Ein kalter Wind blies mir meine Haare ins Gesicht. Mit zitternden Händen strich ich sie wieder zurück und zog den dunkelblauen Schal enger. Ich war definitiv zu dünn angezogen. Zwar herrschte noch nicht Winter, allerdings waren die Temperaturen in den letzten Tagen des öfteren scharf an der Null Grad Grenze entlang geschrammt.
Zwei Möven landeten ein paar Meter vor mir und sahen mich neugierig an. Sie hofften wohl auf etwas Essbares, aber ich musste sie enttäuschen. Sie blieben noch eine Weile und wackelten dann weiter den Pier runter auf der Suche nach Jemanden, der Möven mehr zu schätzen wusste als ich.
Mein Blick glitt über die raue See.
Wellen krachten gegen die graue Hafenmauer und ich spürte bei jedem Zusammenstoß kalte Gischt in meinem Gesicht. Ungeduldig kniff ich die Augen zusammen und blickte weiter auf das Meer hinaus. In der Ferne konnte ich die kleine Insel erkennen. Sie war wirklich ziemlich klein, wie ich bei meiner Recherche mit Google Maps feststellen musste.
Im Westen lag der Hafen, von da zog sich die Stadt ungefähr bis zur Mitte der Insel. Im Norden gab es nur noch vereinzelt Häuser. Und im Osten lag die Stadtmitte. Hier lag das Rathaus, welches auch gleichzeitig die Polizeistation beherbergte. Gegenüber davon befand sich ein großer Platz der vermutlich für Märkte genutzt werden konnte. Es gab ein paar Läden die den Platz einschlossen, und scheinbar war das auch die einzige Einkaufsmöglichkeiten auf dieser Insel. Und am Rand der Häuseransammlung lag die Schule. Dahinter nur grau-blaues Gras und ein kleiner Wald.
Mein Handy brummte in meiner Tasche. Hektisch kramte ich darin herum bis ich das Handy herauszog und abnahm.
"Schätzchen? Bist du schon angekommen?" Meine Mum klang nervös. Das wunderte mich nicht. Sie wollte nur dass das alles schnell vorbei sein würde. Ehrlich gesagt ging es mir genauso. Obwohl meine Mum bestimmt schon unglaublich erleichtert wäre wenn ich endlich auf dieser verdammten Insel wäre.
Ich schob ein paar Haarsträhnen zurück und konzentrierte meinen Blick auf die Insel, welche noch leicht von Nebel umgeben war.
"Nein, Mum. Ich steh' noch am Anleger. Die Fähre kommt bestimmt bald. Mach dir keine Sorge. Ich schaff das schon, okay?" Mum fand das wohl überhaupt nicht okay. Ich hörte wie sie ungeduldig herumlief. Ihre hohen Schuhe klickten auf dem Boden wie Pistolenschüsse.
"Aber du solltest doch schon längst auf der Insel sein! Verdammt Zoey!" Sie holte tief Luft und sprach dann leiser weiter, als würde uns jemand belauschen.
"Du weißt wie wichtig das ist, dass du auf dieser Insel bist, oder? Und wir haben nur eine Chance. Wenn dich jemand erkennt, müssen wir uns etwas Anderes einfallen lassen. Und ehrlich gesagt habe ich zur Zeit besseres zu tun." War ja klar! Ich sollte mich bloß still verhalten, damit meine Mum nur keinen Stress wegen mir hat. Ich ballte die Fäuste in meiner Jackentasche und lockerte sie wieder.
"Ja-ha. Weiß ich Mum. Aber durchs Wünschen kommt die Fähre auch nicht schneller."
"Na schön. Dann pass auf und wenn was ist, dann ruf mich sofort an."
"Okay Mum und was ist mit.." Aufgelegt.
Wütend stopfte ich mein Handy wieder zurück in die Tasche und hob den Blick.
Endlich! Ich sah das schmutzige blau der Fähre, die langsam um die Westseite der Insel fuhr und dann auf den Anleger zusteuerte.
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Gejagt
RomanceZoeys Familie zerbricht gerade. Sie steht zwischen den Fronten und es wird noch schlimmer, als ihre Eltern sie auf eine kleine Insel schicken und sie dort alleine zurecht kommen muss. Natürlich ist alles nur zu ihrem Besten... Aber dann trifft Zoey...