Gina öffnete die riesige Flügeltüre und ich konnte einen Blick in einen großen Salon mit offenem Kamin erheischen. „Da drüben ist der Salon, daneben geht es ins Esszimmer und neben dem Esszimmer ist nochmal ein Raum, der zum Zwischenlagern für Essen während Festen gedacht ist. Von da geht es auch in das untere Stockwerk, wo es haufenweise Schlafkammern für Dienstbote, Vorratskammern und Besenschränke hat. Die Küche ist auch da unten. Das unten zeige ich dir am besten als erstes, dann arbeiten wir uns nach oben durch, einverstanden?"
Ich nickte und folgte Theo durch die Tür, durch die er gerade vorhin gekommen war. Wir betraten ein Treppenhaus, welches von großen Fenstern erhellt werden würde, wenn diese nicht komplett von Ranke überwuchert gewesen wären. Die Treppe nach oben war wunderschön und prunkvoll gehalten und die Stufen wurden von einem an manchen Stellen schon fadenscheinigen Teppich verdeckt. Ich blickte mich staunend um.
Theo neben mir lachte leise „Schön, dass du immer noch so fasziniert sein kannst. Ich hatte schon Angst du hättest dich stark verändert. Ich meine dein Aussehen ist ja schon deutlich anders." Ich musste grinsen „Naja, du hast mich ja auch zwei Jahre lang nicht gesehen. Und es ist eben immer noch nicht selbstverständlich für mich, dieser Prunk und so." Theos Gesichtsausdruck war ganz sanft geworden. „Komm mit ich zeig dir das Untergeschoss." Er griff nach meiner Hand und schloss sie vorsichtig in seiner größeren ein.
Mein Herz hüpfte aufgeregt und mein Magen fühlte sich an als hätte jemand tausende winzige Schmetterlinge darin freigelassen. Theo führte mich um die Treppe herum und blieb vor einer unscheinbaren Tapetentür an der Seitenwand der Treppe stehen. Theo drückte gegen die Tür, die nach innen aufschwang. Die Stiege nach unten war dunkel und staubig, weswegen ich erstmal sehr husten musste. „Da unten ist alles etwas dunkel und dreckig." Theo schaute mich entschuldigend an. „Wir werden es trotzdem renovieren, auch wenn wir nicht vorhaben sonderlich viele Menschen anzustellen." Er zuckte mit den Schultern und bückte sich um durch die Tür zu gehen.
Ich folgte ihm, er hatte schließlich immer noch meine Hand in seiner und außerdem wäre ich ihm überall hin gefolgt. Am Fuß der Treppe hing eine Lampe an der Wand, das Glas war an mehreren Stellen gesprungen und sehr dreckig. Theo zog seine Hand weg um die Lampe zu öffnen. Kaum war seine Hand weg, flatterten die Schmetterlinge nur noch träge und mein Herzschlag beruhigte sich. Fluchend fummelte Theo an dem Türchen herum, bis sie sich quietschend öffnete. Er zog eine Schachtel mit Streichhölzern aus seiner Hosentasche und zündete den Kerzenstummel darin an.
Das heißt er versuchte es. Denn es rauchte nur und glomm höchstens eine Sekunde bevor selbst diese Glut versagte. „Och Mist, das ganze Haus hier ist doch für den Müll. Alles ist kaputt oder hässlich. Nicht mal diese verdammte Lampe funktioniert." Er hängte die Lampe sehr genervt und mit viel Schwung an den Haken zurück. „Soll ich es mal versuchen? Ich habe da wo ich früher gearbeitet habe einige nützliche Informationen zu diesem Thema bekommen." Ich hatte jede Kerze anzünden müssen, bis nicht das kleinste Fitzelchen mehr davon übrig war. Als ich am Anfang damit zu kämpfen hatte, hatte ein anderer Kellner mir erklärt, wie man diese Kerzen leicht anzündete, auch wenn sie nicht mehr wollten.
Theo schaute mich wenig überzeugt an. „Klar, mach." Er gab mir die Streichhölzer und die Lampe. Ich zündete das erst Hölzchen an und hielt es über das Wachs und Fett Gemisch. Das zweite Hölzchen verwendete ich genau so. Ich griff ein letztes Mal in die Schachtel und hoffte inständig, dass es funktionierte. Dann entzündete ich auch dieses Hölzchen und hielt es an den Docht. Nichts passierte. „Ich sag dir, die ist im Eimer, komm lass uns hoch gehen und irgendwo eine andere suchen." Theo drehte sich weg und war schon zwei Stufen weit gekommen, als die Lampe anfing zu leuchten. Zwar nur sehr leicht, aber immerhin.
„Es geht doch. Ich weiß gar nicht was du hast." Natürlich musste ich ihm das unter die Nase reiben. „Wie hast du das denn jetzt gemacht?" Theo kam die Stufen wieder hinunter und blickte in den immer kräftiger werdenden Schein. „Das Fett ist eingetrocknet gewesen. Ich habe es mit den ersten beiden Streichhölzern erwärmt und so konnte das Gas, das im Endeffekt brennt dann auch aufsteigen." Sein Blick war jetzt nicht mehr neugierig, sondern überrascht. „Woher weißt du das denn? Du bist ganz schön schlau für..." Er brach ab, doch ich hatte trotzdem klar und deutlich verstanden was er sagen wollte. „Für einen Slummy. Sag es ruhig, wenn es das ist was du denkst. Wir sind die kleinen, dummen und nutzlosen Idioten, die eure Häuser bauen. Warum sollten wir wissen, warum eine Kerze brennt, wir können uns doch nicht mal eine leisten. Warum sollten wir schon irgendwas wissen, wir sind doch eh zu dumm." Seine Worte waren wie ein Schlag in den Magen. Die Schmetterlinge waren weg und wurden durch einen riesigen Eisklumpen ersetzt.
„Hey, nein, so meinte ich das nicht. Ich wollt doch nur ... äh ... ich meinte doch... jedenfalls nicht sowas." Er sprach viel zu schnell und wirkte selbst nicht überzeugt davon. „Nein, nein ist schon gut, du kannst es schließlich nicht besser wissen." Ich drehte mich um und hoffte, dass er nicht merkte, wie weh er mir getan hatte. Ich hob die Lampe und ging ein paar Schritte, kam jedoch nicht weit, da Theo mich am Arm festhielt. „Hey, sei doch nicht sauer. Ich habe nicht nachgedacht, verzeih mir." Ich schüttelte seinen Arm ab und zuckte die Schultern. „Bitte, Jo, ich verspreche dir, dass ich ab jetzt nur noch dich als Menschen und nicht mehr deinen ehemaligen Stand sehen werde." Ich musste ungewollt lächeln, weil er mich mit großen Kulleraugen anschaute.
„Ist schon vergessen. Du hast ja Recht, die meisten wissen das wirklich nicht, wenn sie aus dem Slum kommen. Die meisten können nie zeigen wie schlau sie wirklich sind, weil man dafür nicht lange genug in die Schule geht." Ich nahm seine Hand. „Komm schauen wir uns weiter hier um."
Vom Gang gingen links und rechts Schlafkammern ab, in denen immer ein grobes Bett, eine grobe Kommode und ein Ablagebrett an der Wand waren. Die Betten waren alle von einer dünnen, mit Stroh und Lumpen ausgestopften Matratze und einer groben Wolldecke bedeckt. Die waren zwar schmutzig, aber nicht kaputt. Nachdem wir an acht solchen Kammern vorbeigekommen waren, kam eine riesige Speisekammer auf der linken Seite. Sie war noch leer und man müsste gründlich sauber machen und die Wände trocknen, denn sonst würde das Essen in kürzester Zeit verschimmeln.
Auf der rechten Seite, gegenüber von der Speisekammer lag der Waschraum, der ein ähnliches Problem wie die Kammer gegenüber hatte. Der Gang endete in der riesigen Küche. Ein massiver Herd dominierte die linke Seite der Küche. Auf der rechten Seite waren die Spüle, eine sehr lange Schneidefläche und noch ein kleiner Herd. In der Küche war es, dank der Fenster in den Garten deutlich heller als im restlichen Stockwerk. Der große Tisch in der Mitte des Raumes war vermutlich der Essplatz der Dienerschaft. In der hinteren linken Ecke führte ein kurzer Flur zum Dienstboten Eingang. In dem Gang lag noch ein Haufen altes Holz, welches sich zum brennen vermutlich sehr gut eignete.
„Mir gefällt es hier unten. Man muss, soweit ich das sehe, gar nicht so viel machen." Ich drehte mich zu Theo und fragte ihn: „Wie siehst du das?" Er schaute sich nochmal um und erwiderte:„Ich denke, du hast recht. Aber in der Speisekammer sollten wir schnell was machen, sonst bekommen wir da Schimmel und den bekommen wir dann nie wieder raus." Ich nickte zustimmend.
Es herrschte kurze, aber nicht unbedingt unangenehme Stille.
„Zeigst du mir jetzt die anderen Stockwerke?" Theo zuckte zusammen, ich hatte ihn wahrscheinlich aus seinen Gedanken gerissen. Er sah so niedlich aus, wie er leicht rot um die Nase wurde. Jetzt zuckte ich zusammen, weil ich meine eigenen Gedanken sehr komisch fand. Er war doch jetzt immerhin mein Chef, da durfte ich mich doch nicht noch mehr in ihn verlieben.
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Slummy Boy
FantasyDie Stadt der Türme ist in drei Teile geteilt, den Norden , die Mitte und den Süden. Im Süden leben die Adligen und die, die durch Geschäfte reich wurden. In der Mitte leben die Leute, die kleine Läden haben. Solche die in eigenen, schönen Häusern l...