1. Gesten sagen mehr als Worte ...

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Immer noch leicht in Trance taumelt sie wieder durch die Gemäuer. Diesmal jedoch zurück in die große Halle. Sie fragt sich immer noch, was gerade eben – sie weiß ehrlich gesagt nicht einmal mehr wie lange es eigentlich her ist – geschehen ist. Die Gryffindor fragt sich, wieso ausgerechnet Draco Malfoy sie beruhigen konnte und sie kann nicht verstehen warum er überhaupt versucht hat sie zu beruhigen.

Die ganze Jahre hatte er sein Bestmögliches versucht, um ihr das Leben so schwer wie nur eben möglich zu machen und nun sorgte er sich um sie? Naja, wenn man es sorgen nennen kann. Auf jeden Fall schien er nicht sehen zu können wie sie weint. Aber weshalb?

So unendlich viele Fragen beherrschen ihre Gedankengänge und doch findet sie keine Antwort. Nicht einmal auf eine ihrer Fragen. Warum war er überhaupt in der Bibliothek? Was wollte er dort? Er hätte nach dem Ende dieses bitteren Krieges überall hingehen können. Wieso war es ausgerechnet die Bibliothek?

Aber die Fragen, die ihr am meisten im Kopf herum schwirren sind wohl, wieso ausgerechnet er sie so schnell und stark beruhigen konnte UND warum ihr diese eine kleine Situation, als beide sich so in die Augen gesehen haben und der Blonde ihre Hand gestreichelt hat, so unglaublich bekannt vor kam

Die Gryffindor schüttelt schnell ihren Kopf. Merlin, das ist doch einfach nur lächerlich. Natürlich hat es solche ähnlichen Gesten von ihm in ihrer Vergangenheit nicht gegeben, er würde niemals so etwas tun. Es ist hier schließlich von Draco Malfoy die Rede, er hasst sie. Und er hat niemals etwas anderes getan, als sie und jede muggelgeborene Person zu verachten.

Sie kann noch nicht genau sagen, welchen Streich ihr ihr Gehirn gerade spielt, aber es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf die entsprechenden Umstände zurückzuführen. Es hat bis ein paar Minuten – oder ist es schon länger her? Jegliches Zeitgefühl ist ihr verloren gegangen – noch Krieg geherrscht und vermutlich ist sie einfach so überfordert mit allem, dass sie schon Gespenster sieht oder ähnliches.

Anders kann sie sich das einfach nicht erklären. Zu hoher Wahrscheinlichkeit muss sie erstmal alle Geschehnisse der letzten Stunden und vielleicht auch Wochen verarbeiten, dann kann sie wieder klar denken. Die Brünette würde einfach niemandem davon erzählen und würde es irgendwann auch vergessen. Es würde nie wieder zur Sprache kommen.

Sie ist so stark in ihren Gedanken versunken, dass sie erneut stolpert und diesmal wirklich fällt. Durch den Aufprall ist sie definitiv wieder in der Realität und versucht sich so schnell wie möglich wieder aufzurappeln, was ihr auch – eigentlich zu ihrer Überraschung – recht gut gelingt und ebenso recht zeitnah erkennt sie, dass sie sich bereits vor der großen Halle befindet.

Die Tür steht offen und sie sieht, dass Ron und Ginny und die restliche – am Leben gebliebene – Weasley-Familie noch um der Leiche von Fred stehen, währenddessen Harry vor den toten Körpern von Tonks und Remus steht und man deutlich sehen kann, dass er geweint hat.

Augenblicklich macht sich das leichte, schlechte Gewissen in der Brünetten breit und sie zögert keine Sekunde auf ihren schwarzhaarigen, besten Freund zuzugehen und ihn ohne jegliche Worte in den Arm zu nehmen. Sie weiß, dass er dies gerade braucht und er vermutlich auch eher weniger in der Lage ist, zu sprechen. Außerdem sagen Geste manchmal mehr als Wörter.

Als dieser Spruch durch ihren Kopf schwirrt, fühlt sie sich aus dem Nichts in die Vergangenheit zurückversetzt.

,,Alles wird wieder gut, Prinzessin. Ein Junge umarmt sie fest und genau in diesem Moment beginnen nur noch mehr Tränen ihre Wangen herunter zu fließen, als vorher auch schon. Sie beginnt laut zu schluchzen und klammert sich verzweifelt an den Jungen, der seinen Kopf auf Ihrem platziert hat und ihr beruhigend über den Rücken streichelt. Sie ist ihm verflucht dankbar, dass er für sie da ist und versucht ihren Tränenfluss zu stoppen. Im Grunde genommen will sie auch aufhören zu weinen, aber es funktioniert einfach nicht. Sie weiß, dass die Person wegen der sie weint, es in diesem Augenblick nicht wert ist, aber es verletzte sie auch einfach so ungemein. ,,E-er e-er h-at - Hermione versucht zu erklären, warum sie eigentlich so am Boden zerstört ist, doch sie bekommt nur Gestotter heraus. ,,Schhh macht er nur, drückt sie noch näher an ihn heran. ,,Sag nichts. Ich kann mir vorstellen, was passiert ist, das kann ich wirklich. Aber merk dir, Prinzessin, Gesten sagen manchmal mehr als Worte.

Nach dem sie wieder im Hier und Jetzt ist, kräuselt sie die Stirn. Was zur Hölle war das schon wieder? Wer war dieser Junge? Sie hat ihn nur verschwommen gesehen, seine Stimme kommt beziehungsweise kam ihr sehr bekannt vor, jedoch kann sie sie einfach nicht identifizieren. Die Granger schüttelt leicht ihren Kopf, um wieder klar zu werden. Was ist nur los mit ihr?

Hermione bemerkt, dass Harry sich langsam aber sicher beruhigt, da er während ihrer Umarmung wieder leicht begonnen hatte zu weinen - und sie entscheidet ihn hier raus zu holen. Also löst sie sich von ihm, sieht ihn an und muss sich etwas das – doch jetzt wirklich – unangebrachte Schmunzeln verkneifen als sie feststellt, dass seine schwarze, runde Brille schief auf seiner Nase sitzt. Ihre Mundwinkel beginnen schon fast zu zucken, als sie den traurigen Ausdruck in dem Grün seiner Augen erkennt.

Ihr Gesicht verzieht sich leicht, aufgrund der Tatsache, dass ihr schlechtes Gewissen nur noch weiter wächst. Sie seufzt und verlässt mit Harry zusammen die große Halle. Ihre Augen schwirren durch die Umgebung und sie sucht einen Platz, wo sie in Ruhe mit ihm reden kann, aber das ist im Anbetracht der Tatsache, dass hier vor einigen Minuten noch bitterer Krieg geherrscht hat, schon förmlich lächerlich.

Beide gehen stumm zu der Brücke, die das Schloss mit den Ländereien verbindet, da diese – im Gegensatz zu den anderen Teilen des gesamten Platzes – noch ungefähr steht. ,,Ich weiß diese Frage ist dumm,weil du wirklich viel durchgemacht hast die letzte Zeit, aber, wie geht es dir, Harry? Sie baut Blickkontakt auf und merkt, dass er doch wirklich zu kämpfen hat.

,,Es geht mir einigermaßen gut, Hermione, wirklich. Ich bin soweit okay. Ich mache mir eher Sorgen, um dich. Du warst plötzlich nicht mehr in der großen Halle...wo warst du? Wegen seiner Frage unterbricht sie den Blickkontakt und starrt nun auf den Boden. ,,Ich...Ich musste einfach raus da. Es ging nicht mehr. Das war alles einfach nur noch zu viel für mich als ich realisiert habe, dass es nun wirklich vorbei ist und...dann bin ich in die Bibliothek gegangen, weil...keine Ahnung und dann war da aus dem Nichts Malfoy...

Harry zieht eine Augenbraue hoch. ,,Malfoy? Was ist mit Malfoy? fragt er etwas irritiert und die Granger meint eine Spur Neugier darin hören zu können. Sie könnte sich selbst schlagen. Sie wollte doch das Thema vermeiden und doch hat sie sich jetzt verplappert. Verdammt. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr, denn der Ausdruck in den grünen Augen des Schwarzhaarigen macht ihr klar, dass er eine Erklärung verlangt. Sie seufzt.

,,Ja, Malfoy. Ich...Ich weiß auch nicht genau, was passiert ist. Ich bin in die Bibliothek gegangen und wollte ein paar Bücher aufsammeln, die überall verstreut lagen und naja...dann ist er plötzlich aufgetaucht...Ich habe während ich die Bücher aufgesammelt habe, sehr stark geweint und Malfoy hat dann auf einmal angefangen mich zu beruhigen...Ich meine eigentlich ist es schon lächerlich, nicht? Die ganzen Jahre ist er so abwertend zu mir und dann soll er mich auf einmal beruhigen? Ich weiß nicht. Vielleicht habe ich mir das alles auch nur eingebildet.

Währenddessen sie redet, bemerkt sie den Blick des Brillenträgers und seine Reaktion nicht. Hätte sie beides oder wenigstens etwas davon bemerkt, dann wäre sie sicherlich schon viel früher misstrauisch geworden, allerdings hätte sie trotzdem nicht einmal annähernd ahnen können, was da noch alles auf sie zukommen würde...

Obliviate - Duo postesque caritate Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt