Kapitel 8

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Samstag 05.10.2019

Am nächsten Morgen kann ich noch nichts draußen hören, also luge ich vorsichtig durch die Schlafzimmertür und sehe, dass Luis breit auf der Couch liegt und leise schnarcht.

Ich schließe wieder die Tür und ziehe mich schnell um. So leise wie nur möglich schnappe ich meinen Rucksack und will gerade den Fahrstuhl rufen, als ich Luis meinen Namen sagen höre. Mist.

,,Wo willst du hin?'' fragt er verwirrt und steht verschlafen von der Couch auf.

,,Ich dachte, ich sollte deine Gastfreundschaft nicht...'' er unterbricht meine Erklärung damit, dass er mir meinen Rucksack abnahm und wieder in den Flur stellt. ,,Weißt du wo du überhaupt hin willst?'' fragt er. Ich schüttle mit meinem Kopf. ,,Ich wird schon etwas finden. Ein Hotel oder so.'' erkläre ich, doch er packt mein Handgelenk, was mich zusammenzucken lässt. Sofort lässt er mich los und starrt mich mit großen Augen an. Schneller als ich reagieren konnte, zieht er meinen Ärmel nach oben und blickt auf die blauen Handgelenke hinab. Ich entziehe ihm meine Hände und verstecke sie in meinen Jackentaschen.

,,Wer war das?'' fragt er leicht zornig. Ich spüre wie mir leichte Tränen in die Augen treten. Kopfschüttelnd blicke ich auf meine Füße.

Wütend, aber trotzdem sanft packt er mich an den Schultern und schiebt mich ins Wohnzimmer auf das Sofa. ,,Bitte setz dich.'' völlig überfordert lasse ich mich auf das Sofa sinken und lege meine Jacke wieder ab. Luis geht raus und fängt an zu telefonieren. Ich kann nicht verstehen mit wem.

Warum ist er wütend? Wir kennen uns doch kaum.

,,Ich habe etwas zum Frühstück bestellt. Und meine Mom kommt nachher vorbei und macht dir ein paar Kräuterwickel.'' erklärt er und sieht mich vorsichtig an.

,,Was ist passiert?'' fragt er erneut. ,,Ich kann es dir nicht sagen. Bitte frage nicht weiter.'' versuche ich ihm zu erklären. ,,Nein Ally. Bitte. Du sitzt weinend am Straßenrand, hast Wunden am Körper.'' er checkt mit seinem Blick meinen Körper ab. ,,Wo bist du noch verletzt?'' fragt er schnell und rutscht etwas näher an mich ran. ,,Nirgendwo.'' sage ich schnell doch ich sehe ihm an das er mir nicht glaubt.

,,Meine Mom schaut sich das nachher mal an.'' sagt er nur und steht kurz auf. Der Zimmerservice hatte geklingelt.

Nachdem das Frühstück aufgetischt war, setzen wir uns und essen erstmal etwas.

,,Du kannst bleiben so lange du willst.'' sagt er zwischen zwei Bissen.

,,Ich..'' will ich wieder verneinen doch er lässt mich nicht. ,,Doch. Bitte.'' sagt er nur. Ich nicke kurz und lasse es fürs erste gut sein.

Er meinte es wirklich ernst, als er sagte, dass seine Mutter vorbeikommt. Denn sie steht nun wirklich vor mir und umarmt mich, als wäre ich ein Glücksbärchen.

,,Sie ist wirklich hübsch Luis.'' sagt sie als wäre ich nicht hier und betrachtet mich. ,,Kannst du dich um sie kümmern?'' fragt er sie und sie nickt erfreut. ,,Sehr gerne.'' ruft sie und tänzelt in das Badezimmer.

Stark verunsichert sehe ich zu Luis. Er lacht. Sein Kopf liegt leicht schief auf seiner Schulter und seine Augen funkeln mich an.

,,Sie mag dich.'' sagt er nur und holt seinen Laptop hervor. Ich nicke nur und setze mich wieder auf den Stuhl neben mir.

,,Ich werde an meinem Buch weiter machen. Dann kannst du nächste Woche im Büro es dir mal durchlesen.'' erklärt er und verschwindet in einer anderen Tür.

Nun sitze ich da, ganz allein in einer fremden Wohnung. Während mein Freund sicherlich gerade meine Wohnung auseinander nimmt.

,;So mein Kind.'' kommt die kleine asiatisch aussehende Frau wieder in den Raum. Sie hat eine dampfende Schüssel und Boxen bei sich, die sie auf den Tisch vor mir abstellt.

,,Ich sagte meinem Sohn, er solle uns jetzt eine Stunde allein lassen. Somit musst du keine Angst haben.'' erklärt sie und sieht mich prüfend an.

,,Zeig mir alle Wunden.'' fordert sie mich plötzlich auf und bereitet alles auf dem Tisch vor.

Sollte ich wirklich? Ich bin bisher ohne fremde Hilfe ausgekommen. Aber wohin hat es mich gebracht? Was hat es aus mir gemacht? Ich sollte anfangen Menschen an mich heran zu lassen. Dan ist der Einzige, der über meine Lage Bescheid weiß. Und er ist nicht da. Was mache ich, wenn der Fall mal wieder eintritt?

Vorsichtig ziehe ich mein Oberteil aus und stelle mich mit geschlossenen Augen vor die Frau. Ich höre wie sie scharf Luft einzieht und spüre leichte, warme Finger auf meinen blauen Flecken. Meine Schulter und mein Schlüsselbein sind noch betroffen. Aber zum Glück nicht so stark. Nur meine Handgelenke sind so schlimm.

,,Sie müssen mit Luis darüber reden Kind. Er kann dir helfen.'' erklärt sie und tupft vorsichtig über meine Flecke.

Ich nehme starken Kräutergeruch wahr. Vorsichtig traue ich mich, meine Augen zu öffnen und sehe wie sie einen Kräuterumschlag fertig macht und ihn mit einer Binde um mein Handgelenk befestigt.

,,Wie heißt du eigentlich mein Kind?'' fragt sie mich lächelnd. ,,Ally.'' gebe ich mit einer beschlagenen Stimme von mir.

Sie nickt nur und wickelt mich in einen Bademantel. ,,Nenn mich Ahni.'' sagt sie und streichelt mir kurz über meine Wange. Ich nicke leicht und lächle sie ebenfalls an.

,,Soll ich Ihnen beim aufräumen helfen?'' frage ich Ahni. ,,Sehr gerne.'' sagt sie und gibt mir die restlichen Binden in die Hand. Zusammen gehen wir ins Badezimmer und verstauen alles in den Schränken. ,,Kommst du von hier Ally?'' fragt sie mich neugierig. Ich schüttle den Kopf. ,,Nein. Ich bin aus Dover, Delaware.'' antworte ich ihr ruhig. ,,Und sie?'' frage ich ebenfalls. ,,Hör auf mit dem Sie mein Kind.'' beginnt sie lächelnd. ,,Nein. Mein Mann und ich kommen ursprünglich aus Südkorea. Sind aber vor fast 30 Jahren hierhergezogen. Luis kam hier zur Welt.'' erklärt sie.

Wir unterhalten uns noch lange. Trinken dabei sogar Tee und am Abend verabschiedet sich Ahni mit einer sehr langen Umarmung. ,,Ich hoffe doch, ich sehe dich bald wieder. Vielleicht im Lokal deines Vaters?'' richtet sie die Frage an Luis. Er verabschiedet sich von seiner Mom und bejaht ihre Frage leise. Grinsend stehen wir uns noch einen kurzen Augenblick gegenüber, nachdem sie gegangen ist.

,,Deine Mom ist lieb.'' sage ich und gehe Richtung Schlafzimmer. ,,Ja und sie mag dich sehr gerne.'' antwortet er mir und stellt sich an die Tür. ,,Gute Nacht Ally.'' sagt er doch ich halte ihn kurz am Ärmel zurück. ,,Ist es nicht unbequem wenn ich dir dein Bett stehle?'' frage ich schuldbewusst. Er kichert und entblößt somit mal wieder seine wunderschönen Zähne.

,,Wenn du möchtest, kann ich gerne mit hier schlafen.'' sagt er mit einem frechem Grinsen. Schnell schiebe ich ihn durch die Tür und schließe sie. Ich kann ihn draußen noch lachen hören.

Was sollte das denn heißen? Schnell reibe ich mein Gesicht um unkeusche Gedanken an ihn und mir in einem Bett, zu vertreiben.


reading menWo Geschichten leben. Entdecke jetzt