14. Kapitel

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Die nächsten Tage passierte nichts Ungewöhnliches oder besonders Spannendes. Ich hatte seit vier Tagen nicht mehr mit meiner Mum telefoniert oder eine Nachricht von meiner Familie erhalten.

Die meiste Zeit hockte ich in Nathalias Haus, weil die Schule wieder anfing und Sienna und Alec den ganzen Tag beschäftig waren. Und Nathalia fuhr nicht besonders oft in die Stadt um mich mit zunehmen.

Also versuchte ich mir die Zeit damit zu vertreiben, dass ich dem Haus ein bisschen rumstöberte und mir alte Bilder ansah.

Davon gab es reichlich. Und nicht nur an den Wänden entdeckte ich Fotos. Als ich auf dem Dachboden ein bisschen aufräumte entdeckte ich ca. fünf Kisten, prall gefüllt mit Fotos oder Fotoalben.

Nathalia war wirklich schon fast überall auf der Welt gewesen.

Und ich konnte immer noch nicht verstehen, wieso sie nicht einfach irgendwo anders auf der Welt geblieben ist, anstatt hier auf dieser Insel zu hocken.

Als das Wochenende wieder anfing, rief mich Sienna an und fragte ob wir zusammen auf das Festland fahren wollten. Sofort hellte sich meine Laune auf, die in den letzten Tagen sehr sehr tief in den Keller gesunken war.

Aber als ich dann Nathalia fragte, sagte sie sehr entschieden Nein.

"Die Gefahr dass dich jemand sieht, ist viel zu hoch. Und deine Mutter würde das auch nicht wollen."

"Meine Mum kümmert sich überhaupt nicht darum, was ich mache! Sie muss es doch nicht erfahren."

"Wird sie aber, wenn es durch die Presse geht."

"Nathalia komm schon! Ich bin auch wirklich vorsichtig!"

"Nein! Du kannst nicht vorsichtig genug sein. Und wenn du wirklich vorsichtig sein willst, dann bleib auf der Insel."

Gefrustet erzählte ich Sienna, dass ich nicht durfte, konnte ihr aber nicht wirklich erklären wieso ich nicht konnte.

"Ach, dann fahren wir nur in die Stadt. Ist ja auch schön."

Also trafen wir uns gegen Mittag in der Stadt und bummelte ein bisschen durch die kleinen Gassen.

Zwei Stunden später saßen wie auf der Kaimauer und beobachteten das Meer. Heute war es ziemlich ruhig. Man konnte das Festland in der Ferne ausmachen und irgendwann auch die Fähre.

Als sie immer näher kam stand Sienna auf.

"Wenn wir jetzt gehen, wird das Nathalia überhaut nicht merken." ich sah sie zweifelnd an. Wenn mich wirklich jemand sah, würde das ziemlich Ärger bedeuten.

"Wir bleiben ja auch nicht lange. Nur eine halbe Stunde oder so." sie grinste mich hoffnungsvoll an.

Ich seufzte.

Ach scheiß drauf!

"Okay!" Sienna schrie auf und zog mich zu dem Fähranleger.

Die Fahrt über verbrachte wir auf dem unteren Deck und ließen uns den Wind entgegen wehen. Es war so herrlich befreiend an der Reling zu stehen und zu der Insel zurück zu blicken, die immer kleiner wurde und bald ganz im dunstigen Nebel verschwand.

Langsam tauchte der Hafen auf. Es standen nur eine Handvoll Leute am Wasser und warteten mit drei Autos auf die Fähre.

Eine große, schlanke Frau stach mir sofort ins Auge. Sie hatte schulterlange, blonde Haare und trug eine dunkle Hose mit einer weißen Bluse und einer Jeansblauen Jacke. Sie passte überhaupt nicht in die kleine Gruppe Menschen, mit ihren hohen weißen Pumps und der dunklen Sonnenbrille.

Nachdenklich folgte ich Sienna vom Schiff. Als ich an ihr vorbei ging, hatte ich das gruselige Gefühl dass sie mich noch weiter beobachtete. Ich hörte ein Klicken.

Meine Nerven waren so angespannt, dass ich mich sofort umdrehte.

Ein großer Fehler..

Obwohl es vermutlich kein großen Unterschied gemacht hatte, dass ich mich an dem Moment umgedreht hatte oder später der Frau auf der Insel noch einmal begegnet wäre.

Und als ich am Abend ins Bett ging, wünschte ich, ich hätte nie einen Fuß auf diese Fähre gesetzt...

GejagtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt