Am nächsten Morgen spürte ich ein schmerzendes Stechen hinter meinen Schläfen. Müde rappelte ich mich auf und schlürfte ins Badezimmer.
Da ich es gestern nicht mehr geschafft hatte mich abzuschminken, hatte sich die Schminke quer über mein Gesicht verteilt. Ich sah ein bisschen wie ein Zebra aus. Lustlos wischte ich über mein Gesicht und verteilte noch ein bisschen Wimpertusche über meiner rechten Wange.
Ich duschte zuerst eiskalt um wach zu werden und zog mich dann um. Während ich mich dezent schminkte klopfte es laut an der Tür. Erschrocken zog ich den Kajal über meine Wange. Leise fluchend wischte ich den Strich weg und ging dann zur Tür.
Vor der Tür stand eine große, dunkelhaarige Frau. Sie sah mich ernst an.
"Hallo?" fragte ich verwirrt.
"Ich bin Nathalia Wilden." sagte die Frau und sah mit hochgezogenen Augenbraue an mir vorbei in das Zimmer. "Eine Freundin deiner Mutter. Ich soll dich abholen."
"Ach so." ich betrachtete sie genauer. Nett sah sie nicht aus. "Dann pack ich mal meine Sachen zusammen."
"Mach das." sie verschränkte die Arme und sah mich erwartungsvoll an. Seufzend drehte ich mich um und sammelte meine Kleidung zusammen.
Als ich mit meinem gepackten Koffer aus dem Zimmer kam schnalzte sie die Zunge. "Na endlich!" sie drehte sich auf dem Absatz um und ging schnellen Schrittes den Gang hinunter.
Hastig eilte ich ihr nach. Erst vor dem Hotel holte ich sie ein.
"Bist du aus dem Hotel gegangen?" fragte sie und sah mich scharf an.
"Ja. Ist das schlimm?"
"Hat deine Mutter dir nicht gesagt du sollst in deinem Zimmer bleiben?"
"Ich mag es nicht wenn mich jemand herum kommandiert." ich sah ihr fest in die Augen. Ihre Mundwinkel zuckten leicht.
"Schön. Ich auch nicht! Ich denke wir werden uns verstehen. Komm mit!" sie marschierte über den Platz und ließ mich zunächst vollkommen verwirrt stehen. Was war denn auf einmal los? Verwundert schüttelte ich den Kopf und lief ihr nach.
Sie war bereits in einen dunkelblauen Kombi gestiegen und nahm meine Taschen entgegen.
"Mein Haus liegt im Süden der Insel. Direkt an den Klippen. Sehr schöner Ausblick, aber pass auf wenn du da spazieren gehst. Ist schon mal vorgekommen, dass Wanderer abgestürzt sind." sie zuckte mit den Schultern und startete dann den Wagen. Ich schluckte. Das würde ja heiter werden!
Nachdem wir aus der Stadt heraus gefahren waren, wurde die Landschaft deutlich karger. Es wuchsen nur noch kleine Sträucher und vereinzelt kleine Bäume. Die Straße verwandelte sich in einen Schotterweg und bei jedem Schlagloch (von denen es immer mehr wurden, je weiter wir fuhren) hüpfte ich auf meinem Sitz hoch.
Das Haus von Nathalia Wilden war blau gestrichen und hatte ein mit Moos überwachsenes, graues Dach. Es stand tatsächlich nur ein paar Meter entfernt von den Klippen. Als wir ausstiegen bließ uns ein harscher Wind entgegen. Ich spürte die kalte, feine Gischt in meinem Gesicht und beeilte mich meine Taschen zum Haus zu tragen.
Nathalia war mir dabei keine Hilfe. Sie war bereits zum Haus gegangen und schloss die Tür auf.
Drinnen war es angenehm warm. Ein großer Kamin im Wohnzimmer verströmte Wärme im ganzen Haus. Nathalia war in die Küche, direkt rechts von der Tür gegangen und bereitete einen Tee vor.
"Oben ist dein Zimmer. Es ist das erste auf der linken Seite." rief sie mir zu. "Schau dich ruhig schon einmal um." Also wuchtete ich meine Taschen die knarrende Holztreppe hoch und öffnete die erste Tür auf der linken Seite.
Die Wände waren eisblau gestrichen und alle Möbel im Zimmer waren weiß. Mir wurde sofort wieder kalt bei dem Anblick des Zimmers.
An der rechten Wand stand ein großes Bett mit dunkelblauer Bettwäsche. Dadrüber hing ein gemaltes Bild vom Meer. Auf der linken Seite stand eine Kommode und unter dem Fenster ein Schreibtisch. Ich stellte meinen Koffer vor das Bett und legte meine Tasche dadrauf.
"Tee ist fertig!" rief Nathalia von unten. Ich beeilte mich aus dem Zimmer zu kommen. Nicht das es nicht schön eingerichtet war.. Es war wirklich nett, bloß wusste ich vom ersten Augenblick an, dass ich mich in dem Zimmer nicht wohlfühlen würde.
Nathalia saß im Wohnzimmer in einem großen, flaschengrünen Ohrensessel. Vor ihr, auf einem kleinen Tisch, standen zwei Tassen mit Tee. Ich setzte mich ihr gegenüber auf ein braunes Sofa. Es war erstaunlich weich. Ich lehnte mich zurück und sah aus einem der großen Fenster auf das Meer.
"Wir bekommen noch Sturm." sagte Nathalia als sie ebenfalls aus dem Fenster sah. Ich sah sie skeptisch an. Zwar war das Meer sehr unruhig aber der Himmel war strahlend blau.
"Die Vögel kommen vom Meer auf die Insel. Und spätestens in einer halben Stunde wirst du auch die dunklen Wolken sehen."
"Aha." ich nahm mir eine Tasse und probierte. Sofort verbrannte ich mir meine Zunge. "Verdammt!" murmelte ich und stellte die Tasse wieder zurück. Nathalia lächelte. Naja, es war mehr ein Zucken in ihren Mundwinkeln, aber ich denke bei ihr zählte so etwas auch als Lächeln.
"Ich muss noch einmal in die Stadt fahren. Ich habe etwas vergessen. Du kannst in Ruhe auspacken und dich ein bisschen umsehen. Aber geh am besten jetzt nicht mehr raus. Bei Sturm ist es hier sehr gefährlich!" sie stand auf und ging in den Flur.
"Bis später!" rief sie und die Tür knallte zu.
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Gejagt
RomanceZoeys Familie zerbricht gerade. Sie steht zwischen den Fronten und es wird noch schlimmer, als ihre Eltern sie auf eine kleine Insel schicken und sie dort alleine zurecht kommen muss. Natürlich ist alles nur zu ihrem Besten... Aber dann trifft Zoey...