Kapitel 8

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Heiße Tränen stürmten über Joséphines Gesicht, als sie zusammengekauert an der Wand hockte.

,,Der Kaiser ist tot", hallte es in ihrem Kopf wider. Immer und immer wieder hörte sie die Worte, die sie wünschte nie hören zu müssen.

,,Nein", schluchzte sie unter Tränen, ,,Nein...!"
Ihre Stimme bebte, zitterte, brach. Es war nicht mehr als ein Hauch, ein leiser und leidiger Ton, den sie hervorbrachte.

Der Kaiser ist tot.

Der Kaiser ist tot.

Der Kaiser ist tot.

Verzweifelt presste sie ihre Hände auf die Ohren, in der Hoffnung, die Stimme des Botschafters, die in ihrem Kopf widerhallte, würde verebben.
Doch das tat sie nicht.

Der Kaiser ist tot.

Sie raufte sich die Haare, schmiss sich von ihrer Hocke auf die Knie und sackte zusammen. Mit aller Kraft versuchte sie, die Tränen zu stoppen oder zumindest ihre Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Nichts half.
Wochenlang hatte sie ihren Vater nicht gesehen, und sich nicht einmal richtig von ihm verabschieden konnte sie. Hatte sie ihn vor ihrer Abreise überhaupt gesehen?

Gestern, am 25. Juli 1562 ist er gestorben. Morgen würde er in Prag bestattet werden und sie konnte nicht hin. Denn morgen würde sie nach Frankfurt gebracht werden, um am folgenden Tag gekrönt zu werden.
Noch nicht zur Kaiserin, sondern zur Römischen Königin. Der Papst würde sie erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Kaiserin krönen, sofern er sie annahm.
Und dazu war Joséphine noch nicht bereit.

Sie konnte noch nicht von ihrem Vater loslassen, um die Position des Kaisers einzunehmen. Dafür fühlte sie sich zu schwach.

Vor lauter Weinen liefen irgendwann kaum noch Tränen, doch das Schluchzen hörte nicht auf.
Mittlerweile saß Joséphine auf dem Boden und lehnte an der Wand, die Knie an die Brust gezogen.
Ihr Gesicht war vom Tränen vergießen rot. Ihr Atem war ganz flach.

Sie hatte den Speisesaal vorzeitig verlassen, aber kaum hatte sie eine ruhige Ecke gefunden, brachen ihre Mauern.
Sie konnte nicht zulassen, dass sie irgendwer so sah.
Sie würde auf der Stelle als schwach abgestempelt werden und als Königin - wenn auch noch nicht gekrönt - durfte sie sich das nicht erlauben.
Die sieben Kurfürsten, die mit dem Papst den Kaiser wählen, durften auf keinen Fall glauben, dass Joséphine zu schwach für diese Position war.

Was würde ihr Vater sagen?

Er wäre maßlos enttäuscht. Also musste sie sich jetzt zusammenreißen und Stärke beweisen.

Aber konnte sie das?
Konnte sie eine Herrscherin sein? Sie musste, allein für ihren Vater.
Und für Habsburg.
Wäre sie doch wirklich zurück nach Wien gefahren! Dann hätte sie ihren Vater wenigstens noch einmal sehen und in die Arme schließen können.
Wer weiß, vielleicht wäre er dann sogar noch am Leben...

Aber nun? Sie konnte nun nicht einmal Abschied von ihm nehmen und musste so tun, als würde sie nicht davon beeinflusst werden.

,,Euer Hoheit...", ertönte neben ihr die Stimme Dumonts, was Joséphine zusammen schrecken ließ.
Hastig versuchte sie, ihre Tränen weg zu wischen und sah auf.
,,Dumont", krächzte sie, ,,Kann ich Euch helfen?"

Der Mann sah Joséphine mitleidig an und schüttelte langsam den Kopf.
,,Mir scheint, Ihr braucht viel eher Hilfe."
Er hockte sich neben sie und sah sie eindringlich an.
,,Ich- Nein, nein... Es ist nur, dass..."
Dumont schüttelte den Kopf und brachte sie damit zum schweigen.

,,Die Nachricht trifft Euch hart und das ist in Ordnung. Ihr seid noch jung ."
,,Aber so wirke ich schwach", murmelte Joséphine nach wie vor aufgelöst.
,,Nein, Ihr wirkt menschlich", Dumont legte ihr eine Hand auf die Schulter. ,,Und Ihr wart schon als kleines Kind recht sensibel. Lasst es ruhig raus, sonst zerbrecht ihr daran."

Long May They ReignWo Geschichten leben. Entdecke jetzt