05. Klassenfahrt

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"Denkt bitte daran, dass wir ganze fünf Stunden unterwegs sein werden und nur eine längere Pause machen, wo ihr eine Toilette aufsuchen könnt. Eure Blase wird es euch danken, wenn ihr sie nicht sinnlos quält", beendet Josh seine Ansprache und ich lache leicht, während die meisten der Schüler sich nur peinlich berührt oder verlegen ansehen.

Der Tag der Klassenfahrt ist schneller gekommen als mir lieb ist. Das Wochenende über habe ich versucht einen klaren Kopf zu bekommen, was Josh und vor allem diesen Kuss angeht, doch jede Möglichkeit, die sich geboten hat, auch nur ansatzweise davon zu kommen, hat genau das verhindert. Noch immer bin ich genauso unentschlossen, wie ich es ab dem Moment war, in dem ich unsere Knutscherei beendet habe.

Diana und Avery habe ich noch nichts davon erzählt, jedoch besteht die meiste Konversation in unserem Gruppenchat daraus, dass sie mir versaute Fragen zu meinen Gedanken an Josh stellen und ich nur mit einem Smiley oder mit Schimpfworten antworte.

Meine liebsten Mädels sind also voll dafür, dass Josh der neue Mann in meinem Leben ist, der mich beglücken darf.

Doch die Frage ist noch immer, ob ich dafür bereit bin?

Seit knapp einem Jahr sind Noah und ich getrennte Wege gegangen und kommuniziert haben wir nur über unseren Anwalt in knappen Textmachrichten.

Noah und ich waren mehr als nur ein Partner für den anderen. Wir waren mehr als Liebhaber und Ehemann und -frau. Wir waren beste Freunde und haben alle Wichtigen Dinge in unserem Leben zusammen erlebt. Er hat mich verletzt und mich betrogen und ich werde niemals wieder mit ihm zusammenleben können, geschweige ihm noch einmal vertrauen, so wie ich es bisher getan habe. Aber werde ich jemals wieder jemanden finden, der eine Beziehung mit mir führen kann, wie Noah es immer getan hat?

Ist Josh jemand, der mich nur ins Bett bekommen will oder ein Mann, der doch auf etwas Langfristiges hofft? Kann man überhaupt schon darüber nachdenken oder ist es zu früh?

Die Angst erneut enttäuscht zu werden, macht mich immer wieder nachdenklich, obwohl ich längst weiß, was mein Bauchgefühl sagt.

Josh lässt sich neben mich fallen und ich weiche seinem Blick schnell aus, als er mich ansieht und lächelt.

"Freust du dich schon auf die Fahrt?"

"Natürlich", sage ich, "du auch?"

"Wie gesagt – ich freue mich, dass du dabei bist", erwidert er grinsend und ich nicke leicht, bevor ich meinen Blick von ihm abwende.

Ich weiß, dass es nicht fair ist, ihn dermaßen auf Abstand zu halten, weil er sicherlich genauso sehr über den Kuss sprechen will, doch ich kann nicht. Ich bin noch nicht bereit darüber nachzudenken, sodass ich beschließe, das Thema einfach bei Seite zu schieben.

Doch ich habe die Rechnung ohne Josh gemacht, der sich zu mir lehnt.

"Willst du darüber reden, was passiert ist?", fragt er leise. Ich sehe ihn kurz an und schüttele mit dem Kopf.

"Ich glaube kaum, dass ein Bus voller Schüler ein perfekter Ort ist, um darüber zu reden", erwidere ich bloß.

Er rollt kurz mit den Augen.

"Es kommt mir so vor, als würdest du dich von mir distanzieren, Quinn. Was ist denn das Problem? Ich bin doch nicht blöd. Du spürst doch auch, wie wir einander anziehen. Es hat zwischen uns gefunkt und du hast Angst, weil ich erst der zweite Mann in deinem Leben bin!"

Ich schlucke leicht und schüttele den Kopf.

"Hör auf. Das ist nicht wahr. Ich weiß einfach nicht, ob wir dieselbe Ansicht haben, was wir wollen", sage ich leise, weil ich nicht will, dass einer der Schüler etwas davon mitbekommt.

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