Willkommens Geschenk

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Es war so, wie man es ihm beschrieben hatte. Die Familie Astoria lebte in einer großen Burg, die zwar Wohlstand symbolisierte, aber nicht protzig war. Auch verwunderte es kaum, dass die Bewohner zufrieden und überaus freundlich waren. Und natürlich war die Neuigkeit, dass ein Lord unterwegs zur Burg war, auch gleich zur Familie Astoria durchgedrungen.

Sie hatten also noch ein wenig Zeit, um einen Empfang zu improvisieren und das wollte er nicht. Aber er konnte diesen Umstand nun nicht mehr ändern.

Als sie auf dem Hof ankamen war auch die Familie anwesend. Er erkannte den Lord gleich, zwar war er ins Alter gekommen und die grau melierten Haare verrieten ebenfalls, dass auch das Alter vor ihm keinen Halt machte. Dennoch war er immer noch eindrucksvoll und man ahnte, dass er auch angsteinflößend sein konnte.

„Lord Polarion!", begrüßte Lord Astoria seinen Gast und kam ihm entgegen. Anders als andere Lords verbeugte er sich nicht vor ihm. Schließlich war Lord Astoria vor langer Zeit sein Lehrmeister und war von Rang und Namen gleichgestellt wie er. Die Familie Astoria war nach dem Königshaus das mächtigste Haus in diesem Königreich.

„Lord Astoria", erwiderte Erial und gab ihm freundschaftlich die Hand.

„Es ist sehr lange her", sagte Lord Astoria und schwelgte dabei in Erinnerungen.

„Ich war noch sehr jung", gestand Erial und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er war kein einfacher Schüler und hatte seinen Eigensinn. Aber Lord Ayden von Astoria war ein geduldiger Mensch und wusste was ihn seinem jungen Lehrling vor sich ging. Deshalb hatte er auch Respekt vor ihm, den die meisten Menschen in diesem Lande nicht hatten.

„Aber lasst mich Euch meine Familie vorstellen, sie sind schon sehr gespannt", lenkte Lord Astoria ab und führte seinen Gast zu seiner Familie, die in einer Reihe warteten. So wie es das Protokoll vorgab.

„Meine Frau Lady Aerys von Astoria", stellte er seine Gemahlin vor und sie war so, wie es sich Lord Polarion vorgestellt hatte. Sie war eine Prinzessin aus einem fernen Land, hatte hellblondes Haar, hohe Wangenknochen und eine sehr schlanke Figur. Sie strahlte vor Anmut und konnte ihre Herkunft nicht verleugnen. Er nahm ihre Hand und gab ihr einen Handkuss. Sie war entzückt über diese Geste und erwiderte sie mit einem Knicks.

„Es ist mir eine Ehre Lord Polarion", erwiderte die Dame des Hauses und lächelte ihn an.

„Meine ältesten Söhne, Lord Cedric und Lord Berial", wandte er sich den nächsten Personen zu, die zur Linken der Lady Astoria standen. Diese deuteten eine Verbeugung an, schwiegen dennoch, denn die Gastgeber waren ihre Eltern.

„Meine älteste Tochter Lady Malenya", stellte man ihm nun das wichtigste Mitglied der Familie vor. Da war sie nun also, seine Braut, wenn er sie auch wollte. Sie war das Ebenbild ihrer Mutter, voller Grazie und Anmut. Er würde sie am ehesten als vorzeige Ehefrau beschreiben, sie wusste wahrscheinlich was ihre Aufgaben waren und wie sie sich in der höheren Gesellschaft zu benehmen hatte. Sie wäre unterwürfig und würde ihm gehorchen. So wie es die meisten Edelleute wollten und genau das widerstrebte ihm. Sie war eine Schönheit, das war keine Frage und ihr Stammbaum wies eine makellose Ahnenreihe auf. Aber dennoch wusste er, dass diese Ehe eine lieblose und wenig reizvolle Zukunft hatte.

„Mylady", sagte Erial und nahm auch ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. Er betrachtete sie noch einmal und stellte fest, dass diese Frau sich nie dazu herabwürdigen würde, zu jagen oder sonst etwas zu tun, das nicht der Etikette oder dem Protokoll entsprach.

„Es freut mich Euch kennen zu lernen Lord Polarion", erwiderte sie und lächelte. Für ihn war es schwierig einzuschätzen, ob es ein aufrichtiges Lächeln war. Aber das würde er in den nächsten Tagen feststellen. Schließlich waren die Verhandlungen noch nicht ganz abgeschlossen.

„Mein jüngster Sohn Lord Akillis", stellte er nun das letzte Mitglied vor, das sich hier aufhielt. Lord Polarion zählte nach, man sagte ihm, dass Lord und Lady Astoria sieben Kinder hatten, hier waren aber nur vier anwesend.

„Eure anderen Kinder befinden sich nicht auf der Burg?", fragte Lord Polarion nach.

„Nein, meine..."

„Vater Mutter! Wir hatten Erfolg!", hörten sie plötzlich eine junge Frauenstimme und Pferdehufen, wie diese sich näherten. Er erkannte die Stimme gleich und blickte in die Richtung, von der die Stimme herkam.

„Oh nein...", stöhnte Lady Astoria und schämte sich für diesen Auftritt. Sie wusste was auf sie zukam, aber Lord Polarion war über eine solche Unterbrechung überrascht.

Die junge Frau ritt im Galopp und hielt ihr Pferd an. Da sie bemerkte, dass sie eine Zeremonie störte und dass ihre Familie einen hohen Besuch bei sich hatte. Ansonsten wären Cedric und Berial niemals auf dem Hof erschienen. Francys schloss auf und ahnte ebenfalls, dass großen Ärger bevorstand.

„Zwei weitere Kinder von uns", sagte Lord Astoria, „Lord Francys und Lady Leylia."

Sie war also kein Kind des Jagdmeisters, sondern eine Hochgeborene. Das hatte er nicht erwartet, auch weil Leylia wie ein Mann ritt und auf den Damensattel verzichtete. Sie schwang sich von ihrem Pferd und ihr Bruder tat es ihr gleich. Sie hantierte kurz an ihrem Sattel und nahm etwas mit, das Erial als ein Tier erkannte. Was hatte dieses Mädchen Bloß vor?

„Guten Tag Mylord, ich hoffe Ihr hattet eine angenehme Reise", sprach Leylia eine typische Begrüßung Floskel. Sie wusste nun wohl wer er und warum er hier war. Sie war aus tiefstem Herzen ein gutes Kind. Das konnte er wieder einmal feststellen.

„Ich hoffe Ihr wart erfolgreich Lady Leylia", erwiderte Erial und deutete ein Lächeln an. Er musste sein Gesicht wahren, schließlich war sein Gefolge bei ihm und beobachtete argwöhnisch diese Begegnung.

„Natürlich! Und als Begrüßung schenke ich Euch diesen Truthahn!", verkündete sie lauthals und drückte ihm das tote Tier in die Hand. Ein wenig verdattert blickte er auf den Truthahn, den sie wohl selbst erlegt hatte. Sie hatte es mit dem Pfeil direkt durch die Augen getroffen, ein sauberer und gezielter Schuss.

Die Familie Astoria war angespannt, das was ihr jüngstes Mitglied tat, entsprach nicht dem Protokoll und war äußerst aufdringlich und galt ebenfalls als unhöflich.

Und dann... brach er jedoch in Gelächter aus. Noch nie hatte er ein solches Willkommens Geschenk erhalten und auch etwas, was er brauchen konnte. Schließlich waren seine Männer hungrig und würden sich sehr über diesen Truthahn freuen.

Seine Gefolgschaft war überrascht und erstaunt darüber, dass ihr Lord so lachen konnte. Ihnen gegenüber zeigte er kaum eine Miene, Außer er war unzufrieden oder wütend. So ein ausgelassenes Lachen kam selten, wenn noch nie vor.

„Vielen Dank Mylady, ich habe noch nie in meinem Leben ein solch nützliches Geschenk erhalten", sagte er, dann kniete er sich hin und gab ihr einen Handkuss. Sie errötete, was ihm nicht entging. Sie hatte wohl nicht mit einer solchen Geste gerechnet.

„Bitte seid ein guter Ehemann für meine Schwester", flüsterte sie, damit nur er es hören konnte. Er blickte ihr in die Augen und erkannte, dass sie hoffte, dass ihre Schwester eine glückliche Ehe mit ihm führte. Er erwiderte nichts darauf, er konnte ihr dieses Versprechen nicht geben. Aber einen Gefallen konnte er ihr tun. Er stand auf und wandte sich der älteren Schwester zu.

„Lady Malenya würdet Ihr mir die Freude erweisen und mich in Euer Haus führen?", fragte er höflich und drückte nebenbei den toten Truthahn seinem Kommandanten in die Hand. Lady Malenya nickte und war ein wenig überfordert mit einer solchen Situation, aber dankend nahm sie die ihr angebotene Hand an.

„Ich denke für das Bankett wäre die Jagdbeute bestimmt eine Delikatesse", sprach der Lord zu seinem Kommandanten und grinste immer noch über dieses Geschenk. Er begleitete seine ihm angedachte Braut in die Burg und die Lordschaften folgten ihnen.

„Leylia! Was hast du dir dabei gedacht?!", hörte er wie Lady Astoria ihre jüngste Tochter zurechtwies. Gleich darauf vernahm er ein Lachen und dieses konnte nur von Lord Astoria sein. Anscheinend war wohl das jüngste Kind sein liebstes und ließ ihr auch einiges durchgehen.

„Liebling, lasst unser Kind, ich denke es war nötig, um das Eis zwischen uns und Lord Polarion zu brechen. Vielen Dank Lele", nahm Lord Astoria sein Nesthäkchen in Schutz.

„Gern geschehen", sagte Leylia selbstgerecht und grinste über das ganze Gesicht.

Im Zeichen des NordensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt