Kapitel 3

2.1K 57 82
                                    

Unsere Wachen nahmen die Waffen hinunter.
Henry schlief nach wie vor in der Kutsche, also sagte ich Joséphine, ich würde ihn wecken gehen. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Bash von seinem Pferd abstieg und Joséphine zu ihm eilte... Ich schüttelte den Kopf und öffnete die Tür der Kutsche. Ich sollte mich nicht zu sehr daran stören. Aber ich tat es.

Jedenfalls, der Höflichkeit wegen hatten wir edlere Kleidung für Henry dabei, als die, die er jetzt trug, auch Madeleines Bediensteten kümmerten sich darum, das kleine Mädchen 'dem Anlass entsprechend' zu kleiden.

Als auch Joséphine und ich unsere Kleidung gerichtet hatten, standen wir nun Madeleine, ihren Bediensteten und den Engländern gegenüber. Ich forderte meinen kleinen Bruder auf, sich ihr vorzustellen, jedoch weigerte er sich.

Joséphine stand neben mir und neben ihr Bash, dem sie ihren Blick zuwarf. Er deutete mit dem Kopf Richtung Madeleine und die beiden schienen sich mit Blicken zu verständigen.
Erst, als Joséphine einige Schritte auf Madeleine zu machte, bemerkte ich, wie ich mit den Zähnen knirschte. Diese Situation gefiel mir nicht.

,,Hallo Madeleine", begann Joséphine mit einem sanften Lächeln. ,,Mein Name ist Joséphine. Ich kam in deinem Alter etwa auch an den französischen Hof. Ich bin sicher, du wirst dich wohl fühlen."

Madeleine warf einen Blick auf Bash und mich und sah dann wieder zu Joséphine.
,,Hab keine Angst", fuhr sie fort, ,,Du bist herzlich Willkommen."

Joséphine hielt ihr die Hand hin, Madeleine schaute diese an und schien nachzudenken. Als sie Joséphine wieder ansah, ergriff sie ihre Hand. Joséphine führte das kleine Mädchen ein Stück näher an uns heran und stellte sich hinter sie. Sie legte ihre Hände auf die Schultern von Madeleine und streichelte sie aufmunternd, und zu meiner Überraschung sah das Mädchen bereits weniger nervös aus.

Joséphine blickte auf und schaute an mir vorbei - natürlich - zu Bash und lächelte ihn an, aus dem Augenwinkel sah ich, wie er das Lächeln erwiderte. Habe ich bereits erwähnt, dass ich diese Situation nicht mochte?

Joséphine blickte zu meinem kleinen Bruder und nickte ihm aufmunternd zu. Mit einem leichten Zögern machte Henry einen Schritt auf Madeleine zu und bückte sich, um eine Blume zu pflücken, welche er der kleinen Brünette hinhielt.
Ich musste schmunzeln und hob meinen Blick, so dass ich in das strahlende Gesicht von Joséphine blickte.
Ihre Augen kreuzten meine, und ich weiß nicht, wieso es mir erst jetzt auffiel, wo ich sie doch schon so oft betrachtet hatte, aber erst jetzt fiel mir auf, was für eine schöne Augenfarbe Joséphine hatte.
Blau - das war keine Seltenheit. Besonders in meiner Familie nicht. Alle meine Brüder, mich eingeschlossen, hatten blaue Augen. Nicht etwa dasselbe blau, aber blau.

Was Joséphines Augen anders machte, war diese Klarheit. Ein blau, nicht so hell wie die Augen von Bash etwa, sondern tatsächlich wie ein klarer Himmel. In diesem Moment, in dem sich unsere Blicke kreuzten, schien all mein Ärger zu verblassen.

Bis mir einfiel, dass diese klaren, schönen Augen meinen Bruder mit mehr Zuneigung ansahen, als mir lieb war.

~

,,Hast du es etwa noch nicht gehört?"
Ich nahm die Stimme meines Bruders wahr, jedoch reagierte ich nicht sofort. Schon wieder stand Joséphine bei Bash und unterhielt sich mit ihm - bis Roderich dazu stieß. Bash schien sich daraufhin zu entschuldigen und sich zu entfernen, ließ die beiden allein. Dabei entging mir nicht der hilflose Blick, den Joséphine Bash zuwarf, sie sah ihn fast schon vorwurfsvoll an, als er von dannen zog.
,,Wenn man vom Teufel spricht", kam es von meinem Bruder und ich sah ihn verwirrt an.
,,Ich habe gehört, dass Joséphine bald mit Roderich verlobt sein wird."
Ich verarbeitete die Information einen Moment, bevor ich angewidert das Gesicht verzog. ,,Roderich? Den will sie heiraten?"
Da wäre es mir ja fast schon lieber, wenn sie Bash statt Roderich heiraten würde. Ich kannte den Grafen noch nicht lang, jedoch lang genug um ihn nicht leiden zu können.

Long May They ReignWo Geschichten leben. Entdecke jetzt