Ich hab dich so vermisst

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"Beeil dich! Du musst gleich zum wichtigsten Event des Jahres!" Mein Chef, Herr Kleewiese, war schon den ganzen Tag ziemlich aufgeregt. Eigentlich war er schon seit über einem Monat aufgeregt, nämlich seitdem er beauftragt wurde die große Verlobung zu bekochen. Wer genau verlobt wurde war uns Kellnern nicht gesagt, aber die Küchenmagd hatte von einer Freundin gehört, dass die Tochter des Ratspräsidenten heiraten würde.

Ich strich über mein ordentliches weißes Hemd bevor ich die schwarze Weste darüber zog. Seit zwei Jahren kellnerte ich schon in dem hochangesehenen Lokal in der Mauer zwischen Mitte und Süden. Die Familie des Besitzers hatte schon ein Lokal an der Stelle bevor es die Mauern gab und deshalb hatte er jetzt das Lokal in der Mauer und entsprechend gut war es besucht. Auf der einen Seite aßen Bauern zu Mittag und auf der anderen Seite trafen sich reiche Damen zum Tee. 

Das Mauerlokal war ein schöner Ort zum Arbeiten. Und die Bezahlung war auch deutlich besser als in anderen Lokalen. Das ich dort arbeiten konnte war ein glücklicher Zufall. An dem Tag als ich Theo kennengelernt und todunglücklich den Süden verlassen hatte, war ich an dem Haus vorbeigelaufen. Herr Kleewiese hatte gerade zwei Kellner gefeuert und brauchte für eine große Gesellschaft dringend einen Ersatz und als ich an seinem Haus vorbeilief hatte er mich eingestellt. Erst nur für einen Abend aber dann durfte ich bleiben.

"Wir gehen den Plan noch einmal durch." Herr Kleewiese knetete eine Stoffserviette während er zittrig weiterredete: "Jonathan, Klemens, Martin und Leonard kümmern sich um die Gäste und laufen mit Tabletts herum und der Rest bedient hinter dem Buffet oder am Getränketisch. Verstanden?"

Wir waren den Plan schon so oft durchgegangen, dass wir alle jedes Detail kannten, also nickten wir brav und Herr Kleewiese wirkte etwas weniger nervös. "Also dann Jungs. Alle bereit? Dann können wir ja los in den Kampf ziehen." Herr Kleewiese wischte sich noch einmal mit der Serviette über sein rundes Gesicht und warf sie dann auf einen Tisch.

Als wir losgingen drängte sich mir der Gedanke in den Kopf, Theo könnte auch da sein. Schließlich war es eine Verlobungsfeier von zwei ziemlich reichen Menschen, denn das Essen war nicht gerade billig. Vielleicht würde Theo mich gar nicht erkennen, ich hatte eine ordentliche Frisur und saubere Kleidung an. Außerdem hatte ich deutlich mehr Muskeln und war generell besser ernährt. Kurz ich sah dem Jonathan von vor zwei Jahren nicht mehr sehr ähnlich. Theos Mantel hatte ich allerdings immer noch. Der Stoff war noch genau so weich und warm wie am ersten Tag und ich benutzte ihn als Decke. 

Der Eingang zu dem Garten in dem gefeiert wurde war wunderschön dekoriert und als wir eintraten begrüßten uns der Bürgermeister und seine Frau persönlich. Aber anders als bei unserem letzten Zusammentreffen waren sie freundlich und wirkten wie die perfekten Gastgeber. Als sie die Kellner und Herr Kleewiese zum Buffet führten sagte die Frau des Bürgermeisters: "Ich danke ihnen von Herzen, dass sie auf der Verlobungsfeier von unserem Sohn das Essen stellen, das habe ich mir immer so gewünscht." 

Auf der Verlobungsfeier ihres Sohnes? Wir waren auf Theos Verlobungsfeier? Es fühlte sich an als würde in mir etwas kaputt gehen. Ich hatte zwar nur wenig Zeit mit ihm verbracht, aber ich hatte mich doch in ihn verliebt, das war mir in der Zwischenzeit klar geworden. Ich riss mich zusammen als Klemens mich fragend an sah und schüttelte meinen Kopf nur ganz leicht.

Ich bekam ein Tablett mit kleinen Fleischhäppchen und bunten Gemüseblumen darauf und fing an zu den kleinen Grüppchen zu gehen die die Gäste gebildet hatten. Die Gäste griffen nach dem Essen, ignorierten mich aber gekonnt. Für sie war ich unsichtbar, so wie alle ihre Bediensteten. 

Als ich zur größten Gruppe kam lächelte mich eine junge Frau die dort stand dankend an als sie eine Gemüseblume nahm. Ich wollte gerade Zurücklächeln, als ein junger Mann zu ihr trat, einen Arm um sie legte und mit besorgter Summe fragte: "Liebling ist es so wie du es dir vorgestellt hast?" Und sie ihn dann mit einem breiten Lächeln im Gesicht küsste.

Sie tat das, was ich vor zwei Jahren auch hatte tun wollen. 

Ich entfernte mich diskret und bediente andere Leute. Als mein Tablett leer war und ich zu Herr Kleewiese ging um nach Nachschub zu fragen bat er mich: "Kannst du bitte schnell dem glücklichen Paar diese Flasche Champagner bringen? Sie sind dort hinten in dem kleinen Haus und wollen kurz für sich sein, haben aber eine Flasche bestellt. Ich würde ja selbst gehend bei ich muss das Auftischen des Mittagsmahls beaufsichtigen."

Ich lächelte Herrn Kleewiese zu und nahm ihm die Flasche aus der Hand. "Natürlich bringe ich dem Paar die Flasche. Ganz wie sie wünschen." Dann machte ich mich auf den Weg zu dem kleinen Haus, das auf dem Gelände stand und das dem Papa als Rückzugsort dienen sollte.

Ich klopfte und mir wurde prompt die Tür von einem hübschen jungen Mann geöffnet, der allerdings nicht Theo war. Leicht verwirrt hob ich die Flasche und erklärte dann, warum ich da war. "Ach so, du bringst die Getränke." Der Mann lies mich eintreten und verschloss dann die Tür. 

"Ist er das?" Während sich meine Augen an das Halbdunkel im Raum gewöhnten war der Mann zu zwei anderen Personen im hinteren Teil des Raumes getreten. "Ja das ist er, Danke Jas." Diese Stimme würde ich überall erkennen. Theo klang immer noch wie vor zwei Jahren, seine Stimme war nur noch etwas tiefer und samtiger geworden. Aber wieso fragte der Andere ob ich der Richtige war? 

Theo kam langsam auf mich zu und wie er so vor mir stand spürte ich den Drang ihn zu umarmen und nie wieder loszulassen. "Hallo Jo, ich hoffe du erinnerst dich noch..." weiter kam er nicht, denn ich legte stürmisch meine Arme um ihn und flüsterte ein "Theo ich hab dich so vermisst." gegen seinen Hals. 

Er lachte und erwiderte die Umarmung dann. "Ich hab dich auch vermisst Jonathan, mehr als du dir vorstellen kannst." Ich löste mich viel zu schnell wieder von ihm, doch ich musste eine Frage einfach loswerden. 

"Warum sind wir dann auf deiner Verlobungsfeier?"


Slummy BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt