,,Jetzt ergibt alles Sinn", flüsterte Joséphine und brach damit die schwere Stille, die sich in ihrem Gemach ausgebreitet hatte.
,,Englische Protestanten, natürlich", fuhr sie fort und hob dabei ein wenig die Stimme an. ,,Elizabeth Tudor ist Protestantin. Ich wäre eine Bedrohung für sie und ihre Anhänger - i wo! Ich bin die rechtmäßige Thronerbin, sie hätte keine Chance wenn ich Anspruch auf den Thron erheben würde!"
Dumont nickte. ,,Und genau deshalb wart Ihr schon vor Eurer Geburt zahlreichen englischen Protestanten ein Dorn im Auge."
Joséphine starrte einen Moment nachdenklich ins Nichts, bevor sie ihren Blick zu Dumont wandte.
,,Erzähl mir mehr.",,Sehr wohl.
Elizabeth Tudor war schon einige Jahre auf der Welt und hatte überraschend viele Anhänger. Zu diesem Zeitpunkt sah die Ehe zwischen Philipp von Spanien und Mary Tudor fruchtlos aus, und somit schien Elizabeth die nächste in der Thronfolge zu sein.
Doch bald schon sickerte die Nachricht durch, dass Mary Tudor unerwarteter Weise schwanger war.
Unter Elizabeths Anhängern befanden sich radikale und skrupellose Menschen, die auch Königsmord begangen hätten, wenn sie somit die katholische Regentschaft Marys beenden konnten, denn - wie Ihr vielleicht wisst - herrschte Mary Tudor bis heute nicht minder skrupellos.
Mit jedem Tag, der Eure Geburt näher brachte, wurden die Verschwörungen und versuchten Mordanschläge präsenter.
Sie zog sich also Vorzeitig zurück in ihr Wochenbett, offiziell zum Richmond Palast. Tatsächlich jedoch in ein Schloss..."
,,...in Wilton", beendete Joséphine den Satz und Dumont nickte bestätigend.,,Wie es das Schicksal so wollte, war Anna von Böhmen zur selben Zeit schwanger, und auf Geheiß seines Habsburger Verwandten Philipp von Spanien reiste Kaiser Ferdinand also mit seiner Frau in das englische Wilton, wo sie ihr Wochenbett antrat.
Einige Tage bevor Ihr geboren wurdet, gebar Anna von Böhmen ebenfalls eine Tochter. Eine Totgeburt, von der niemand außerhalb des Wilton House erfuhr.
Für die Öffentlichkeit gebar Anna von Böhmen erst sechs Tage später, am 20. Oktober 1545 wie durch ein Wunder das erste und einzige legitime und lebende Kind des Kaisers.",,Und die Totgeburt wurde als die Marys ausgegeben und in England, als namenloses Tudorkind beerdigt", schlussfolgerte Joséphine ausdruckslos.
,,So ist es, Euer Majestät."Sie schwieg einen Moment und starrte abwesend auf die Flamme der kleinen Kerze auf ihrem Nachtschrank.
Roderich konnte von weitem sehen, dass sie mit aller Kraft dagegen ankämpfte, zu weinen. Dennoch wurden ihre Augen immer glasiger.
Wie gern würde er jetzt nur ihre Hände in die seine nehmen, und ihr sagen, dass alles gut werde.
So wie damals, als der Kaiser oder Anna, manchmal auch Margaret und nicht selten der Cembalolehrer mit ihr geschimpft hatten, weil sie ihren Schabernack zu weit getrieben hatte und sie schmollend in der Sattelkammer saß.
Oder als sie ihn in dieser ohnehin schon zu heißen Sommernacht unter panischen Tränen zu sich gerufen hat, weil sie von einem Alptraum heimgesucht wurde.
Damals war sie 13 Jahre alt, und barmherziger Gott, war ihr das peinlich gewesen.
Sie hätte sicherlich eine Umarmung gebrauchen können, aber -nein... Nein. Er hatte sich nicht getraut.
Er hatte sich dem nicht würdig gefühlt.
Auch heute würde er sie nicht in den Arm nehmen, um sie zu trösten.
Denn das taten bereits zu viele andere Menschen.
Er schaffte es, sie bloß durch Worte und das Halten ihrer Hände, sie zu beruhigen.
Und das war eine Sache zwischen den beiden, die ihm niemand nehmen würde, und die die Beziehung zwischen den beiden besonders machte.Jedenfalls wollte er das gern glauben.
Aber er wusste, dass dem nicht so war.
Just in diesem Augenblick schmiegte sie sich an Francis, welcher ihr beruhigend über den Rücken strich, bis sie sich von ihm löste.
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Long May They Reign
FanfictionJoséphine, die einzige Tochter des Kaisers Ferdinand von Habsburg besucht nach Jahren wieder den französischen Hof. In dem Glauben, sie sei bloß für einfache Verhandlungen und als Zeichen der Freundschaft zwischen den Häusern Habsburg und Valois in...