Kapitel 13

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In dieser Nacht konnte ich kaum schlafen. Möglicherweise lag es an dem Regen der erbarmungslos an das Fenster prasselte. So ein starker Regenfall war für den Herbst ziemlich ungewöhnlich. Es wirkte eher wie ein Sommergewitter. Ich wälzte mich im Bett von einer Seite auf die andere, wechselte die Position und setzte mich schlussendlich auf. Es brachte nichts. Das Wasser floss in unwahrscheinlichen Mengen die Scheibe hinunter. Die Straßenlaternen am Ende des Gartens wirkten durch das Wasser wie flackernde Feuer. Meine Glücksgefühle die Hauptsächlich von Felix ausgelöst worden waren, mischten sich mit einem Gefühl, dass ich einfach nicht zuordnen konnte. Positiv fühlte es sich jedoch nicht an. Es war, als wäre da irgendetwas. Irgendetwas, dass ich vergessen hatte. Und ich konnte mich einfach nicht daran erinnern. Ich musste dieses Gefühl irgendwie loswerden. Schlapp hob ich mich aus dem Bett und ging in Richtung Fenster. Viel war dank der Überflutung von all dem Wasser nicht zu erkennen. Ich atmete laut aus um dem Durcheinander in meinem Kopf Ausdruck zu verleihen. Mein Blick wanderte zu meinem Bett. Felix und ich hatten, bevor er gegangen war darauf gesessen. Ein Gefühl der Wärme überkam mich, wenn ich daran dachte wie er seinen Arm um mich gelegt hatte. Plötzlich fiel mir etwas ein. Wo war Bang Chan den ganzen Abend über? Ist er einfach Nachhause gegangen? Wieso war er bloß immer so still? So schlimm, wie ich dachte, war er doch sicher nicht. Er war wie eine geschlossene Tür zu der ich den Schlüssel nicht besaß. Der Anblick meines Bettes erinnerte mich neben Felix auch an den Abend davor als Chan mir eine gute Nacht gewünscht hatte.

Mit einem Schlag wurde mir bewusst was dieses andere Gefühl zu bedeuten hatte. Es waren dieselben Gefühle die ich an diesem besagten Abend nach Chans Besuch in meinem Zimmer hatte. Nur mit etwas negativem behaftet. Chan. Wieso hatte ich ihn so vernachlässigt. Ich hatte ihn nicht einmal gefragt wieso er verletzt war. All die Details die in den letzten Tagen geschehen sind und mir nie aufgefallen sind, tauchten vor meinem inneren Auge auf. Es lag auf der Hand. Ich hatte Chan verletzt. Angefangen hat es als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, bis hin zu dem Moment auf dem Schulklo als er sich Sorgen gemacht hatte und ich, natürlich genervt, reagiert hatte. Der Tag an dem ich die Schule geschwänzt hatte und Felix mich fast geküsst hätte. Konnte es wirklich sein? Ich erinnerte mich an meine Theorie die ich zu verdrängen versucht hatte. War Chan etwa in mich verliebt? Das konnte nicht sein. Wir hatten uns nie zuvor gesehen. So schnell konnte man sich nicht verlieben. Felix schoss mir in dem Kopf. „Naja, vielleicht kann man das doch" murmelte ich vor mich hin.

Ich schaute wieder in Richtung Fenster. Ich kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe herum und schüttelte dann mit dem Kopf „Nein, Nein, Nein" sagte ich entschlossen und verwarf den Gedanken. Der Bewegungsmelder an der Gartentür schaltete plötzlich das Licht an. Ich warf einen Blick auf meinen Wecker. 01:45 Uhr. Chan konnte es also nicht sein. Einen Augenblick später läutete schon die Klingel. Ich beschloss in meinem Zimmer sitzen zu bleiben. Sicher nur ein Klingelstreich dachte ich. „Da kann man einmal ohne Probleme schlafen und dann das" hörte ich meinen Vater fluchend die Treppe hinuntergehen. Als ich meinen Vater nach fünf Minuten noch immer nicht die Treppe hinaufgehen hörte, war meine Neugier doch etwas geweckt und ich entschied nachzusehen.

Chan stand durchnässt und fröstelnd vor unserer Haustür. Mein Vater kam gerade mit einem Handtuch aus dem Bad zurück. „Changbin, kümmere dich bitte um Mr Bang, er hat seinen Wohnungsschlüssel verloren und war die halbe Nacht draußen. Sprachlos, brachte ich nur ein Nicken zustande. „Ich muss mich schlafen legen, ihr kennt euch ja" meinte mein Vater gähnend und ließ mich perplex und Chan tropfend stehen.

„Ähm" kam als erstes aus meinem Mund als ich meine Sprache wiederfand. „Geh dich am besten erstmal duschen. Ich hol dir ein paar Sachen und noch ein anderes Handtuch. Dankbar reichte er mir das nasse Handtuch, sah mir dabei nicht einmal in die Augen. Von seinen blonden Locken tropfte es sodass der ganze Boden voll war. „Er ist sicher schon seit gestern Nachmittag draußen" dachte ich und in mir kamen Schuldgefühle hoch. Ich sprintete in mein Zimmer und suchte einige warme Sachen für Chan heraus. Unten schnappte ich mir noch ein großes trockenes Handtuch. „Chan?" fragte ich leise vor der Badtür als das Brausen der Dusche verstummte. Er öffnete die Tür einen Spalt und streckte seine Hand heraus. Ich gab ihm die Sachen und sah betreten zu Boden nachdem er die Tür geschlossen hatte. Nachdem ich einige Sekunden schweigend vor der Badtür gestanden hatte eilte ich in die Küche und kochte eine dampfend heiße Schokolade für ihn auf. Während ich vertieft darin war das Getränk in eine Tasse zu gießen, bemerke ich nicht, dass Chan hinter mir stand „Wohin mit den nassen Sachen?" fragte er. Vor Schreck zuckte ich zusammen und verschüttete die heiße Schokolade auf meinem Schalfanzug. Ich atmete scharf ein und biss dann die Zähne zusammen und nicht laut aufzuschreien. Mein Vater wäre sicher ausgerastet. Chan hatte die die Tasse glücklicherweise aufgefangen um noch mehr möglichen Lärm zu vermeiden. „Entschuldige" sagte er mit einem Zittern in der Stimme und seine Augen füllten sich mit Tränen. Ich riss mir die, in heißer Schokolade getränkten, Sachen vom Leib und zog den Tiefkühlschrank auf. Ich nahm mir eine Packung mit irgendwelchem gefrorenen Gemüse und drückte sie mir auf die Brust und den Bauch. Erlöst atmete ich aus. Ich hoffte es würde keine Brandnarben geben. Der kühlende Beutel half den brennenden Schmerz etwas zu verringern. Verzweifelt wischte Chan den Boden mit einem Lappen ab. Ich hatte mich noch nie so schlecht gefühlt. Ich war ein echter Idiot. Nicht nur gegenüber Bang Chan. Auch für Jisung bin ich kein richtiger Freund gewesen. Ich konnte meine Gefühle nicht mehr zurückhalten und begann zu weinen. Ich bereute es sofort. Als ob ich nicht schon schlimm genug wäre. Chan stand sofort auf und drückte mir ein weiteres Gemüsepaket auf den Bauch. „Tut es so weh?" fragte er ängstlich. Seine Hilflosigkeit war ihm anzusehen. Ich hatte sein Mitgefühl einfach nicht verdient. Ich warf das gefrorene Gemüsepakte, was mittlerweile nicht mehr gefroren war, zu Boden und sank dann selber zusammen. „Changbin...Es...Es tut mir wirklich leid, ich wollte dir nicht weh tun" brachte Chan traurig hervor und setzte sich zu mir. Ich konnte spüren, dass er etwas tun wollte. Er wollte mich trösten doch er schien sich nicht einmal zu trauen mich zu berühren. Stattdessen zog er seinen bzw. meinen Pulli aus und zog ihn mir über den Kopf. Es war ungewohnt ihn so verletzlich zu sehen er wirkte immer so stark. „Chan! Hör auf" rief ich und merkte, dass ich ihn schon wieder verletzte. „Es muss dir nicht leidtun. Ich habe dich verletzt!" brachte ich hervor.

You (Chanchang & Changlix)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt