Soll ich es ihm erklären?

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Theo ging einen Schritt zurück und seufzte. „Ich, es tut mir so leid. Ich dachte nie, dass du hier sein wirst, aber dann habe ich dich vorhin gesehen und." Seine Stimme brach ab und eine Träne lief seine Wange hinunter. Seine Schultern sackten nach unten er ließ den Kopf hängen. Ich wollte gerade einen Schritt auf ihn zu machen, als das hübsche Mädchen ihn zu sich zog und ihm sanft über die Wange strich. 

„Soll ich es ihm erklären?" Ihre Stimme war leise und zärtlich. Doch ich hätte eher eine liebliche, hohe Stimme erwartet und nicht eine die so klang, als hätte sie einen Schottere in ihrem Hals. Deshalb zuckte ich ganz leicht zusammen. Der andere Mann hatte mich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen und lachte jetzt leise. 

Ich schaute wieder zu Theo. Ihm liefen immer mehr Tränen über die Wange und er lehnte sich förmlich auf das Mädchen. Dann nickte er leicht. Das Mädchen lächelte und wuschelte ihm noch ein letztes Mal durch die Haare, bevor sie ihn energisch zu dem Anderen schob. „Liebling, kannst du ihn schnell halten, auf Dauer ist er schon ziemlich schwer." 

Liebling? Was um Himmels willen wird hier gespielt. Sie kam auf mich zu, nahm meine Hand und zog mich zu einem Sofa, dass ich wegen dem schlechten Licht bisher gar nicht gesehen hatte. Mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete sagte sie, auf das Sofa zeigend: „Setz dich, es könnte dauern." Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich auf das Sofa fallen. 

„Also, es ist eine lange und komplizierte Geschichte." sie atmete tief ein und schob sich eine Strähne hinter ihr Ohr „Du hast Theodor vor einiger Zeit getroffen und ihr habt euch gut verstanden. Alles war gut, bis Theos Eltern euch erwischt haben und, ekelhaft wie sie sind, haben sie dich rausgeschmissen. Soweit weißt du ja was geschehen ist. Du musst wissen, Theo und ich kennen uns schon sehr lange, mein Vater ist der zweite Bürgermeister und der reichste Kaufmann in der ganzen Stadt. Wir haben uns oft getroffen und naja, er war der einzige Freund, den ich je hatte." 

Sie lächelte traurig und spielte nervös an einem Saum ihres Kleides herum. „Wie gesagt, wir waren Freunde. Unsere Familien hat es gefreut, dass wir beide so gut miteinander auskamen, denn, so sagte meine Mutter zu mir, eine Verbindung unserer beiden Familien wäre unbezahlbar. Unsere Eltern ignorierten, dass wir Freunde waren und kein romantisches Interesse hatten. Für mich war er mehr ein Bruder, als ein zukünftiger Ehemann. Am Tag nach dem ihr euch getroffen hattet, kam Theo wieder zu mir. Er hat über eine Stunde lang auf meinem Bett gesessen, geweint und mir von dir erzählt." 

Ich schaut überrascht zu Theo hinüber und lächelte ihn dann vorsichtig an. Er weinte nicht mehr, saß aber immer noch auf dem Schoß des Anderen. Ich wusste nicht warum aber es tat weh ihn dort zu sehen. Es war der gleiche Stich, den ich auch schon zuvor gespürt hatte, als ich gesehen habe wie er seine Verlobte geküsst hatte. Und jetzt? Jetzt erzählte mir genau diese Verlobte, dass Theo über eine Stunde wegen mir geweint hat. 

„Ich hatte ihn gerade wieder beruhigt," fährt besagte Verlobte fort „und er sah gerade wieder akzeptabel aus, da kamen unsere Mütter herein. Beide haben so komisch gelächelt und als sie gesehen haben, dass wir zusammen auf meinem Bett lagen, da haben sie sich einen kurzen Blick zugeworfen, der mir sehr, sehr große Angst gemacht hat. Noch mehr Angst, als ein weinender Theo, oder eine Pistole an meinem Kopf."

Sie atmete tief durch. Theo nutzte die kurze Pause und räusperte sich. Mit seiner vom weinen etwas kratzigen Stimme begann er weiter zu erzählen: „Sie haben förmlich gestrahlt. Ginas Mutter" Gina hieß seine Verlobte also. „hat dann irgendwas in Richtung >Es ist ja so schön, dass ihr so gut auskommt, das ist eine gute Grundlage für eure Zukunft< gesagt. Wir haben erst gar nicht verstanden was sie meint und dann haben sie so geheimnisvoll gegrinst und uns gesagt wir sollen mit nach unten kommen und dann..." 

Er war zum Ende hin immer schneller geworden. „Atme erstmal kurz durch, man versteht ja nichts, wenn du so schnell redest. Dort saßen unsere Väter," unterbrach ihn Gina „Sie haben uns ebenfalls so gruselig angelächelt. Dann hat Theos Vater die Bombe platzen lassen. Er hat uns gesagt, dass wir heiraten sollen. Theo neben mir ist völlig zusammengesunken und ich, ich hätte schreien können." 

Theo lachte auf. „Schatz, du hast geschrien. Du hast unsere Eltern auf jede erdenkliche Art beleidigt und gebrüllt, dass du mich auf keinen Fall heiratest, weil du mich nicht liebst, jedenfalls nicht so." Ich schaute überrascht zu dem Mädchen neben mir. Ich hätte nie gedacht, dass sie jemanden schreiend beleidigen würde, aber gut, man kann sich täuschen. 

Gina lächelte auch, aber ihr Lächeln wirkte angestrengt und todtraurig. In ihren Augen glitzerten Tränen als sie leise fortfuhr: „Ich konnte einfach nicht fassen, dass sie mir so etwas antun könnten. Ich hatte so oft gesagt, dass ich nicht in einer arrangierten Ehe enden will und sie hatten es mir versprochen. Aber im Endeffekt ging es ihnen nur ums Geld. Dabei, dabei..." Schluchzend hörte sie auf zu sprechen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte und legte deswegen zaghaft einen Arm um ihre Schulter. 

Schluchzend ließ sie sich gegen mich fallen und ich fiel fast um, weil das so überraschend kam. Unbeholfen strich ich ihr über den Rücken, bis sie nicht mehr so stark von ihren Schluchzern geschüttelt wurde. Schließlich setzte sie sich auf und wischte energisch die Tränen aus ihrem Gesicht. Ich sah zu Theo und bemerkte, dass der Andere ebenfalls Tränenspuren im Gesicht hatte und liebevoll zu Gina blickte. 

„Ich..." Sie atmet noch einmal tief ein „Ich wollte ihnen sagen, dass ich mich verlobt habe." Ihre Stimme zitterte und ihr Körper wurde von einem Schluchzer geschüttelt. Theo ergriff wieder das Wort, während er dem jungen Mann neben ihm und ich Gina über den Rücken strich. „Als ich damals auf dem Markt war, da habe ich Jasper gesagt, dass Gina sich mit ihm treffen muss." Plötzlich sah ich die Szene wieder genau vor mir und mir fiel etwas auf, das mir bisher entgangen war.

„Du hast ihm einen Zettel gegeben, ich erinnere mich. Du bist so arrogant über den Platz geschlendert und dabei hast deine Hand so hin und her geschlenkert. Du bist an einem Jungen vorbei und hast ihn etwas angerempelt mit deiner Hand, der Junge warst du" Ich schaute zu diesem Jasper. „Ja der Junge war ich." Jasper grinste mich schräg an. „Das Problem ist nur, dass ich aus der Mitte komme und als Sohn eines Tischlers nicht unbedingt so eine gute Partie bin. Wir haben uns vor sechs Jahren getroffen, als ich die Maße einer Nische in ihrem Zimmer abnehmen musste. Es war Liebe auf den ersten Blick und seitdem haben wir uns regelmäßig getroffen. Und Theo wurde unser Bote, was Nachrichten anging."

„Verstehst du Jo? Ich wollte das hier nicht, aber ich habe einen Wächter an meine Seite bekommen und konnte nicht nach dir suchen. Ich war damit beschäftigt, die Verlobung zu sabotieren. Wir wurden abwechselnd krank, ich habe mir ein Bein gebrochen, ich hatte Termine und Gina hatte auch immer irgendetwas unvermeidliches. Sie hat einmal den Koch für eine Feier bestochen, damit er das Essen nicht liefert und unsere an dieser Feier geplante Verlobung ausfiel. Nur irgendwann konnten wir nichts mehr machen. Und so kommt es, dass ich anstatt nach dir zu suchen jetzt hier auf meiner eigenen Verlobung sitze." 

Das war ziemlich hart. Ich schluckte und fragte dann leise: „Und was machen wir jetzt?"

Slummy BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt