24. Neugier ist der Katze Tod

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Piper PoV:

Ich drehte mich auf die andere Seite. Es war noch stockfinster draußen, viel zu früh, um geweckt zu werden. Ich murrte etwas Unverständliches und drückte mein Gesicht in das weiche Kissen.

Hier in Hogwarts war es einfach schön. Seit wir hier waren, hatte ich nicht einen einzigen Alptraum gehabt, obwohl das für eine Halbgöttin wie mich überhaupt nicht gewöhnlich war. Normalerweise plagten uns diese viel zu realistischen Träume, erzählten uns von der Zukunft, der Gegenwart oder Vergangenheit.

Doch hier im Schloss schlief ich wie ein Baby. Die wenigen Slytherinmädchen, die hier waren, waren alle ganz nett. Die Einzige, die ich nicht leiden konnte, war ein Mädchen namens Pansy Parkinson. Sie hielt sich für das schönste und talentierteste Mädchen ganz Hogwarts, doch eigentlich war sie bloß anstrengend.

Sie erinnerte mich immer an Dads alte Sekretärin. Auch Pansy behandelte alle anderen wie Dreck, doch das schlimmste an ihr war, dass sie stets über meine Freunde lästerte, wie die ganzen Mädchen aus der Wüstenschule es getan hatten oder wie Drew aus Camp Half-Blood.

Doch auch ihre "beste Freundin", über die sich Pansy bei jeder Möglichkeit lustig machte, war nicht unbedingt jemand, mit dem ich mich gerne zum Kaffee getroffen hätte. Sie hieß Daphne Greengrass.

Das Problem bei ihr war... das riesige Poster über ihrem Bett, dass der Grund für mich gewesen wäre, Alpträume zu bekommen. Ein lebensgroßes Poster von Tristan McLean, meinem Dad. Genau das Bild, das so viele andere junge Mädchen und Frauen auch an ihre Wände gekleistert hatten.
Es gruselte mich schon, bloß in die Richtung zu blicken.

Jemand nahm mich an den Schultern und rüttelte leicht daran. Doch wie schon gesagt, es war einfach viel zu früh, um aufzustehen. Der Unterricht begann noch längst nicht, sonst würde Pansy hin und her laufen, sich zehn Kilo Make-up ins Gesicht klatschen und vor dem Spiegel ihre Begrüßung mit Draco üben.

"Piper", flüsterte jemand, "schnell wach auf, es geht um Annabeth." Sofort schlug ich die Augen auf. Über mich gebeugt stand Nico, seine Augen waren ganz klein und dunkle Ränder zierten sein Gesicht. Er wirkte völlig fertig.

Wie war Nico bitte hier herein gekommen? Die Jungs konnten die Schlafsäle der Mädchen nicht betreten. Doch er war ja nicht irgendein Junge, er konnte Schattenreisen und momentan... war hier überall Schatten.

"Was ist mit Annabeth?" Verschlafen setzte ich mich auf, meine Augen mussten sich erst noch an diese Dunkelheit gewöhnen, ehe ich richtig erkennen konnte, was um mich herum passierte. Meine Zimmergenossinnen schliefen alle seelenruhig in ihren Betten und schnarchten vor sich her.

"Komm einfach mit." Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Ich schlug meine Decke zurück, schnappte mir meine Schuhe und rannte mit ihm los.

Es war egal, dass es mitten in der Nacht war, mir war es egal, wie er von Annie erfahren hatte, doch zweifellos hatte es etwas mit Percys Tod zu tun. Er war fort und ohne ihn würde Annabeth zusammenbrechen.

Als ich sie kennenlernte, war sie auch ohne Percy noch sie selbst gewesen, etwas verpeilter als sonst, etwas unruhiger, aber noch immer Annabeth, die Tochter der Athene.

Doch jetzt... gestern war sie kaum ansprechbar gewesen, ihr Blick war wie der eines wilden Tieres.
Nachdem sie und Percy in den Tartarus gestürzt waren, hatte sich bei den beiden etwas verändert, nein... davor schon.

Sie waren nicht zwei Liebende, sondern ein funktionierender Organismus. Diese kitschigen Sprüche auf Valentinstagskarten 'aus Zwei wird Eins' traf auf die beiden eben einfach zu.

Und jetzt, wo Percy tot war... jetzt fehlte ihre Hälfte, wie sollte ein halber Körper arbeiten?
Ich bemerkte erst jetzt, wie mir die Tränen die Wange hinabliefen.

Nicht nur Annabeth hatte Percy verloren, auch wir...
"Hey, alles wird gut", flüsterte Nico und lächelte mir matt zu. Dankbar erwiderte ich die Geste.

Wir kamen am Krankenflügel an, ein Ort der in Hogwarts immer ziemlich gut besucht war, wie mir schien.
Sofort bemerkte ich den Trubel um eines der Betten, in dem ein junges Mädchen mit blonden langen Haaren lag.

Um sie herum standen Professor McGonagall, Professor Fliwick, Madame Pomfrey und Will und Jason.
Statt der Krankenschwester war es Will, der sich um Annabeth zu kümmern schien.
"Was fehlt ihr denn?", fragte ich zwischen zwei Schluchzern und lehnte mich an Jasons Schulter, dann sah ich es.

Blut, furchtbar viel Blut. Ihre Narben, alle Stich- und Brandwunden schienen aufzuplatzen, eine nach der anderen. Sie keuchte vor Schmerz und rief immer wieder nach Percy.

Auf die nächsten Sekunden, war ich alles andere als Stolz, aber je mehr Annabeth schrie und weinte, desto weicher wurden meine Knie. Ich konnte nicht mehr atmen, sie so zu sehen, war einfach zu viel.

Meine Knie gaben nach und ich sackte einfach zusammen, mein Gehirn war von Nebel umwabert und ich spürte langsam wie ich abdriftete.
"Piper?!" Jasons Arme umfassten meine Taille, doch kurz drauf wurde ich einfach ohnmächtig.

Es sah aus wie eines dieser alten Gebäude aus Horrorfilmen, in die man einfach nicht hineingehen sollte, doch die Protagonisten taten natürlich genau das.
Ich schwebte praktisch über einem kleinen Landhaus, das war ein Traum - das wusste ich.

Ich bestand aus kleinen Luftpartikeln, unsichtbar für das menschliche Auge. Das alte Farmhaus wirkte verlassen, die vielen Fenster waren entweder eingeschlagen oder aus den Angeln gerissen.

Der Geruch von Pferdemist lag in der Luft und langsam schwebte ich näher heran.
Von drinnen hörte ich zwei Stimmen miteinander streiten.

Die Stimme einer Frau erklang: "Du hättest den Jungen der Spinne überlassen sollen! Dann hätten wir ihn jetzt nicht am Hals!" Sie war furchtbar hochnäsig, sie klang beinahe wie Pansy.

"Hast du gesehen was der mit den Monstern gemacht hat? Der hätte die Spinne zu Harakiri verarbeitet und als kleine Törtchen serviert. Ach, jetzt hab ich Hunger", antwortete eine männliche Stimme.

Meine desillusionierte Form schwebte durch die große Tür und das Bild, das sich mir bot, war einfach nur erschreckend.

Percy hing an einer Wand, angekettet, das Gesicht völlig zerschrammt, riesige Fleischwunden, blutverschmiert. Ich konnte an seinem Arm seinen Oberarmknochen herausragen sehen.

Er war weggetreten, Blut tropfte ihm aus dem Mund, viele Brandwunden und Narben zogen sich über seine nackte Brust.
Er trug bloß noch seine dunkelblaue Jeans, doch auch die war schon in Fetzen gerissen.

Doch er atmete. Er lebte!

"Piper!" Jason rüttelte an meinen Schultern und ich riss die Augen auf.
"Nein, ich will zurück!", keifte ich ihn an, ohne zu bemerken, dass ich meinen Charmesprech einsetzte. Sofort ließ er von mir ab und trat zurück.

Tränen stiegen mir in die Augen. Percy lebte womöglich, doch es ging ihm miserabel. Wie lange würde er wohl noch durchhalten?

✓|𝐇𝐮𝐫𝐫𝐢𝐜𝐚𝐧𝐞 - HP/PJ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt