Ich ging wieder zurück in die Küche. Mittlerweile verströmte der riesige Kochtopf ein warmes Aroma nach Essen. Nathalia schnippelte irgendetwas Grünes und warf es dann in den Topf.
"Und alles klar?" fragte sie und drehte sich kurz zu mir um. Ich seufzte.
"Mein Papa hat sich nach Europa abgesetzt. Wahrscheinlich kann ich bald wieder nach Hause." Nathalia nickte leicht.
"Tut mir Leid das deine Familie zur Zeit so zerrissen ist. Aber vielleicht wird es danach besser als es vorher war. Glaub mir. Manchmal müssen wir schwere Entscheidungen treffen damit es uns danach besser geht."
"Ich hatte aber nie die Chance selber eine Entscheidung zu treffen! Das hat alles meine Mum gemacht. Ich konnte nie etwas dazu sagen. Oder wenn, dann hat sie mir nicht zu gehört."
"Das hat deine Mutter nicht gemacht um dich zu ärgern, Zoey. Sie ist deine Mum. Erwachsene müssen manchmal Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Um die zu beschützen. Das hat deine Mum auch gemacht. Du solltest ihr nicht so böse sein. Vielleicht rufst du sie morgen noch einmal an. Dann könnt ihr in Ruhe reden."
"Meiner Mum würde nichts für mich tun! Wenn ihr Ruf in Gefahr ist denkt sie nur an sich. Das merke ich jetzt seit sechzehn Jahren."
"Ich kenne deine Mutter jetzt auch schon ein paar Jahre. Ich weiß dass sie manchmal etwas.. Seltsam handelt, aber im Grunde ist sie eine gute Frau. Sie wollte immer das ihr eine glückliche Familie seit. Und sie liebt dich wirklich, Zoey. Das hat sie schon immer. Ich weiß noch wie sie mich angerufen hat nachdem du geboren wurdest. Sie war überglücklich, dass sie dich hatte. Und das hat sich all die Jahre auch nicht geändert." Ich sah sie zweifelnd an.
"Ich glaube nicht dass sie grad von meiner Mum reden." Nathalia lächelte. Wow!
"Du wirst es verstehen. Bald. Oder in ein paar Jahren." Auf einmal sah sie traurig aus. Nachdenklich drehte sie sich um und rührte im Topf. Mein Blick glitt über die Wände.
"Leben Sie schon immer hier?"
"Sag doch "du", Zoey. Und ja. Ich wurde hier geboren. Zwar nicht in diesem Haus, das habe ich vor etwa zehn Jahren gekauft, aber in der kleinen Stadt. Zwischendurch bin ich viel gereist. Das hat mir schon immer viel Spaß gemacht, aber in letzter Zeit bin ich zu alt dafür geworden." Sie drehte sich um, setzte sich mir gegenüber und betrachtete ebenfalls die Bilder. Ich sah kurz zu ihr hinüber. So alt wirkte sie überhaupt nicht auf mich.
"Das sind echt beeindruckenden Bilder. Ich habe oben auch ein Fotoalbum gefunden." Sie nickte nachdenklich.
"Ja, ich habe früher als freiberufliche Fotografin gearbeitet. Das war eine tolle Zeit! Um die ganze Welt bin ich gereist." Ich lächelte sie an. Sie schien aufzutauen, als sie anfing über ihre Vergangenheit zu erzählen. Einige Menschen würden sofort die Schotten dicht machen, wenn man sie etwas Persönliches fragen würde. Bei Nathalia war es nicht so. Obwohl sie im ersten Moment wie eine sehr verschlossene Frau auf mich gewirkt hatte. Wie man sich in Menschen täuschen konnte...
"Wieso bist du wieder zurück auf die Insel gekommen? Ich mein.. wenn ich die Wahl zwischen irgendeinem Ort auf der Welt und der Insel hätte, wurde ich sofort woanders hinziehen." Nathalia betrachtete noch eine Weile die Bilder bis sie wieder sprach.
