Danke!" Ich war in diesem Moment so glücklich, dass ich nichts anderes tat, als zu lächeln. Er hatte sich für mich zurück gehalten, das würde ich ihm niemals vergessen.
„Na, dann." Er ging auf die Tür zu.
„Soll ich dich nach Hause fahren?", fragte Niklas, doch mein Bruder schüttelte gleich darauf den Kopf.
„Nicht nötig.", sagte er kühl und ich spürte wie Nik bei seiner Kälte in der Stimme zuckte. Joint wollte sich schon abwenden, da blickte er doch noch mal auf, hatte es sich scheinbar anders überlegt. Obwohl sein Gesicht immer noch keine Gefühle zeigte, war seiner Stimme anzuhören, dass er es ernst meinte. „Aber, danke", brummte er und wandte den Blick hastig ab.
„Kein Problem, das tun doch Freunde füreinander." Niklas Griff hatte sich deutlich gelockert. Wahrscheinlich war er genauso froh über Joints Nachgeben wie ich.
Er zögerte etwas, doch dann schmunzelte er kurz über diese Bemerkung. „Hm. Wahrscheinlich", gab er wieder von sich und zog die Tür auf. Dass er nicht auf ihn losgegangen war, zeigte wirklich, dass er sich bemühte, uns beide zusammen zu akzeptieren.
Die Haustür schlug zu, und im gleichen Augenblick zog mich Niklas an seine Brust. Obwohl er kein Shirt anhatte, strahlte er so eine Wärme aus, dass ich mich automatisch an ihn kuschelte. Seine Lippen waren dicht an meinem Ohr und ließen mich erschaudern.
„Sagst du es bitte noch einmal?" Sein heißer Atem streichelte mich liebevoll und hinterließ eine wohlige Gänsehaut.
„Wovon sprichst du?" fragte ich, obwohl ich wusste, was er meinte. Über meine Bemerkung hörte ich sein leises Lachen, im nächsten Moment jedoch biss er mir spielerisch ins Ohrläppchen, woraufhin ich auf quiekte.
„Du weißt genau was ich meine."
„Ich wusste von Anfang an, dass ihr füreinander geschaffen seid." Markus holte uns abrupt aus unserer eigenen Welt.
Seufzend ließ mich Niklas los. „Du hast wirklich ein Talent zu stören."
Markus lachte laut auf und schlenderte mit einem lässigen Grinsen an uns vorbei. „Dafür lieben mich alle", entgegnete er mit einem Zwinkern in meine Richtung.
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Dark Secrets
Novela Juvenil~ wohin du auch gehst, geh mit deinem Herzen ~ Bevor er etwas erwidern konnte, streckte ich ihm meine Hand entgegen. „Komm mit unter den Regen." Was passiert, wenn du dich Hals über Kopf in den besten Freund deines Bruders verliebst? Vanessa Schwa...