In was war sie da nur hineingeraten? Lord Polarion hatte ihr soeben einen Antrag gemacht und ihre Eltern sowie ihre Großmutter unterstützten ihn dabei. Sie wurde schlichtweg aufs Kreuz gelegt. Aber es half nicht, sie musste die Haltung wahren, schließlich waren Adlige anwesend und sie wollte ihre Familie nicht Bloßstellen. Lord Polarion begleitete sie zu ihrem Platz und ihr Bruder nahm sie sprichwörtlich entgegen. Sie fiel in seine Arme und sie meinte zu vernehmen, dass Erial überrascht über ihr Verhalten war.
„Gratuliere Lele", flüsterte Cedric und erwiderte die Umarmung. Sie vergrub ihr Gesicht in sein Hemd, damit sie niemand sehen konnte. Er freute sich für seine Schwester und sein Verhalten bewies, dass er nichts davon gewusst hatte. Als er merkte, dass sie nicht gleich loslassen wollte, zog er sie enger an sich.
„Was ist los?", wollte er wissen und machte sich Sorgen um sie. Keine Braut würde so reagieren, wenn sie eben einer Hochzeit zugestimmt hatte.
„Bitte bring mich zu Malenya", flehte sie ihn an und nun konnte auch ihr ältester Bruder eins und eins zusammenzählen.
„Ist gut", erklärte er sich einverstanden. Er sah zu Lord Polarion, der sich wahrscheinlich um seine Verlobte Sorgen machte.
„Lele muss sich kurz zurückziehen, sie ist so überwältigt, dass sie einen Moment braucht", erklärte Cedric seinem zukünftigen Schwager und begleitete gleich darauf seine Schwester aus dem Festsaal.
Kaum hatten die Beiden, den Festsaal verlassen, hob Leylia ihren Rock und rannte durch die Gänge. Cedric folgte ihr, er konnte seine Schwester in dieser Verfassung nicht allein lassen. Er schwieg und dachte wohl ebenfalls darüber nach, was hier vor sich ging.
Leylia hielt vor den Gemächern ihrer Schwester an und ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sie musste sich erklären und beteuern, dass sie davon nichts gewusst hatte. Malenya durfte sie nicht hassen, das war ihr innigster Wunsch. Sie klopfte an und es kam keine Antwort, vielleicht schlief sie bereits. Sie versuche es nochmal und es herrschte immer noch Stille.
„Vielleicht ist sie schon zu Bett gegangen", suchte Cedric nach einer Erklärung. Aber er hörte wie sich Schritte näherten und die Tür von Malenya geöffnet wurde.
„Was wollt ihr?!", fragte sie verbittert und warf einen Blick auf ihre Schwester. Sie war wunderschön hergerichtet und dann erkannte sie das Siegel von Polarion, „oh wolltest du mir die frohe Botschaft überbringen?"
„Malenya... ich wusste davon nichts", beteuerte Leylia und wusste nicht genau, wie sie sich erklären sollte.
„Natürlich nicht Leylia", sagte Malenya spöttisch und verschränkte die Arme. Leylia sah ihr zum ersten Mal in die Augen und erkannte, dass ihre Schwester geweint hatte.
„Niemand hat mich davon unterrichtet, dass Lord Polarion um meine Hand anhält. Ich dachte er wäre dein Bräutigam!", versicherte Leylia ihre Ahnungslosigkeit.
„Du hast schon immer alles bekommen was du wolltest", machte nun Malenya ihrer Schwester Vorwürfe, „und auch dieses Mal hast du keinen Halt gemacht. Du hast ihn gesehen und dir gedacht, dass du ihn heiraten möchtest."
„Nun gehst du zu weit", mischte sich nun Cedric ein und stellte sich zwischen seine Schwestern.
„Und dieses Mal hast du Cedric als deinen Beschützer mitgebracht. War dir Großmutter zu langsam?", provozierte Malenya weiter und ging einen Schritt auf die beiden zu.
„Ich schwöre dir bei den Göttern Malenya. Ich wollte nicht, dass das passiert", sagte Leylia und man hörte ihre Verzweiflung in ihrer Stimme.
„Hör auf damit!", schrie nun Malenya und die Beiden anderen fuhren zusammen. Malenya war immer wohlerzogen und verlor nie die Fassung.
„Du hast dir schon immer das genommen was du wolltest! Ohne Rücksicht auf Andere, aber weil du meine Schwester bist und ich dir ein Vorbild sein musste, habe ich dich nur aus der Ferne beneidet. Aber jetzt ist genug! Trete mir nie wieder unter die Augen Leylia!", rastete Malenya vollkommen aus. Cedric verstand, dass seine Schwestern hier sich nicht Versöhnen würden. Die Gefühle waren zu aufgewühlt und seine kleine Schwester war ebenfalls sprachlos und schockiert. Sie wandte ihren Blick auf den Boden und nickte schwach. Dann wandte sie sich ab und lief davon.
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Im Zeichen des Nordens
خيال (فانتازيا)Es waren friedliche Zeiten, so zumindest wurde es überall erzählt. Lady Leylia ahnte nicht einmal, dass das Königreich kurz vor einem Krieg stand und sie eines der Hauptfiguren darin war. Warum hatte Lord Erial van Polarion sie zu seiner Braut erkor...