"Die Vergangenheit lässt dich nicht immer los. Manchmal kann man nicht einfach gerade aus schauen und alles hinter sich lassen. Eigentlich hast du Recht. Mich hat theoretisch nichts auf der Insel gehalten. Meine Eltern sind früh gestorben und Geschwister hatte ich nie. Meine Freunde hatte ich in den verschiedenen Ländern der Welt. Aber die Insel war doch meine Heimat. Es ist schwer zu erklären." Sie stand wieder auf und ging zum Herd. "Genug von mir. Was hast du noch so gemacht, bevor ich dich abgeholt habe? Schon Freunde gefunden?" Ich dachte an Zac und Jayden. Freunde waren es nicht wirklich. Wobei ich bei Zac auch sehr froh dadrüber war.
"Ich hab nicht viel gemacht. Wenn es nach meiner Mutter ging, hätte ich die ganze Zeit nur im Hotelzimmer gehockt." Ich schnaubte. "Ich hab mir ein bisschen die Stadt angeguckt. Und ich war auf einer Party am Abend bevor du mich abgeholt hast." Nathalia lächelte schwach.
"Deswegen sahst du so übermüdet aus! Naja du bist jung. Deine Mutter sollte das nicht so eng sehen. Hier wird dich so schnell niemand finden." Sie trug den Topf zum Esstisch an dem ich saß. Dann holte sie Teller, Besteck und Tassen heraus und stellte alles hin. "Ich fahre morgen zu einer Freundin, wenn du willst kann ich dich mitnehmen. Du könntest mal ein bisschen was anderes sehen als mein bescheidenes Haus. Und abends gibt es ein Footballspiel der Highschool." Ich sah sie nicht sehr überzeugt an.
"Ein Highschool Footballspiel? Klingt ja cool." Sarkastisch löffelte ich Suppe auf meinen Teller. Es roch ziemlich lecker, im Gegensatz zu dem äußeren Erscheinungsbild der Suppe..
"Die Mannschaft ist sehr gut. Und es ist mal eine Abwechslung für dich."
"Gegen wen spielen die denn? Hier in der Nähe gibt es doch keine anderen Highschools."
"Doch, auf den Nachbarinseln gibt es noch zwei." Sie fing an zu essen. Nachdenklich fing ich auch an.
Ich dachte an Jayden. Jayden...
"Noch Suppe?" Nathalia riss mich aus meinen Tagträumen.
"Äh.. Nein danke, war sehr lecker."
Ich half ihr beim Abwaschen und ging danach hoch in mein Zimmer. Nathalia hatte sich nach unten vor den Kamin gesetzt und las in einem dicken Buch.
Nachdem ich meinen Schlafanzug angezogen und mir die Zähne geputzt hatte schaltete ich das Licht in dem Zimmer aus und schlüpfte unter die dicke Decke.
Ich brauchte seeehr lange um einzuschlafen. Das rauschende Meer und der pfeifende Wind hielten mich die halbe Nacht wach. Nach dem es vollständig dunkel wurde, schien der riesige Mond taghell in den Raum und warf langgezogene, gruselige Schatten auf die Wände.
Außerdem musste ich immer wieder an Jayden denken. Und wenn ich nicht an diesen super gutaussehenden Typen denken musste, dann dachte ich an meine Mum und meinen Dad der jetzt wahrscheinlich in Europa in der Sonne saß, mit seiner neuen blutjungen Freundin und meine Mutter und mich zu vergessen versuchte..
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Gejagt
RomanceZoeys Familie zerbricht gerade. Sie steht zwischen den Fronten und es wird noch schlimmer, als ihre Eltern sie auf eine kleine Insel schicken und sie dort alleine zurecht kommen muss. Natürlich ist alles nur zu ihrem Besten... Aber dann trifft Zoey...