Kapitel 13

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,,Er kann nicht mehr laufen", weinte Joséphine.

Im schummrigen Mondlicht konnte Francis einen Blutstrom erkennen, der aus einer klaren Schusswunde kurz unterm linken Knie des Pferdes floss. Das Blut reflektierte das kühle Mondlicht, als es langsam das schwarze Fell Priors tränkte.

Prior atmete flach mit vor Schmerz geblähten Nüstern, während Joséphine - die selbst wie Espenlaub zitterte - versuchte, ihr geliebtes Pferd zu beruhigen.

,,Francis", schniefte Joséphine, sichtlich bemüht, einen klaren Kopf zu behalten, ,,in der Satteltasche ist noch eine Flasche Wasser."

Francis nickte und kniete sich vorsichtig neben Prior, um die Satteltasche zu durchsuchen.
,,Die hier?", fragte er, als er ein in Leder eingebundenes Behältnis herauszog.

Joséphine nickte. ,,Warte", murmelte sie. Mit immer noch zittrigen Händen wühlte sie nach dem Saum ihres Rockes und begann, kräftig daran zu reißen.  
,,Spül die Wunde aus", orderte sie an, während sie ihm das abgerissene Stück ihres Rockes hinhielt. ,,Du säuberst die Wunde und ich versuche, ihn ruhig zu halten."

Francis nickte, als er hastig den Deckel des Wasserbehälters entfernte und vorsichtig, ganz langsam das Wasser über Priors Wunde zu träufeln.

Prior warf seinen Kopf hoch, sein unverletztes Hinterbein zuckte. Seine Augen riss er erneut so weit auf, dass man das Weiße sehen konnte.
"Ruhig, Prior, ganz ruhig!"
Joséphine gab sich alle Mühe, selbst ruhig und beruhigend zu klingen. Sie legte ihre Hand vorsichtig auf seine Stirn und atmete laut und tief aus. 
Prior schien sich dadurch zumindest ein wenig zu entspannen. Er senkte den Kopf in Joséphines Schoss, atmete aber nach wie vor flach. 
Dann und wann zuckte er, blieb aber dennoch den Umständen entsprechend ruhig und konzentrierte sich auf die Stimme seiner Gefährtin.

,,Wir werden so auf keinen Fall weiterreiten können", grummelte Joséphine.
Francis machte ein zustimmendes Geräusch. ,,Aber hier im Wald zu nächtigen ist auch keine gute Idee."
,,Was sollen wir sonst machen? Prior kann so nicht weiter, zumindest keine lange Strecke."
Francis war selbst ratlos. Er wusste, dass Prior zurücklassen keine Option für die Habsburgerin war.
,,Dann bleiben wir eben wach, die ganze Nacht. Vielleicht geht es ihm im Morgen gut genug, um weiterzugehen."

Francis überlegte. Eine andere Möglichkeit konnte er nicht finden. Ins nächste Dorf zu reiten, um etwa Hilfe zu finden, und sie allein lassen? Nein. Joséphine ins nächste Dorf reiten lassen? Nein.
Geschlagen stimmte Francis zu.

Es legte sich Stille über die beiden, lediglich das Atmen Priors füllte die nächtliche Luft. Dann und wann redete Joséphine beruhigend auf ihn ein, bis zu dem Punkt, an dem Prior sogar tief schnaubte.

Francis hingegen wirkte angespannt. Nach wie vor machte er sich Gedanken, wie diese Situation am besten zu lösen wäre. Einfach auf den Morgen zu warten, würde die Situation in keiner Weise verbessern. Prior würde auch am Morgen keine großen Strecken zurücklegen können, so schnell heilt eine solche Wunde nicht.

Francis und Joséphine schreckten zusammen, als Francis Gedankenzug durch eine laute, durchdringende Stimme unterbrochen wurde. Der Rapphengst fuhr ebenfalls erschrocken zusammen. Hastig warf er seinen Kopf hoch, mit geblähten Nüstern blickte er sich panisch um., während Joséphine versuchte, ihn an seinen Zügeln davon abzuhalten, aufzustehen.

,,Ihr da! Wer seid Ihr? Sprecht schon", grollte eine raue, Francis unbekannte Stimme. Ein Herr zu Ross in Rüstung trat aus dem Dickicht hervor, mit einer Laterne in der rechten Hand.
,,Redet, sagte ich!"

Joséphine warf Francis einen fragenden Blick zu. Noch bevor Francis reagieren konnte, ertönte eine zweite Stimme.
,,Aber, aber, Manuel, was schreist du so?"

Joséphine wandte sich ruckartig von Francis ab. ,,Maximilian?" 
Nicht weit von dem ersten Mann war im schummrigen Mondlicht eine zweite Silhouette zu erkennen. Die Person schwang sich vom Pferd und ging auf Francis und Joséphine zu.

,,Phinchen? Um Gottes Willen, was treibst du denn hier?" Die Stimme des Habsburgers klang irritiert, er schien es nicht war haben zu wollen, hier auf seine Schwester zu treffen. 
Joséphine schien nach Worten zu suchen, während Maximilian näher trat.
,,Was ist mit Prior?", fragte er ernst, ,,War das der Schuss, den wir gehört haben?"

Joséphine nickte. Francis währenddessen war perplex. Wer war dieser Maximilian, und was hatte er mit Joséphine zu tun?

Long May They ReignWo Geschichten leben. Entdecke jetzt