Kapitel 12

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Ich bemerkte gar nicht, dass ich schon wieder in der Gegenwart war. Glücklicherweise stand der Baum noch genau da wo er vorher auch stand. Auch die Leute guckten noch genauso verdutzt wie in der Vergangenheit. Genau wie meine Stimmung war alles unverändert. Nach einiger Zeit auf dem moosigen, nassen Boden des Stadtparks, hörte ich immer schneller werdende, panische Schritte auf mich zukommen. Ich sah nichts da mein Gesicht immer noch in meinen klebrigen Händen, die meine Beine fest umschlungen hatten, vergruben war. „Gwendolyn! Gwen! Oh Gott! Da bist du ja!“, rief eine männliche Stimme. Oh nein, es war Gideon. Ich wischte mir über mein tränennasses Gesicht, in der Hoffnung, nicht ganz so verheult auszusehen. Andererseits durfte er ruhig sehen, was er angerichtet hatte. Er kam näher und kniete sich gegenüber von mir auf die Erde. „Jage mir bitte nie wieder so einen Schrecken ein. Ich hatte Todesangst um dich! Gott, Gwen! Dein Bein! Was ist passiert?“ „Geh weg...“, schnupfte ich. „Das kannst du vergessen. Gwen, ich werde dich nicht alleine lassen. Ich mache so einen Fehler nicht. Nicht noch einmal. Trotz allen Währ versuchen, konnte ich mich gegen Gideon nicht durchsetzen. Er trug mich zurück zur Loge, wo ich voller Sorge erwartet wurde, und legte mich auf einen Tisch mitten im Drachensaal. Ich spürte die Blicke. Sie standen um den Tisch herum, alle waren da: Falk, Dr. White, Mr. George, Grace, sogar Charlotte und Leslie. Charlottes Gesichtsausdruck war noch ziemlich genauso wie ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, völlig entsetzt und ahnungslos. Gideon saß an meinen Füßen auf dem Tisch und dokterte an meinem Bein herum. Bei dem stundenlangen weinen hatte ich mein schmerzendes Bein völlig vergessen, es war bestimmt gebrochen. Zumindest sah es ziemlich fies aus. Als ich mich perplex und von der ganzen Situation total gestresst und verunsichert umschaute, hatte sich Dr. White in Bewegung gesetzt. Er pfriemelte an einer kleinen Kanüle herum. Dann kam er auf mich zu und wollte mir diese sehr wahrscheinlich in den Arm rammen, doch dazu kam es nicht, denn ich fing schlagartig an zu kreischen, zu weinen und mit meinen Armen und Beinen herumzufuchteln. Dabei trat ich Gideon mitten ins Gesicht. Er wimmerte leise auf, blieb aber äußerlich hart und unverletzbar. Ich wusste nicht was mit mir los war, warum ich so ausrastete oder was mich geritten hatte. Es war so als würde sich mein Äußeres ein Schutzschild aufbauen und ich konnte in meinen Gedanken über alles nachdenken. Außen und innen waren völlig voneinander getrennt, als würde alles da draußen in Zeitlupe ablaufen damit ich genug Zeit habe über alles nachzudenken. Das letzte, was ich nach einem leicht steckenden Schmerz an meinem Arm noch von der Außenwelt mitbekam, waren die besorgten und aufgeregten Stimmen der anderen, die mich fassungslos anstarrten.

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