Raus!

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"Gibst du mir mein Geld freiwillig oder muss ich es mir holen?" Ich bekam ein bisschen Angst, denn er war größer und eindeutig stärker als ich. "Ich hab dein Geld nicht." Meine Stimme klang viel zu hoch und irgendwie piepsig. "Was soll das heißen, du hast mein Geld nicht? Du hast über den halben Marktplatz geschrien, dass du es hast." Er sah ziemlich wütend aus und ich war mir nicht mehr so sicher ob meine Idee gut war. "Ich hab nur geblufft. Weil du so fies warst. Außerdem ist es nicht meine Schuld, dass du vergessen hast wie du deinen Geldbeutel auf den Tresen gelegt hast." Ich wollte zerknirscht aussehen, doch da fiel mir ein, dass er doch eigentlich gegangen war. "Warum bist du überhaupt hier? Du bist doch gegangen, oder?" Er grinste überheblich und erwiderte: "Tja für einen Dieb bist du ganz schön unvorsichtig wenn du dich unbeobachtet fühlst. Ich hab auf der anderen Seite des Tores gewartet und bin dir gefolgt. Hier waren nur wenige Leute und deshalb dachte ich mir, dass ich mir hier mein Geld zurück hole. Aber wie es scheint hast du es nicht." 

Ich sah ihn sprachlos an. Ich wusste wie schwer es sein konnte hier unbemerkt zu bleiben. "Dein Geld hab ich wirklich nicht. Bitte glaub mir. Du kannst es ja holen gehen, aber ich muss zurück. Meine Mutter schimpft sonst oder sie macht sich Sorgen. Also Tschüss." Er war ein kleines Stück zurück gegangen und ich nutzte meine Chance sofort. Ich hörte ihn schreien und wieder verfolgte er mich. Doch dieses Mal war ich schlauer und rannte einige Umwege. Ich lief durch kleine Gassen, durch Hinterhöfe und über die kleinen Plätze die überall im Slum verteilt waren. Als ich zu Hause ankam war ich mir sicher, dass ich ihn abgehängt hatte. 

"Warum rennst du? Wurdest du erwischt? Ich habe doch hundert mal gesagt du sollst nicht stehlen, wir schaffen es auch so." Mutter wirkte ziemlich gestresst als ich unsere Hütte betrat. "Nein Mutter, ich wurde nicht erwischt. Aber ich hab dir eine Kartoffel und zwei Äpfel mitgebracht." Auch wenn das nach wenig klang war das für uns eine ganze Menge. Denn wir konnten etwas in unsere dünne Suppe aus Wurzeln, Kräutern und Wasser tun. Mutter sah mich glücklich an, denn selbst wenn sie etwas gegen Diebstahl hatte, ein ordentliches Essen war ihr wichtiger. Das könnte daran liegen, dass ich noch vier weitere Geschwister hätte wenn wir genug zu Essen gehabt hätten. Ada, Michael und Jakob wurden krank weil sie nicht genug bekommen haben und ein Baby hatte im Bauch von Mutter schon zu wenig bekommen und war tot zur Welt gekommen. "Du solltest dir eine Lehrstelle suchen, dann müsste ich keine Angst haben und wir würden trotzdem zu Essen haben." Als Mutter mir das vorschlug sah ich sie erstaunt an, da sie doch eigentlich wissen müsste, dass man als Slummy nur schwer eine Lehrstelle bekam. "Ich weiß, es gibt nur wenige Leute die Slummys aufnehmen, aber überleg es dir bitte." Ruderte Mutter zurück und ich schluckte meine Erwiderung herunter.

 "Wir warten noch auf deinen Vater, der sollte bald kommen." Und wirklich Vater kam nur wenige Augenblicke später und legte drei silberne Münzen auf den Tisch. Er lies sich auf seinen Stuhl fallen und sah meine Mutter kurz an dann fragte er schleppend: "Was gibt es heute?" Mutter drehte sich um und erwiderte glücklich: "Wir haben Suppe aus Kartoffeln, Äpfeln und Wurzeln." "Das klingt nach dem ersten ordentlichen Essen seit langem." Vater sah gleich etwas wacher aus. Die Suppe schmeckte trotz allem schrecklich fad, doch das sagte ich Mutter natürlich nicht. "Was hast du heute gemacht, mein Sohn?" Das war das erste Mal heute, dass Vater mich direkt ansprach. "Ich war in der Zwischenzone auf dem Markt und hab die Sachen für die Suppe besorgt." Er sah mich scharf an, lehnte sich vor und fragte zischelnd: "Gekauft oder geklaut?" Ich wurde leicht rot und schaute kurz nach unten, was für ihn wohl Antwort genug war, denn er sprang auf und warf dabei sein Glas mit Wasser um und begann mich anzuschreien: "Du bist also ein dreckiger kleiner Dieb. Wenn ich diese Suppe esse mache ich mich also Strafbar. Du bist alt genug eine Lehre anzufangen und was tust du statt dessen? Du klaust. Ich gehe also jeden Tag zu verschiedenen Baustellen, schufte bis mir der Rücken und die Arme weh tun und du machst dir ein schönes Leben, beklaust arme Bauern und bringst uns in Gefahr. Geh!" "Wohin soll ich denn..." Doch ich wurde von meinem Vater unterbrochen: "Geh mir aus den Augen und komm erst wieder wenn du einen Arbeitsplatz hast und schwörst nicht mehr zu klauen." 

"Aber Karl Joseph, du kannst doch nicht deinen eigenen Sohn rauswerfen." "Halt du den Mund Helena, du wusstest davon und hast mir nichts gesagt, oder?" "Ja schon, aber solange er nur hier und da etwas Essen genommen hat war es für mich in Ordnung. Denk nur was mit Ada, Michael, Jakob und dem Baby passiert ist. Willst du dein einziges Kind auch noch verlieren." Ich war aufgestanden und ging zur Tür. Dort drehte ich mich noch einmal um, um mich von meiner Mutter zu verabschieden: "Auf Wiedersehen Mutter. Ich komm schon zurecht." Dann ging ich. Dass sie zur Tür lief und laut "Jonathan, bleib hier" rief tat mir zwar weh, ich lief trotzdem weiter.

Slummy BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt