Grossmama

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Sie hatte jeden anderen erwartet, nicht diesen Mann, dem sie zuvor am Waldrand begegnet war. Sie wusste, dass das Haus in hellem Aufruhr war, weil Malenyas Bräutigam in den nächsten Tagen eintreffen und sie mitnehmen würde. Aber dass er einige Tage vor dem angekündigten Termin kam, war überraschend.

In ihrer Vorstellung war der Lord ein mürrischer und verbitterter Mann, schließlich war seine Lordschaft im Norden. Dort wo es nur Eis und Schnee gab und keine andere Jahreszeit. Daher betete sie inständig, dass ihre Schwester glücklich werden würde. Auch wenn sie so weit von ihnen entfernt war.

Sie dachte sich nichts dabei, als sie mit Francys in den Wald ritt und versuchte ein paar Tiere zu erlegen. Nur durch Zufall war sie dem Lord dort begegnet und konnte kaum ihren Blick von ihm abwenden. Er war hochgewachsen, hatte breite Schultern und markante Gesichtszüge. Noch nie in ihrem Leben hatte sie solch schöne blaue Augen gesehen, die so herausstachen. Sein pechschwarzes Haar umrundete sein kantiges Gesicht und war ein starker Kontrast zu seinem hellen Teint. Er war so anders als ihre Brüder. Maskuliner und erfahrener als die meisten Männer, denen sie begegnete. Er war ein Lord, das konnte sie gleich an seinem Siegel erkennen.

Sie schämte sich, weil er denken musste, dass sie ein einfältiges und ungeschicktes Mädchen war. Francys erklärte ihr später, dass sie tatsächlich eine Hasenfalle benutzt hatte und sie sich nicht wundern musste, dass sie damit nur einen Hasen und keinen Truthahn gefangen hatte. Aber glücklicherweise hatte Francys ein paar der Vögel entdeckt und brachte sie zu ihnen, damit sie einen mit ihrem Bogen erschießen konnte.

Als sie zur Burg zurückkehrten fiel ihr nicht auf, dass eine Menschenmenge sich vor der Burg versammelt hatten. Sie nahm an, dass ihre Großmutter wieder einmal Gaben verteilte, das tat sie zurzeit, um das Wohlwollen des Volkes zu fördern. Und als sie auf den Hof ritt und erkannte wer sich da versammelt hatte, wurde ihr klar, dass der Lord der zukünftige Bräutigam ihrer Schwester war. Bald wären sie eine Familie und sie konnte sich es nicht erklären, aber sie war eifersüchtig auf ihre Schwester. Sie bekam einen solchen Mann zum Gatten, der nur vor Männlichkeit strotzte und wahrscheinlich auch viele Kriegsgeschichten zu erzählen hatte. Ihr Vater erzählte ihnen, dass Lord Polarion eine wichtige Rolle im großen Krieg spielte.

Leylia überlegte nicht lange, als sie vom Pferd stieg und gleich ihre Jagdbeute mit sich nahm. Sie wusste, dass es nicht angebracht war. Aber durch ihre Begegnung glaubte sie, dass er kaum ein solches Geschenk ablehnen würde. Er nahm es sogar dankend an und bedankte sich mit einem Kniefall und Handkuss. Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Hand, die einen Kuss von ihrem zukünftigen Schwager erhalten hatte. Sie errötete bei dieser Vorstellung, schließlich kam es selten vor das ein Lord ihr einen Handkuss schenkte. Leylia wusste auch, dass dieses Verhalten eine Zurechtweisung ihrer Mutter und Schwester nach sich zog. Deshalb flüchtete sie so schnell wie möglich in die Gemächer ihrer Großmutter.

„Großmama!", rief Leylia durch die Gemächer der ehrwürdigen Mutter des Lords Astoria. Diese saß in einem Stuhl und arbeitete an ein paar Stickereien.

„Ah Lele liebes Kind, komm setz dich zu mir", bat die Großmutter und strahlte über das ganze Gesicht. Sie liebte ihre Enkelin und diese erwiderte diese Liebe aus tiefstem Herzen.

„Bitte beschütze mich. Malenya und Mutter werden gleich hier sein", sagte sie und suchte Schutz bei ihrer Großmutter. Diese lachte und deutete an, dass sie sich hinter sie stellen sollte.

„Leylia!", hörten beide bereits ihren Namen. Die Tür ging schwungvoll auf und in Rahmen erschienen Lady Astoria und Malenyas, die eine Erklärung für das Verhalten von ihr wollten.

„Für dich immer noch Schwiegermutter mein Kind", sagte Großmutter und tat so als ob sie gekränkt war.

„Ich wollte damit nicht dich ansprechen Schwiegermutter", erklärte Aerys, „sondern deine Enkelin."

„Nun das haben wir gehört, es ist nur ein wenig verwirrend, weil ihr eures jüngstes Kind nach mir benannt habt", spielte die Großmutter die Verwirrte und entschärfte ein wenig die Situation für ihr jüngstes Enkelkind.

„Lele! Was hast du dir dabei gedacht, dem Lord einen toten Vogel in die Hand zu drücken?!", fragte nun Malenyas aufgebracht. Und fuchtelte dabei wild mit den Händen.

„Malenya ich dachte du seist zu einer Lady erzogen worden. Ein solcher Ausbruch gehört sich nicht", ermahnte sie die alte Lady Astoria. Malenya nahm ihre Hände zu sich und funkelte ihre Schwester dennoch böse an.

„Tut mir leid, ich dachte er würde sich darüber freuen. Und das tat er auch!", verteidigte sich Leylia und rieb sich dabei verlegen die Hände.

„Ein toter Vogel denn du eben erlegt hattest!", war Malenya immer noch empört über ein solches Verhalten.

„Ich hatte halt keine Stickerei zur Hand", meinte Leylia und deutete auf die Arbeit ihrer Großmutter. Man hörte wie Aerys stöhnte und nur den Kopf schüttelte.

„Lele, du weißt doch, dass sich eine junge Lady nicht so verhält. Außerdem bist du dem Lord in einem unmöglichen Aufzug entgegengetreten. Was soll er bloß von uns denken? Du weißt, es ist wichtig, dass wir einen guten Eindruck hinterlassen", predigte nun ihre Mutter ihr vor. Die Großmutter musterte das Erscheinungsbild ihrer Enkelin und sie trug eine nicht traditionelle Jagdkleidung. Sie hatte diese von ihren Brüdern zum Geburtstag geschenkt bekommen, damit sie sich besser bewegen und vor allem besser reiten konnte. Es schickte sich nicht für eine Lady Hosen zu tragen, aber selbst der Lord Astoria fand, dass diese Kleidung besser zum Küken der Familie passte und erlaubte ihr diese auch zu tragen.

„Das weiß sie Aerys", mischte sich nun die Großmutter ein, „du kennst deine Tochter, Lele ist sehr ungestüm und kümmert sich kaum um die Meinung anderer. Auch weil Ayden und du, ihr diesen Freigeist erlaubt habt."

„Ayden hat ihr diesen Freigeist erlaubt...", aber ihre Stimme brach ab, wenn Lady Astoria ehrlich war, dann war sie ebenfalls der gleichen Meinung wie ihr Mann. Leylia hatte schon immer von Natur aus einen Freigeist und man ließ ihr diesen auch.

„Sie ist, wie all deine Kinder ein wundervolles Geschöpf und wird sich zu benehmen wissen. Nicht wahr Lele?", fragte die Großmutter und sah ihre Enkelin ermahnend an. Diese nickte ihr eifrig zu.

„Es tut mir leid Malenya, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen", sagte Leylia entschuldigend und Malenya seufzte nur und schüttelte lachend den Kopf.

„Du bist unmöglich Lele", sagte Malenya, „ich dachte Mutter fällt in Ohnmacht, als du ihm das tote Tier in die Hand gedrückt hast."

Die Schwestern fingen an zu lachen und konnten mit dem Kichern gar nicht mehr aufhören.

Aerys lächelte über dieses Bild und ihre Schwiegermutter tat das gleiche. Schließlich würden die beiden Schwestern bald getrennt voneinander leben.

„Nun zum Glück bin ich nicht in Ohnmacht gefallen und konnte mich noch auf den Beinen halten", mischte sich nun Aerys ein.

„Malenya ich nehme an, dass heute Abend das Verlobungsbankett stattfinden wird", weiter musste die Lady Astoria nicht sprechen, denn ihre älteste Tochter nickte und zog sich zurück.

„Und du Lele, sieh zu, dass du nicht in diesem Aufzug zum Bankett kommst. Ich nehme an, dass Isabella dir bereits ein Kleid rausgesucht hat. Bitte sei dieses Mal pünktlich!"

„Natürlich Mutter, ich werde angemessen erscheinen", versprach Leylia und war froh darüber, dass sie so glimpflich davonkam. Ihre Großmutter war eben ihre beste Freundin.

„Vielen Dank Großmama", bedankte sie sich und wollte sie auch verlassen.

„Lele bis zum Bankett haben wir Zeit, bitte erzähl mir was geschah", bat die Großmutter und Leylia nahm grinsend Platz und begann zu erzählen.

Im Zeichen des NordensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt